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Die "Innere Uhr" - Chronobiologie
griechisch: Chronos = Zeit; Biologie = Lehre von der belebten Natur
Unser Leben ist geprägt durch die Zeit: Wir stehen morgens auf, frühstücken, gehen zur Schule, haben pünktlich zu Mittag Hunger, kämpfen gegen unser Nachmittagstief und gehen abends zu einer mehr oder weniger festgelegten Zeit schlafen.
Doch auch in unserem Inneren laufen andauernd zahlreiche Rhythmen ab: z.B. Unsere Körpertemperatur steigt morgens kurz vor dem Aufwachen an und fällt abends wieder ab; Blutdruck und Hormonausschüttung erreichen jeden Tag um die selbe Zeit ihre Hoch- und Tiefpunkte; Während wir schlafen wechseln sich alle 90 Minuten Tiefschlaf- und REM-Schlafphasen ab.
Regelmäßige zeitliche Abläufe scheint es in der Natur fast überall zu geben. Ihre Zeitliche Spanne reicht dabei von Zyklen mit nur wenigen Sekunden Dauer (Herzschlag), über Minuten- oder Stundentakte bis hin zu tages- oder jahresperiodischen Schwankungen.
Je nach Periodenlänge werden biologische Rhythmen in 3 Kategorien eingeteilt:
Circadiane Rhythmen: ~nach einem Tag ist
der gleiche Zustand wieder erreicht
~z.B.: Temperatur, Schlaf-Wach-Rhythmus,
Ultradiane Rhythmen: ~nach 90min ist der selbe Zustand wieder erreicht
Infradiane Rhythmen: ~Monats- oder
Jahresrhythmen
~z.B.:
Periode, Mondzyklus,
am weitaus besten erforscht sind die circadianen Rhythmen, da Tageszyklen am besten nachvollziehbar sind und diese den Menschen ganz unmittelbar betreffen.
Schon in der Antike beobachtete Hippokrates an Hand von seinen Patienten, dass Asthmasymptome einem 24-stunden Rhythmus zu folgen scheinen und ein griechischer Anatom bemerkte, dass der Puls seiner Patienten je nach Tageszeit stieg oder fiel. Auch der Schreiber von Alexander dem Großen entdeckte, dass sich die Blätter bestimmter Bäume bei Tagesanbruch öffnen und sich abends wieder schließen.
Robert Burton erkannte bereits 1628, dass fast alle unserer Lebensäußerungen einer Steuerung unterliegen: "Unser Körper ist wie eine Uhr; wenn ein Rädchen fehlt, gerät das Ganze durcheinander."
Im 18. Jahrhundert entdeckte der französische Astronom Jean Jacques d'Ortous de Mairan die endogene Steuerung tagesrhythmischer Lebensvorgänge an Hand der täglichen Blattbewegungen der Mimose: Die Blätter schwingen auch unter Dauerdunkel ungefähr tagesrhythmisch weiter. Doch obwohl auch viele andere Wissenschaftler, wie Linné, Lichtenberg oder Darwin über dieses Phänomen berichteten, folgte eine wissenschaftliche Erforschung der "inneren Uhr" erst im zweiten Drittel des 20. Jahrhunderts. Zu den Pionieren dieser neuen Forschungsrichtung, der "Chronobiologie" zählen u.a. Wilhelm Pfeffer, Erwin Bünning, Entscheidend war die Beobachtung, dass Tagesrhythmen wie z.B. Blattbewegungen, Schlüpfvorgänge od. Stoffwechselvorgänge auch unter konstanten Bedingungen im Laborexperiment in unveränderter Stärke weiterschwingen.
Pflanzen: ~Bei Pflanzen scheint es mehrere
"innere Uhren" oder Schrittmacher zu geben, die über die gesamte
Pflanze verteilt sind. Ein übergeordnetes
Steuerungszentrum konnte bis jetzt nicht gefunden werden.
Einzeller: ~Seit den 40er Jahren des 20.
Jahrhunderts ist bekannt, dass circadiane Rhythmen auch bei Einzellern
vorkommen. Somit ist erwiesen, dass die
innere Uhr allein auf zelluläre Prozessen
beruhen kann, und für dafür keine Netzwerke
benötigt werden.
~z.B.:
Die meeresbewohnenden Geißelalgen Gonyaulax poyedra zeigen einen besonders
eindrucksvollen circadianen
Ablauf: Bereits eine Stunde vor
Sonnenaufgang steigen diese Einzeller an die Wasseroberfläche, wo sie
dichte Schwärme ("Teppiche" - "Rote
Flut") bilden und mit Tagesbeginn
Photosynthese betreiben. Noch vor
Sonnenuntergang sinken die Einzeller wieder
in die Tiefe, wo sie während der Nacht mit Hilfe des
Luciferasesystems biochemisch Licht
produzieren, um Fressfeinde abzuwehren. Dieses Verhalten verläuft
auch im Labor unter konstanten Bedingungen
rhythmisch weiter.
An diesem Beispiel sieht man, dass es auch
bei Einzellern mindestens zwei Schrittmacher geben muss:
Einen für die vertikale Wanderung und den
zweiten für die Lichtprozesse und die Photosynthese.
Tiere:
~Bei Tieren konnten im
Zentralnervensystem und zwar im Bereich des visuellen Systems klare
Schrittmacher
lokalisiert werden: bei Insekten in den optischen Loben
bei
Weichtieren an der Basis der Retina
bei
Wirbeltieren über der Kreuzung der Sehnerven im Suprachiasmatischen Nucleus
(SNC; Teil
von
Hypothalamus) und/oder in der Epiphyse
(Hirnanhangsdrüse/ Pinealorgan; produziert das
Hormon
Melatonin = "Schlafhormon").
~Bei
Fischen, Amphibien, Reptilien und Vögeln ist die Epiphyse noch
lichtempfindlich. Die "Uhr" in diesem Pinealorgan
ist entwicklungsgeschichtlich älter als die
im SCN. Bei Reptilien und einigen Vögeln "tickt" sie noch unabhängig und
steuert sowohl die tägliche
Melatoninproduktion, wie auch noch andere circadiane Rhythmen, wie
Körpertemperatur
und Nahrungsaufnahme.
Säugetiere:
~Bei Säugetieren, und somit auch
bei uns Menschen, unterliegt das Pinealorgan, also die Melatoninproduktion wie
auch andere Tagesrhythmen der Steuerung durch
den SCN. (durch Versuche mit Hamstern herausgefunden)
~Nach
neuersten Erkenntnissen sind das Pinealorgan und der SNC nicht die einzigen
Schrittmacher bei
bei Wirbeltieren. Auch in der Netzhaut wurden
welche nachgewiesen; wie diese Uhren allerdings genau
funktionieren, ist noch unbekannt.
in unserem Körper gibt es also nicht nur eine "innere Uhr", sondern mehrere
Millionen: Jede einzelne Zelle hat eine eigene winzige Uhr in ihrem Inneren,
die die Zellaktivität steuert.
Unsere biologischen Uhren sind so klein, dass sie in den Genen verankert sind. Schon durch frühere Versuche fand man heraus, dass z.B. von der Norm abweichende Rhythmen an Nachkommen vererbt werden. Lange Zeit war aber nicht klar, welche Gene für das Funktionieren der biologischen Uhren zuständig sind. Anhand von vielen Versuchen an der Fruchtfliege Drosophila melanogaster und über einen Zeitraum von rund 30 Jahren kamen die Wissenschaftler dem Geheimnis der inneren Uhr immer mehr auf die Schliche:
Anfang der 70-er Jahre entdeckte man das erste Uhre-Gen "period" (per). 1984 gelang es dann, dieses period-Gen zu klonen und somit den ersten Bestandteil des Uhrwerks, das Protein PER zu identifizieren. Zur selben Zeit gelang es Chronobiologen, weitere Uhren-Gene mit den Bezeichnungen timeless (tim) und frequency (frq) zu identifizieren.
Als Faktoren für den Ablauf der inneren Rhythmen gelten also Lichtreize von außen, Uhren-Gene, Proteine und Hormone.
Wiederum an der Fruchtfliege hat man folgenden Vorgang beobachtet: Die Konzentration von PER und TIM folgen einem 24-Stunden Rhythmus. Gegen Morgen wandern die beiden Gene aus dem Zellkern ins Zellplasma wo die Proteinproduktion anläuft. Im Laufe des Tages steigt die Konzentration beider Stoffe im Zellplasma langsam an. Mit Beginn der Abenddämmerung verbinden sich beide Proteine miteinander und werden wieder in den Zellkern geschleust. Rund vier Stunden später überschreitet die Konzentration des PER-TIM-Proteinkomplexes im Kern einen Schwellenwert und blockiert somit die weitere Proteinproduktion - d.h. die Uhren- Gene sind dann inaktiv. Während der Nacht zerfällt der Protein-Komplex wieder und am Morgen beginnt der Zyklus wieder von Neuem. Dieses System heißt "Prinzip der negativen Rückkopplung": Das Produkt (Gene) hemmt ab einer gewissen Konzentration seine eigene Produktion - und dies auch noch zeitlich gesteuert.
Das TIM-Protein zerfällt allerdings, wenn es dem Licht ausgesetzt ist. Der PER-TIM-Komplex wiederum entsteht nur dann, wenn eine relativ hohe Menge an TIM-Protein in der Zelle Präsent ist. Tagsüber, solange es hell ist, kann sich nur wenig TIM im Zellkern anreichern und somit bleibt die Hemmung der Uhren-Gene im Zellkern über Tag aus. Erst mit Beginn der Abenddämmerung und mit nachlassender Lichtintensität zerfällt das TIM-Protein nicht mehr, wenn genügend TIM angesammelt ist bildet sich der PER-TIM-Komplex und wandert folglich in den Zellkern usw.
Einen ersten wichtigen Durchbruch in der letzten offenen Frage gab es 2002: "Wie funktioniert es, dass die vielen Millionen winzigen Uhren in unserem Körper synchronisiert werden?" Chronobiologen glauben, dass der SCN der Sitz der "Hauptuhr" ist, die allen anderen Zell-"Uhren! synchronisierende Signale schickt. Für diese Signale ist - laut neuersten Erkenntnissen - der EGF-Reseptor zuständig, der sich auf Nervenzellen in der unmittelbaren Umgebung des SCN befindet und besonders auf das Protein TGF-alpha reagiert, das von den SCN-Zellen in einem bestimmten Rhythmus abgegeben wird.
~Die Chronobiologie ist für den Menschen von
immer größerer Wichtigkeit.
1. Unser moderner Lebensstil weicht
immer mehr ab von den Rahmenbedingungen, die unsere biologische Uhr uns vorgibt. So
nimmt z.B. der Anteil an
Schichtarbeitern immer mehr zu.
2. Wir setzen uns immer weniger dem
Sonnenlicht aus. Besonders im Winter verbringen wir Menschen sehr viel Zeit
in Innenräumen, wo die
Lichteinstrahlung nur 50 - 500 Lux beträgt. Das Licht im Freien beträgt jedoch
zwischen 8000 und
10000 Lux. Licht ist der
wichtigste Zeitgeber, wird aber erst bei relativ hoher Intensität für das
circadiane System wirksam.
Deshalb leben wir meist in
"chronobiologischer Finsternis".
3. Auch häufige Reisen über mehrerer
Zeigzonen bedeuten eine große Belastung für das circadiane System.
~Dieses Leben gegen die inneren
biologischen Rhythmen kann langfristig zu chronischen Krankheiten führen.
Weitere Folgen unseres
"rücksichtslosen" Lebensstils sind
auch Schlaf- und Essstörungen, Energielosigkeit, Verstimmungen oder sogar
schwere
Depressionen (vor allem im Herbst u.
Winter). Mit künstlichen Lichttherapien kann dem entgegengewirkt werden.
Auch durch immer neue
chronobiologiesche Erkenntnisse können diese Belastungen vermindert werden.
~In der Bevölkerung können zwei
Hauptkategorien von "Chronotypen" unterschieden werden:
"Eulen":
gehen gerne spät zu Bett und schlafen gerne länger
"Lerchen":
gehen früh zu Bett und sind frühmorgens
schon fit und aktiv
Diese beiden "Typen" werden durch
Gene bestimmt und sind somit vererbbar. Ein "Umerziehen" ist also so gut wie
ausgeschlossen.
Während der Pubertät sind Jugendliche tendenzielle Eulen. Es konnte
sogar nachgewiesen werden, dass eine
Verschiebung des Schulbeginns um eine
Stunde (besonders im Winter) zu einer allgemeinen Leistungsverbesserung
und einem besserem Gesundheitszustand
führen würde.
ist eine pseudowissenschaftliche Lehre, die besagt, dass man durch einfach Mittel gute und schlechte Tage von Mensch und Tieren ermitteln kann. Dieser Begriff wird in der Biologie und der Medizin sorgfältig vermieden.
Das Konzept des Biorhythmus entwickelte Harold R. Willis indem er sich auf Beobachtungen des Berliner Arztes Wilhelm Fliess und dem Wiener Psychologen Hermann Swoboda stützte, die anhand der Krankengeschichten ihrer Patienten scheinbar übereinstimmende Zyklen entdeckten.
Die Theorie des Biorhythmus geht davon aus, dass im Augenblick der Geburt drei grundlegende zyklische Rhythmen gestartet werden:
ein körperlicher
Zyklus, der 23 Tage dauert
(Ausdauer und Vitalität)
ein
emotionaler/seelischer Zyklus, der 28 Tage dauert
(sinnliche Wahrnehmung, Kreativität und Gemütsverfassung)
ein
intellektueller/geistiger Zyklus, der 33 tage dauert
(Denkfähigkeit, Logik und Lernfähigkeit)
Die Schwankungen in diesen Zyklen werden in Sinus-Kurven dargestellt.
Befindet sich eine Kurve im oberen Teil der Mittelachse, so ist man im entsprechenden Bereich (körperlich, emotional oder geistig) in einem "Hoch", also in einer aktiven Phase oder guten Verfassung.
Ist die Körperliche Kurve im Hoch, so ist man in Topform. Emotional im Hoch sein heißt gute Laune und Kontakte mit anderen Leuten fallen positiv aus. Geistig im Hoch heißt, dass die geistigen Kräfte geschärft sind und Konzentration bei der Arbeit fällt einem leicht.
Ist eine Kurve im unteren Teil der Mittelachse, so ist man im entsprechenden Bereich in einem "Tief", oder in der passiven Phase. Körperlich im Tief heißt, man ist schlaff und nicht fit. Emotional im Tief heißt, man ist nicht in guter Stimmung und geistig im Tief bedeutet, dass die Geisteskraft eingeschränkt ist, sich zu konzentrieren fällt einem eher schwer.
Die Tage, bei denen eine oder mehrere Kurve(n) die Mittelachse trifft, also der Übergang von einer aktiven Phase zur passiven Phase, sind so genannte "kritische Tage". An diesen Tagen werden die Rhythmen absolut ungleichmäßig instabil, was zur Folge hat, dass man antriebslos, gereizt und "denkfaul" ist.
Hohe Popularität erlangte der Biorhythmus in den 1980er Jahren, als die Berechnung des Biorhythmus mit einfachen Rechnern (jetzt via Internet) berechnet werden konnte. Einem Horoskop ähnlich konnten die Kurven von jedem interpretiert werden.
Die Biorhythmik hat immer noch eine große Anhängerschaft. Manche Vertreter dieser Lehre rechnen sogar gegen Entlohnung fehlerlos vor. Laut ihnen gäbe es zahlreiche Beweise für diese Lehre (Tod, Siege,). Seit Jahren verlangen sie nach der wissenschaftlichen Anerkennung der Biorhythmik, jedoch ohne Erfolg.
Es gibt viel Kritik an der Lehre des Biorhythmus:
Zweifel an der Existenz der drei Rhythmen.
Zweifel, das Rhythmen zeitlich derart konstant sein sollen, dass sie aus dem Lebensalter berechenbar sind. Schon alleine der Rhythmus der Menstruation unterliegt der hormonellen Steuerung und zeigt Schwankungen - kaum über mehrere Monate vorhergesagt werden.
Vorgehensweise - unseriös; Argumente der
Biorhythmiker - untauglich und naiv:
Biorhythmiker sind z.B. der Meinung dass es sich bei den Zahlen 23 und 28 um
ganz besondere Zahlen handelt, da es immer wieder gelingt, ganze Zahlen als
Summen von Vielfachen dieser beiden Zahlen darzustellen. Es ist jedoch eine
einfache zahlentheoretische Tatsche, dass das für zwei beliebige teilerfremde
Zahlen genau so funktioniert wie für 23 und 28.
Chronobiologie
Der Mensch und seine "innern Uhren"
Zentrum der "inneren Uhr! Uhren - Gene Ablauf
Biorhythmus
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