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Spezialgebiet in Biologie
Prionen
Vorwort
Wochenlang waren BSE und Prionen das Top-Thema in den Medien und auch wenn sie gegenwärtig von MKS aus den Schlagzeilen worden sind, so bleiben die Prionenerkankungen dennoch ein Thema, daß immer wieder in Beachtung findet - sei es durch weitere BSE-Fälle oder durch neue Erkenntnisse über die Prionen.
Es ist momentan eines der wichtigsten und am schnellsten expandierenden Wissenschaftszweige der Biologie und jeden Monat werden neue, bahnbrechende Entdeckungen gemacht.
Ich habe in dieser Arbeit versucht, einen Überblick über die relevanten Eigenschaften der Prionen wie Vermehrung, Funktion und Struktur zu geben, aber auch auf die Problematik von vCJD und BSE einzugehen. Zum Schluß möchte ich noch einen Überblick über einige Forschungsprojekte geben, die momentan laufen und in naher Zukunft publiziert werden könnten.
Was ist ein Prion?
Einer der wichtigsten Forscher von Prionenkrankheiten ist Stanley B. Prusiner (*1942). Als Professor der Neurologie und Biochemie in der University of California publizierte er 1982 erstmals seine These, daß die sogenannten "Slow-Virus" Erkrankungen wie die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (im weiteren mit dem englischen Kürzel CJD bezeichnet) oder Scrapie eine andere Ursache haben könnten, als Viren. Er stellte die Theorie auf, daß die Erreger dieser Krankheit ausschließlich aus Proteinen bestehen, keine Nucleinsäuren besitzen und das bei der Erkrankung sowohl erbliche wie infektiöse Faktoren eine Rolle spielen. Er nannte sie Prionen, eine Wortschöpfung die für"infektiöse Proteinpartikel" steht. Als Beweis hatte er in 8-jähriger Forschungsarbeit den Erreger aus einem künstlich infizierten syrischen Goldhamster isoliert und durch Tests einige erstaunliche Entdeckungen gemacht. Zunächst einmal bildete der Körper keinerlei Immunabwehr gegen die schädlichen Prionen was darauf schließen ließ, daß sie ein körpereigenes Protein waren. Er fand auch keine Nucleinsäuren in diesen Prionen, die für Viren charakteristische gewesen wären und definierte die Prionen als eine neue Klasse von infektiösen Erreger.
Zunächst begegnete man seiner Theorie mehrheitlich mit Skepsis und es entbrannt eine langer Streit zwischen den Mikrobiologen, der erst 1997 mit dem Nobelpreis für Prusiner beendet wurde. Die Prusinerhypothese wird gemeinhin akzeptiert, ihre Kernaussagen (keine Nucleinsäuren, nur Protein, etc.) gelten als bewiesen. Dennoch gibt es heute immer noch Forscher, die die Prionhypothese in Frage stellen, aber dazu noch später.
Die Forschungsarbeit von Prusiner wurde fortgesetzt und lieferte weitere Details über Prionen. 1985 fand man ein PrP-Gen, daß die körpereigene Produktion von Prionen regelte und folgerte daraus, daß es grundsätzlich eine harmlose Form von Prionen gibt, die bei Säugetieren eine bislang unbekannte Funktion erfüllen. Sie befinden sich meist auf der Zelloberfläche von Neuronen, weshalb vermutet wird, daß sie ein synaptische Funktion ausüben könnten (siehe Kapitel 3). Darüber hinaus gab es aber eine pathologische Form des Prion-Proteins (PrP) das degenerative Krankheiten wie CJD oder Scrapie auslösen konnte.
Prionen sind sehr unkonventionelle Krankheitserreger. Da sie kein Erbgut besitzen sind sie extrem hitzebeständig und halten extrem hohe Temperaturen und Druck aus und das über längere Zeiträume.
Daher glauben Evolutionsbiologen wie Univ.-Prof. Bernd-Michael Rode vom Institut für Allgemeine Anorganische und Theoretische Chemie der Universität Innsbruck daran, daß Prionen ein Relikt aus frühester Urzeit darstellen könnten. Sie bestehen aus den selben Bausteinen wie ersten Eiweißstoffe vor 3,6 - 4 Milliarden Jahren: Aminosäuren, Wasser, Kochsalz und Kupferionen. Nach Rode könnten Prionen also einen Blick zurück in die Entstehungsgeschichte des Lebens gewährleisten. Warum die Prionen dann trotz ihrer langen Existenz erst in den letzten Jahrzehnten zu Krankheitserregern geworden sind, begründet er damit, daß die meisten Prionenkrankheiten früher einfach nicht richtig diagnostiziert worden sind, beziehungsweise wegen der langen Inkubationszeit keine Zeit hatten, auszubrechen. Erst seit die Lebenserwartung gestiegen ist, stellen die vielen unterschiedlichen Prionenkrankheiten die Mediziner vor Rätsel.
Prionenkrankheiten
Es gibt eine Reihe von Erkrankungen, bei denen mittlerweile Prionen als Erreger bewiesen sind. Transmissible Spongiforme Enzephalopathien (TSE) wie sie aufgrund der im Mikroskop sichtbaren schwammartigen Veränderungen im Gehirn und wegen der Übertragbarkeit genannt werden, sind infektiöse Degernationskrankheiten. Sie zeichnen sich meist durch eine verhältnismäßig lange Inkubationszeiten, keinerlei Immunabwehr und einen letalen Ausgang aus. Das Krankheitsbild ist bei allen Arten sehr ähnlich: Es bilden sich Vakuolen, die von Amyloidablagerungen umgeben sind. Diese Hirnschäden rufen dann negative Veränderungen im Bereich der intellektuellen Fähigkeiten und Verhaltensstörungen hervor. Mit den gegenwärtigen Test sind Prionenkrankheiten erst nach dem Tod des Patienten sicher diagnostiziert werden.
Die bemerkenswerteste dieser Krankheiten ist "Kuru". Diese Prionenkrankheit grassierte bei den "Fore" einem Eingeborenenstamm in Papua-Neuginuea und nahm in den Fünfzigern epidemische Ausmaße an und forderte jährlich 200 Todesopfer. Die Symptome waren Verlust der Bewegungskoordination, oft gefolgt von Demenz und geistiger Schwäche, weswegen Kuru auch der "lachende Tod" genannt wurde. Die Inkubationszeit betrug etwa 5 bis 35 Jahre
Als der amerikanische Forscher Daniel C. Gajdusek 1954 das Phänomen untersuchte, stellte er fest, daß die Ursache der Verbreitung von Kuru der rituelle Kannibalismus der Fore war. Bei Beerdigungsfesten pflegte man die Gehirne der Verstorbenen zu verspeisen, um ihre Fähigkeiten zu erben. Auf diesem Wege wurde die Prionenerkrankung Kuru weiterverbreitet. Als 1957 der Ritus verboten wurde verschwand Kuru binnen weniger Jahre, auch wenn wegen der langen Inkubationszeit auch noch Jahrzehnte später Fälle von Kuru auftraten.
Die am längsten bekannte humane Prionenerkrankung ist das Creutzfeldt-Jakob-Syndrom. In den 20er Jahren wurde sie von Hans-Gerhard Creutzfeldt (1885-1964) und Alfons Jakob (1884-1931) erstmals beobachtet und seitdem relativ genau erforscht. CJD-Patienten sind generell zwischen 50-65 Jahren alt und zeigen folgende Symptome: Bewegungstörungen (z.B.: Muskelzucken), Ataxie (Störungen in der Koordination von Bewegungsabläufen), Störungen in der Aussprache, Wortfindung und des Sprachverständnisses, Geistesschwäche, allgemeiner Verlust der intellektuellen Fähigkeiten. Nach Ausbruch führt die Krankheit binnen weniger Monate zum Tod, 90% aller Patienten sind ein Jahr nach Ausbruch der Krankheit bereits verstorben.
10-15% der Fälle sind erblich durch eine Störung des Prp-Genes bedingt, wobei weltweit etwa 100 Familien bekannt sind, bei denen aufgrund dieses Defektes CJD gehäuft auftritt und autosomal dominant vererbt wird. Etwa 85% der CJD-Fälle treten sporadisch auf: etwa 1-2 mal unter einer Million Menschen, allerdings wird auch hier eine genetische Prädisposition vermutet.. Hinzu kommt ein geringer Prozentsatz der iatrogen verursachten Infektionen, das heißt durch mangelhafte Desinfektion von medizinischen Instrumenten bei Operation am Gehirn oder am Auge. Ein Fall der auch in diese Kategorie fällt, ist der der Wachstumshormone hgH, die in den 70ern aus den Vorsteherdrüse von Verstorbenen gewonnen wurden. Offenbar war unter diesen Verstorbenen auch ein CJD-Fall, weshalb duzende Kinder, die dieses Medikament genommen haben, in weiterer Folge an CJD erkrankt sind. Heutzutage lassen sich solche Hormone aber glücklicherweise mittels Gentechnik gefahrlos reproduzieren.
Eine Variante von Creutzfeldt-Jakob ist das Gerstmann-Sträussler-Scheinker-Syndrom, kurz GSS. Sie ist eine Erbkrankheit, die durch eine Punktmutation auf dem Codon 102 des PrP-Genes bedingt ist und autosomal dominant vererbt wird. Im Gegensatz zu CJD tritt der Verlust der intellektuellen Fähigkeiten erst später ein und der gesamte Krankheitsverlauf ist um einige Jahre länger. Das durchschnittliche Alter von GSS-Patienten liegt zwischen 35 und 55 Jahren.
Auf die neu auftretende Form vCJD komme ich ebenso wie auf BSE im Kapitel 4 zur sprechen.
Fatale Familiäre Insomnie (FFI) ist wiederum eine andere Prionenerkrankung, die erst 1986 entdeckt wurde. Sie ist eine Erbkrankheit, die (wie fast alle vererbbaren Prionenkrankheiten) auf einer Punktmutation am PrP-Gen beruht und zeigt als Symptom Schlafstörungen, die zunehmend in eine nicht therapierbare Schlaflosigkeit übergehen, die zum Tod führt. Es sind erst wenige Fälle von FFI bekannt, wobei das Alter der Patienten von sehr unterschiedlich ist (jüngster Fall: 20 Jahre, ältester: 71 Jahre) und die Krankheit nach 7 bis 32 Monaten tödlich verläuft.
Ebenso wie beim Menschen gibt es auch bei anderen Säugetieren Prionenkrankheiten, wobei die meisten eine sehr hohe Ahnlichkeit mit Scrapie aufweisen. Diese Krankheit die vorwiegende Schafe (aber auch Ziegen) befallen kann, ist seit mehr als 200 Jahren bekannt und überall auf der Welt verbreitet. Scrapie ist eine fortschreitende, degenerative, tödliche Erkrankung des zentralen Nervensystems, und führt zu diversen Verhaltensänderungen. Die Tiere werden schnell nervös, reagieren überempfindlich auf Lärm und Berührungen und verspüren offenbar einen extrem starken Juckreiz, den sie durch Kratzen und Scheuern loszuwerden versuchen. Sie nehmen in weiterer Folge trotz ausreichender Ernährung ab, und bekommen einen traberartigen Gang, weswegen Scrapie auch als die Traberkrankheit bekannt ist. In weiterer Folge, erblindet viele Schafe, zeigen Schluck- und Muskelstörungen und sterben schließlich nach wenigen Monaten.
Scrapie kann sowohl vertikal (Muttertier auf das Jungtier) als auch vertikal durch Nachgeburtsteile oder das Fruchtwasser die von anderen Tieren gegessen werden können.
Andere TSE bei Tieren sind die Spongiforme Enzephalopathie der Zuchtnerze (TME), die Feline Spongiforme Enzephalopathie oder die "Chronic Wasting Deseae" bei Hirschen (CWD) die bisher nur in den USA beobachtet worden sind. Diese Krankheiten sind bisher nur in Gefangenschaft nachgewiesen worden, und könnten ähnlich wie es bei BSE vermutet wird, durch Scrapie-haltiges Tiermehl übertragen worden sein.
Die hier erwähnten Krankheiten bilden vorerst das gesamten Spektrum an nachgewiesenen Prionen-Erkrankungen, allerdings sind in letzter Zeit Stimmen laut geworden, die Prionen auch mit anderen degenerativen Krankheiten wie Alzheimer und Parkinson in Verbindung sehen. Bei Tieren ist es auch nicht auszuschließen, daß weiter Erkrankungen gefunden werden, da die Artenschranke offenbar durch Tiermehl relativ leicht überwunden werden kann (Siehe Kapitel 4).
Struktur, Wirkungsweise und Vermehrung der Prionen
Nachdem ich im ersten Kapitel die Problematik der Prionen bereits umrissen habe, möchte ich nun näher ins Detail gehen.
Das verblüffendste an den Prionen ist wahrscheinlich ihre Vermehrung. Wieder einmal war es Stanley B. Prusiner der ihr auf die Spur gekommen war. Nachdem erst festgestellt hat, daß es 2 Arten von Prionen gab: das pathologische PrPsc und das gesunde PrPc, wobei das sc für "Scrapie" und das c für "cell", die Zelle steht. Die beiden waren chemisch gleich und hatten das selbe Molekulargewicht (33 - 35 kDa) aber es gab ganz offensichtliche Unterschiede. Während sich PrPc mit dem Enzym Protease K problemlos verdauen ließ bleibt das PrPsc das Kernstück (Position 90 - 230) über, verdaut wurde lediglich eine für die Funktion irrelevante, einfache Aminosäurekette. (Position 1 - 89) (Dieses Prinzip wird zur Zeit als BSE-Nachweistest angewandt.)
Der Unterschied war ganz offensichtlich physikalischer Natur, genauer gesagt in der räumlichen Faltung der Aminosäureketten. In Zusammenarbeit mit einem Züricher Forschungsteam konnte 1996 mittels kernmagnetischer Resonanz ein dreidimensionales Bild von der Prionen erstellt werden. Sie zeigte einen "globulären" Bereich, in dem sich 3 schraubenartigen gewunden Strukturen - alpha-Helices - befanden. Beim pathologischen Prion wandeln sich einige dieser Helices in Beta-Faltblätter um, die eine wellblechartige Struktur haben, die vom Enzym nicht mehr abgebaut werden kann.
Die Idee Prusiner war es, daß die pathologische Form mit unbekannten Mechanismen die gesunden Prionen dazu bringen kann, ihre Form zu übernehmen. Sein Modell sah vor, daß sich
PrPsc an PrPc anlagern und in einen direkten Katalyse umwandeln. Der Ort dieser Umwandlung ist die Zellmembran, wo sich für gewöhnlich vermehrt PrPc anlagern, und es wurde angenommen, daß der Vorgang, sehr zeitaufwendig war, da sonst Patienten mit erblichen Prionenerkankungen schon in frühester Kindheit sterben würden.
Das aber würde bedeuten, daß ohne das normale PrP, die Krankheit auch bei Infektion von PrPsc über der kritischen Mindestmenge von 100.000 infektiösen Einheiten keine Krankheit auslösen kann. So kam es zum berühmten Versuch von Charles Weissmann, der mit seiner Züricher Forschungsgruppe versuchte, Mäuse ohne dem PrP-Gen zu züchten, sogenannte "Knockout"-Mäuse. Tatsächlich würden diese Mäuse nach einer Injektion von infektiösen Prionen nicht krank, und Prusiners These galt als bestätigt.
Allerdings gab es Details, die dieses Modell auch nicht erklären konnte, wie die Notwendigkeit einer infektiösen Mindestmenge oder das mehrfach beobachtete eindimensionale Kettenwachstum der Prionen. Meist lag nämlich das PrPsc in den Hirnen der Opfer in Form von Stäbchen auf. Die Vermehrung des pathologische PrP mußte also einer Polymerisation ähnlich sein, die in langen Ketten erfolgt, wobei jeweils nur die Endstücke aktiv sind.
Diese Hypothesen wurde 1996 vom Nobelpreisträger in Chemie 1967 (Methoden zur Bestimmung der Geschwindigkeit von schnellen chemischen Reaktionen) Manfred Eigen aufgegriffen und er versuchte, sie sinnvoll in einem mathematische anwendbaren Modell zu vereinen. Er stellte fest, daß die PrPsc -Konzentration im Gehirn entweder stetig zunehmen oder abnehmen mußte, da auch Zerfallsprozesse auf sie wirkten. Zusätzlich zu den Protein-Protein-Wechselwirkungen rechnete er eine kooperative Wechselwirkung zwischen den Proteinen ein und konnte so ein Modell erstellen, daß sowohl die Existenz eines Schwellenwertes (à Mindestmenge von infektiösen Einheiten), als auch die lange Inkubationszeit.
Zusammen mit Martin Nowak (Wien) und Joanna Masel (Oxford) entwickelte er ein neues Vermehrungsmodell, daß die mathematischen Grundbedingungen erfüllt, und die Stäbchenbildung miteinbezog. Die PrPsc gruppierten sich demnach in Ketten, die jeweils an den Enden PrPc in PrPsc umwandelten. Die exponentielle Beschleunigung des Aufbaus läßt sich erklären, wenn man davon ausgeht, daß die Ketten nach und nach zerbrechen und somit weiter aktive Enden frei werden. Somit wurde die Wachstumsgeschwindigkeit von drei grundlegenden Faktoren beeinflußt:
Anlagerung einer Proteineinheit PrPc an ein Ende der PrPsc-Kette
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