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Aufkl rung "Nathan der Weise"
"Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen "
Gotthold Ephraim Lessing (1729-1781), Nathan der Weise
Ein Wahlspruch der literarischen Epoche der Aufklärung lautet: "Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen "
Immanuel Kant (172 -18 4)
Weisen Sie anhand des Dramas "Nathan der Weise" von G. E. Lessing (3. Auszug, Auftritte 5 - 7) nach, wie diese Titelfigur dieser Forderung nachkommt!
Die Aufkl rung entstand auf der Grundlage der kapitalistischen Entwicklung in den fortgeschrittenen Ländern Europas. Um die Produktivität entfalten zu können, bedurfte das Bürgertum neuer Erkenntnisse über die Natur. Mit den Mitteln der Beobachtung und des Experiments gelangen neue Entdeckungen in den Naturwissenschaften. Die wissenschaftlichen Entdeckungen zeigten, daß die Vorgänge in der Welt nicht die Wirkung eines göttlichen Willens, sondern die Folge von Naturgesetzen war, die der Mensch erkennen und für sich Naturwissenschaft auch zu Folgerungen ber das gesellschaftliche Zusammenleben der Menschen. Alles, was in der Gesellschaft "unnatürlich" war - die Vorrechte des Adels, die Willkürherrschaft der Fürsten, die Verbote der Kirche gegen die wissenschaftliche Forschung
- sollte beseitigt werden.
Die Aufklärung war eine geistig - literarische Bewegung des sich emanzipierenden Bürgertums zur Überwindung des Feudalismus und des Dogmas der Kirche im 18. Jahrhundert. Das Wort Aufklärung ist die deutsche Entsprechung zu der französischen Bezeichnung "siécle des lumiéres" ("Jahrhundert des Lichtes", "Jahrhundert der Aufkl rung")
Vom Schriftsteller verlangte die Aufklärung philosophische Bildung, universelle Kenntnisse und exaktes Wissen. Unter Literatur verstand man damals auch die Wissenschaften, wie zum Beispiel die Geschichtsschreibung. In enger Verquickung mit Philosophie und Wissenschaft wurde die Literatur zum Zentrum und Hauptinstrument der
Bewußtseinbildung. Sie wurde besonders in Frankreich durch die Enzyklopädisten (z. B. Voltaire, Denis, Diderot, Jean-Jacques Rousseau) zur gesellschaftsverbundenen ideellen Macht, die durch den Vorstoß bis zu atheistischen und materialistischen Positionen sysematisch die ideologischen Grundlagen der absoluten Monarchie und der Kirche untergrub und damit die französische Revolution vorbereitete.
Die deutsche Aufklärung (1700-1750 frühe Aufklärung, 1750-1770
Lessing-Periode) dagegen gewann infolge der nur zögernden Entwicklung des deutschen Bürgertums keinen so bestimmenden Einfluß auf das gesellschaftliche Leben. So beschränkten sich die deutschen Aufkl rer in der Regel auf die philosophische und moralische Bildung des Bürgers.
In Leben und Werk Gotthold Ephraim Lessings (17 9-1 81) erreicht das Denken und Dichten der deutschen Aufklärung einen Höhepunkt. Lessing nimmt alle Anregungen und fortschrittlichen Leistungen der europäischen und der deutschen Aufklärung auf. Sein Werk schuf alle wesentlichen Voraussetzungen für die Entwicklung der klassischen bürgerlichen deutschen Literatur und wirkte auf die humanistisch - realistische Literatur anderer Völker.
Am Anfang der deutschen Aufklärung standen Philosophen, die
versuchten, das wissenschaftliche Denken von der Bevormundung durch die Theologie zu befreien und die der Erfahrung und dem Denken den gleichen Rang zugestanden wie dem religi sen Glauben, der noch nicht bezweifelt wurde.
Der deutsche Philosoph Immanuel Kant definierte Aufklärung als "Ausweg des Menschen" aus "Unmündigkeit". Den "Wahlspruch der Aufkl rung" sah er darin, sich des "eigenen Verstandes zu bedienen". Die Aufklärung war mithin eine vom Bürgertum geführte Oppositionsbewegung, die zur Errichtung einer natürlich - vernünftigen gesellschaftlichen Ordnung beitragen wollte.
Das letzte große Drama Lessings und zugleich sein bedeutendste und am stärksten nachwirkendes war "Nathan der Weise" (1779). Der Anlaß war zunächst ganz unpoetisch. Der Dichter vertrat die Ansicht, daß sich die Menschheit - vor allem moralisch - entwickelt und daß die einzelnen Religionen in dieser Entwicklungsgeschichte die Aufgabe haben, die Menschen moralisch zu erziehen. Diese Aufgabe ist erst erfüllt, wenn die Menschen von sich aus "das Gute tun, weil es das Gute ist: Diese Auffassung Lessings rief die orthodoxe (strenggläubige) lutherische Geistlichkeit unter Führung des Hamburger Hauptpastors Goeze auf den Plan, und es entbrannte ein jahrelanger Streit, der in Form theologischer Streitschriften ausgetragen wurde. Gotthold Ephraim Lessing ist der wichtigste Vertreter der Aufklärungsliteratur im deutschsprachigen Bereich. Sein Einfluß ist so vorherrschend, seine Bedeutung schon unter den Zeitgenossen so unumstritten, daß man sich beinah genötigt sieht, die Aufkl rungsepoche, zumindest in ihrer zweiten Phase, in Deutschland präziser und zutreffender als Lessingzeit zu bezeichnen. Denn dieser deutsche Aufklärer paßt sich in keine Definition von "Aufklärung" ein. Er überschreitet in seiner literarischen Praxis, in seinen polemischen
Schriften und in seiner Lust am Selbstdenken auch die Regelsystem aufklärerischer oder philosophisch - ästhetischer Festlegungen.
Sultan, der den moslemischen Glauben angehört, ist in Geldschwierigkeiten, sucht und findet schließlich die Hilfe Nathans, der den jüdischen Glauben angehört. Deshalb stellt er ihm die Fangfrage, welche der drei Religionen - Judentum, Christentum, Islam
- die richtige sei. Ausschlaggebend für ihre Freundschaft ist die von
Nathan erzählte Ringparabel.
Die Ringparabel ist das ideelle Kernstück des Dramas. Sie muß zunächst als Reaktion Nathans auf die verfängliche Frage des Sultans nach dem wahren Glauben verstanden werden. Denn verfänglich ist die "Falle", die darin besteht, daß er eigentlich antworten kann, was er will, er setzt sich im Sinne der Auffassung des Sultans immer ins Unrecht. Seine Weisheit besteht darin, daß er für den Herrscher ein "Märchen" ersinnt mit dessen Hilfe er aus der Falle zu entkommen hofft.
Nathan erzählt die Geschichte von den drei Ringen, die ein Vater an seine drei S hne weitergibt, weil er sich nicht entscheiden kann, welchem er den Vorzug geben soll. Da sich die drei Ringe völlig gleichen, ist der Originalring, der die Wunderkraft haben soll, "vor Gott und Menschen angenehm zu machen", nicht mehr zu ermitteln. Die um ihren Alleinanspruch betrogenen Söhne klagen gegen ihre Brüder. Der kluge Richter aber weist die Kläger ab, da sich die "Wunderkraft" an ihnen nicht offenbart, und er erteilt ihnen einen Rat. Der Richter schickt die Brüder mit der Aufforderung heim, "um die Wette" zu streben. "Die Kraft des Steins in ihrem Ring an den Tag zu legen". Jeder von ihnen soll also aktiv "mit Sanftmut, mit herzlicher
Verträglichkeit, mit Wohltun" beweisen, daß er den rechten Ring besitzt.
Mit der Parabel von den drei Ringen hat Nathan die Frage des Sultans nach dem rechten Glauben beantwortet. Lessing gibt damit seiner Überzeugung Ausdruck, daß man keine Religion als die "wahre" bezeichnen kann. Alle drei seien gleich »richtig« oder »falsch« und gelten in gleicher Weise. Mit dem Richterspruch fordert er Toleranz und aktiven Humanismus , den jeder einzelne wie jede Gemeinschaft beweisen muß. Nicht die Religion entscheidet, sondern das menschliche Tier. Der Wert einer Religion wird dadurch bestimmt in wie weit sie die Möglichkeit nutzt um dem Mensch zu humanen handeln zu bewegen.
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