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EINF HRUNG
Der literarische Reisebericht
Wenn jemand eine Reise tut, so kann er er was erzählen. Nicht erst Matthias Claudius erkannte den intimen Zusammenhang zwischen Reisen und erzählen. Diese Verbindung hatte sich über Jahrhunderte entwickelt, und jede Epoche hatte ihre typische Reiseform, jeweils verbunden mit einer gewissen Vor- und Nachzeitigkeit: Die Pilgerreise im Mittelalter, Die Grand Tour im 1 . Jh , als Weiterf hrung die Italienreise im 1 . Jh , die Auswanderungswellen im . Jh. und die Moderne im 2 . Jh.
Reisende stehen seit je her unter dem Verdacht, zu l gen. Der Reisebericht wird schon seit der Antike als eine Gattung mit wenig Wahrheitsgehalt gesehen. Diese L gen haben verschiedene Ursachen, wie kommerzielle Bed rfnisse oder daß der Reisende den Erfahrungen, die die Konfrontation mit dem Fremden bietet, nicht gewachsen ist.
Hier stellt sich auch die Frage, was eigentlich fremd ist und nach den Bedingungen einer Erfahrung dieses. Eine einfache Abweichung vom Bekannten reicht sicherlich nicht aus, um etwas als kulturell fremd darzustellen. Der Proze , in dem sich die Wahrnehmungsformen herausbildetenn, ist eingebettet in weitr umige Entwicklungen. In dessen Verlauf wandelte sich die Gestalt des Fremden und der Wirklichkeitsauffassung von einem geteilten Weltbild nach dem Mittelalter in eine einheitliche Wirklichkeit. Wie auch immer das Verhältnis zwischen Eigenem und Fremden gefa t wurde, das entscheidende bleibt, daß das Andere stets genau abgrenzbar erschien, egal ob es ge chtet, respektiert oder idealisiert wurde. Eine grundsätzliche Neubestimmung brachte erst die fr he Neuzeit. Dieser Prozeß hat Konsequenzen f r die Formen, in denen der Reisebericht das Fremde beschreibt. Seine Wahrnehmungs- und Darstellungsformen sind durch den sozialen Status des Reisenden und durch seine Einbindung in die Mentalit t gesellschaftlicher Gruppen bestimmt und hängen wesentlich vom technischen und organisatorischen Stand der Verkehrsmittel ab.
ALTNORDISCHE REISELITERATUR
Die früh- und hochmittelalterliche Gesellschaft Skandinaviens ist durch starken Expansionsdrang und Reisefreudigkeit gekennzeichnet. So gehörten zur aristokratischen Ausbildung auch eine Reise nach England oder Frankreich. Die Frage nach der Zuverlässigkeit der Quellen kann man nicht generell beantworten, da einerseits zwischen Ereignis und literarischer Darstellung oft mehrere hundert Jahre liegen, andererseits manche Teile historisch nachweisbar sind.
Der lteste Bericht ist von Ottar über seine Heimat, den er, da er nicht schreiben konnte, am wests chsischen Hof von König Alfred vortrug. Von Fahrten in der Osten gibt es nur wenige m rchenhafte Berichte, mehr Material dagegen von den Fahrten in den Westen, das überwiegend von den Isl ndern stammt. So entstand unter anderem das "Buch von der Landnahme , in dem genau verzeichnet ist, wer nach Island kam, und die "Eiriks Saga , die die Fahrt nach Amerika und die Begegnung mit den Eingeborenen beschreibt. Von den Reisen in den Süden gibt es nur die Geschichte von den Orkadenjarlen , die von Jarl R gnwalds Pal stinafahrt erzählt. Zur gleichen Zeit entstand auch der einzige erhaltene Reiseführer f r die Wege nach Rom.
DEUTSCHSPRACHIGE REISEBERICHTE IM SPATMITTELALTER
Im Mittelalter gibt es nur einen Reisegrund: die Pilgerreise. Die wichtigsten Reiseziele sind Jerusalem, Rom und Santiago. Im Wesentlichen gibt es 3 Berichtarten: Die Pilgerführer, meist lateinisch geschrieben, haben im 1 . Jh. einen gro en Erfolg. In ihnen sind nur die wichtigsten Orte verzeichnet, aber nie eigene Erfahrungen des Autors. Au erdem sind sie alle sehr hnlich, da die Autoren von einer einzigen Vorlagen abschrieben. Die . Gruppe sind die Itinerare, in denen eine selbst erlebte Reise in Ichform erzählt wird. Sie sind meist kurz und stilistisch schlecht. Im Gegensatz dazu steht der literarische Reisebericht, der Aufgrund seines Umfanges vor allem zur Belehrung und Unterhaltung eines Publikums zu Hause dient. Deshalb setzt er auch keine pers nliche Reiseerfahrung des Autors voraus, wie das Werk Voyages" von Jean de Bourone beweist. Obwohl er Europa nie verlassen hat, beschreibt er die gesamte damals bekannte Welt. Der fr heste deutschsprachige Reisebericht ist die Übersetzung des "Itinerarium" von Wilhelm von Boldensele. Ebenfalls erw hnenswert ist der M nch Felix Fabri, der seine Jerusalemreisen in 4 verschiedenen Werken verarbeitet hat: Im literarischem Evagatorium" für seine Klosterbr der weist er auf die Gefahren hin, um sie von einer Pilgerfahrt abzuhalten. Als Ersatz daf r ist dieses sehr umfangreiche Buch gedacht. Einen hnlichen Zweck die f r Nonnen geschriebene Sionpilgerin . Im Gegensatz dazu steht die eigentliche Beschreibung der hin und wider farth zu dem heiligen Lande , die sein adeliges Publikum zu einer Reise ermuntert, ebenso wie sein 4 0 geschriebenes, sehr spannendes Gedicht.
Zur gleichen Zeit entstehen auch wenige Berichte, die keine Pilgerreise beschreiben, z.B. Marco Polos Schilderung der
Asienreise, in der neben realen Erlebnissen auch fabelhafte Geschichten enthalten sind.
HODOEPORICA
Die meisten lateinischen Reiseberichte, die in Renaissance und Barock entstehen, sind, da überwiegend von Studenten verfaßt, in Gedichtform geschrieben und meist adeligen Gönner gewidmet. Durch Gedichte über akademische Reisen kann der Autor außerdem Ehrungen bekommen.
Als Hodoeporica werden Gedichte und Prosabeschreibungen bezeichnet, denen eine echte Reise zugrundeliegt. Die gew hlte Art l t auch Schl sse auf die Art der Darstellung zu: W hrend die im epischen Hexameter verfa ten Stücke eher eine objektive Information anstreben, sind elegische Gedichte eher subjektiv. Interessant f r die Natureinstellung der Neulateiner ist das Erleben der Alpen, das sich bei Georg Sabinus ( 5 8 - 1 6 ) zeigt: Er schildert die Bedrohung des Reisenden ohne irgendeiner Romantik. Reiseziele dieser Zeit waren Italien und die T rkei. Dabei wurden die Türken sehr
grausam geschildert, wie das Reisegedicht von Paulus Rubigallus zeigt. Am Anfang des 1 . Jh. wird die Neulateinische
Reisedichtung durch die Volkssprachliche Reiseliteratur abgelöst.
Zur gleichen Zeit entstehen auch Reiseanleitungen, z.B. von Theodor Zwinger 1 33 - 5 8). F r diese Kunstlehre des Reisens setzte sich der Name Ars Apodemica durch. Sie enthalten unter anderem eine Definition des Reisens, Argumente f r und dagegen, ärztliche, religiöse und praktische Ratschläge, Beschreibungen der wichtigsten Nationen und Instruktionen, wie man auf Reisen Beobachtungen macht und auswertet.
Die ebenfalls im 6. Jh. stattfindenden Entdeckungsfahrten der Spanier und Portugiesen finden in Deutschland vor allem wegen der Reformation nur geringe Beachtung. Es gibt nur wenige Berichte ber die neue Welt, erwähnenswert ist nur die Wahrhaftige Historia" von Hans Staden ( 5 5 - 1 7 ). Er kann die Kultur der dortigen Einwohner sehr genau beschreiben, da er selbst ein Gefangener von ihnen war.
DIE KAVALIERSTOUR IM UND . JH
Schon seit dem Mittelalter gibt es in Deutschland viele Wanderstudenten, was sich auch durch Universit tsgr ndungen nicht ndert. Während am Anfang nur die B rger studieren, kommen im . Jh. auch die Adeligen dazu. Jedes Land hat eigene Vorteile zu bieten: Frankreich besitzt eine gute Infrastruktur, in der die Studenten gute Manieren lernen k nnen, in Italien gibt es eine Einf hrung in die Antike und in der Niederländischen Republik kann man eine neue Staatsform kennenlernen.
Von den Adeligen Studenten gibt es nur äu erst wenige Berichte, da sie nur Briefe an die Eltern schicken. Einen ausführlichen Reisebericht schreibt dagegen der Paedagogus, der den Studenten begleitet. Ganz persönlich gehalten ist der Reisebericht von Konrad von Uffenbach ( 6 3 - 1 3 ). der auch die Infrastruktur der Universitätsstädte betrachtet. Um
0 entsteht das Itinerarium, das als Vorbereitung f r eine Grand Tour gedacht ist. Das erste deutsche Itinerarium stammt von Paul Hentzer ( 5 8 - 1 2 ). Eine Erg nzung dieser Berichte sind Stammbücher, in die sich Bekannte eintragen.
REISEN AN DIE GRENZEN DER ALTEN WELT
Im gesamten gibt es 5 Reisearten nach Asien: diplomatische Reisen, Handelsreisen, Christliche Missionsreisen, wissenschaftliche Forschungsreisen und die Individualreise einzelner Personen.
Einer der literarisch besten Reiseberichte ist die Allerneueste und wahrhaftige Ost Indianische Reise-Beschreibung" von Christoph Barchewitz. Er will seine Leser nicht nur belehren, sondern auch unterhalten und webt deshalb Reisebeschreibung, Bemerkungen zum Holländischen Kolonialsystem, Sittendarstellungen der Einheimischen und Naturbeschreibungen zusammen.
Lange vor Barchewitz hat Adam Olearius die Persische Gesellschaft beschrieben. Trotz der deutschen Sprache richtet er sich an ein gelehrtes Publikum. Das wichtigste Bauprinzip seines Berichtes ist die Trennung von Reisebeschreibung und Landeskunde. Die Reise wird zum Anlaß für eine Darstellung der fremden Zivilisation genommen. Seine Darstellung von Persien und Rußland behielt bis zum Erscheinen des Persienwerkes von Sir John Jardins Gültigkeit.
Ebenfalls ein Reisebericht über Persien stammt von Engelbert Kaempfer, der aber durch seine Japanreise ber hmt wird. Im Gegensatz zu Persien lebt er dort aber unter strikter Aufsicht und ist so auf inl ndische Informanten angewiesen. Deshalb durchschaut er das japanische Polit- und Gesellschaftssystem nicht ganz. Doch alles, was er sieht, z.B. die Reise zum Königshof, beschreibt er sehr genau.
Carsten Niebuhr beginnt seine Asienreise mit dem Zweck, mehr über das noch nicht detailliert erforschte gl ckliche Arabien" zu erfahren und in Begleitung von 4 anderen Wissenschaftern, die aber bald sterben. So zieht er alleine über Südpersien und Bagdad nach Konstantinopel. Da er es im Gegensatz zu Kaempfer mit vielen verschiedenen Kulturen und Landschaften zu tun hatte, folgt seine Reisebeschreibung von Arabien" chronologisch dem Reiseverlauf.
REISEFACETTEN DER AUFKLARUNGSZEIT
Im 8. Jh. macht sich vor allem der bildungsbeflissene Bürger auf die Reise. Alles, was ihm auffälliges begegnet, notiert er und ver ffentlicht es nach der R ckkehr. Viele reisen auch mit exakten Vorstellungen. So entstehen die geologische, biologische und literarische Reise. In der Aufkl rungszeit entstehen etwa 0 0 Reisebeschreibungen in verschiedensten Formen, z B. Tagebuch, Brief, Stationenchronik.
Die absolutistischen Verwaltungen sehen das Reisen fremder Untertanen unter 2 Gesichtspunkten: Einerseits kann der Reisende Wehrverhältnisse und konomische Verhältnisse (Einwohnerzahl, Sterblichkeit, Schulwesen), die sonst geheim sind, in Erfahrung bringen, andererseits sind die als Geldbringer willkommen. Die eigenen Untertanen sollen erst reisen, wenn sie Zeit und Geld sinnvoll nutzen k nnen und keine schlechten Manieren annehmen.
Um 7 0 reisen die Deutschen vor allem ins westliche und s dliche Ausland. Aber die Reisenden haben jetzt nicht mehr im Sinn, technische und k nstlerische Wunderwerke zu besichtigen. Sie sind eher sozial orientiert, schreiben ber die Gerichtsbarkeit, Gesundheitswesen und Erziehungssystem und kritisieren auch, wenn sie etwas vernachlässigt sehen. Sie u ern sich befriedigt, wenn in Deutschland etwas besser ist als in Frankreich, erkennen aber auch bessere französische Verhältnisse, wie die Stra engüte und das Nachrichtenwesen, an.
Bei den Reisenden in Deutschland setzt sich der politische oder sozialkritische Reisebericht durch. Als Ersten kann man die "Reise durch Oberdeutschland" von Ludwig Werkhlin ansehen, der Entr stung hervorruft, da er Mi st nde bei der Verwaltung, beim Zoll und Steuerwesen und die kulturelle Misere in Schwaben ffentlich macht.
Die umfangreichste und ber hmteste Beschreibung einer Aufklärungsreise ist die "Beschreibung einer Reise durch Deutschland und die Schweiz" von Friedrich Nicolai 3 - 8 1 . Sein Bericht zielt auf Gemeinn tzigkeit will durch Wahrheit nutzen stiften und ein wohlgeregeltes und industrielles Gemeinleben fördern. Darum lobt er den Fleiß der b uerlichen und städtischen Bevölkerung, vergleicht die T chtigkeit der Katholiken und Protestanten, registriert den
Zustand der Stra en und stellt die Preise verschiedener Dinge in umfangreichen Tabellen dar. Nicolai erklärte die Freimütigkeit zur wichtigsten Tugend der Reiseliteraten. Der Reisende soll weder vor Regierungen zurückschrecken noch den Zorn der Obrigkeiten scheuen. Ebenso dazu gehört eine F rsprache für unterdr ckte Bevölkerungsgruppen.
ITALIENREISEN IM . JH
Als um 7 0 auch das gehobene Bürgertum auf Kavalierstour geht, erfolgt eine Wandlung zur ck zum Herk mmlichen Prinzip der Studienreise: Die zu Hause den Büchern entnommenen Kenntnisse sollen mit eigenen Augen selbst berprüft werden. Die Interessen der Reisenden sind weitgehend gleich, auch die Reiseroute ist bereits vereinheitlicht. Die Reise von Johann Caspar Goethe darf als repräsentativ für die Laienkultur der b rgerlichen Aufkl rung angesehen werden. Entscheidend ist die moralische Deutung der Sehensw rdigkeiten: Der Karneval wird zur Warnung vor dem Gl cksspiel verwendet, auch die Aktmodelle in den venezianischen Malerakademien emp ren ihn. Dabei wird ein allgemeingültiger Ma stab angelegt, der auf Besonderheiten keine Rücksicht nimmt. Johann Caspar Goethe hat Italien als Beobachter durchreist, der zwar alles registriert, sich auf Andersartigkeiten aber nicht einläßt.
Im Gegensatz dazu steht Johann Wolfgang Goethes Italienreise von 1 86 bis 8, bei der das ethnisch-politische bereits durch das ästhetische abgelöst worden war. Die norminierte kritische Reise differenziert sich zu individuellen Formen, die Kavalierstour wird endgültig abgelöst. Im deutschen Bereich initiiert dies Johann Joachim Winckelmann ( 717 - 7 8), der Italien von der Heimat der römischen Kultur zu der der griechischen Kultur umdeutet und Sizilien in das italienische Reiseprogramm integriert.
Aber erst Wilhelm Heine 6 - ) erkennt den sinnlichen Reiz der mediteranen Landschaft und stellt die Sozialkritik in den Hintergrund. Deutlich wird die Distanzierung von der ethnischen Wahrnehmung in seinem Roman Ardingrello oder die Gl ckseligen Inseln , der ein sinnliches Bild Italiens entwirft.
DAS SCHAUSPIEL DER REVOLUTION
Seit 1 89 gibt es in Paris etwas besonderes zu betrachten: die Revolution, hinter der alle anderen Interessen, wie Natur, Kunst und Landschaft zur cktreten. Galt bis dahin London als Hauptstadt der Welt, so wird sie nun von Paris abgelöst.
Die meisten Paris-Reiseberichte werden in Zeitschriften veröffentlicht, z.B. Georg Friedrich Recharts "Vertraute Briefe ber Frankreich" in seiner Zeitschrift "Frankreich. Aus den Briefen deutscher Männer in Paris". Oft verwendet sind die Metapher des Schauspiels, bei dem die Reisenden als Zuschauer dargestellt werden, und des Vergleiches des Staates mit einem Schiff.
Georg Forster ( 7 4 - 1 9 ) wendet sich in seinen Pariser Umrissen" gegen jene Zuschauer, die das auf hoher See fahrende Staatsschiff in einen bestimmten Hafen bringen möchten. Die Revolution sollte sich frei entwickeln, bis ihre ganze Kraft aufgebraucht ist.
REISEBERICHTE IM VORMARZ
Zwischen 8 5 und 8 8 wird das Reisen von der industriellen Revolution erfa t. Nicht nur die Verkehrsmittel, auch die Reiseziele, wie Paris und London, werden von der Modernisierung ergriffen. Neben den neuen Wahrnehmungsformen, die inhaltlich Zukünftiges beschreiben, existieren auch weiterhin andere Formen, wie die von Alexander von Humboldt vertretene Wissenschaftliche Reisebeschreibung. Eine eigene Kategorie ist der Kriegsbericht, z.B. "Aus den Wanderbuche eines verabschiedeten Lanzknechtes" von Friedrich von Schwarzenberg. Die Reiseberichte lassen sich in
2 Gruppen einteilen, wobei Mischformen h ufig sind: den Reisebericht von Heine und den von Hahn Hahn.
Am Anfang von Harry Heines (1 97 - 85 ) Briefen aus Berlin , die er f r den Rheinisch-Westf llischen Anzeiger schreibt, steht der Gedanke an zwei verschiedene Lesert pen: Einerseits den Journalleser, der nicht noch einmal das lesen will, was in der Zeitung steht, andererseits den Zensor, den er vom Lesen abhalten will, z B. mit 8 Namen in einem Absatz. Der Reisebericht von Heine ist subjektzentriert, d.h. er hat einen Icherzähler, der den Leser mit Du anspricht. Die Abh ngigkeit vom Leser wird von Heine vorgezeigt und mit Zeitmangel begr ndet, der auch der Grund für die Ablehnung der Systematie und f r die Hinwendung zur Assoziation der Ideen ist, d h. er beh lt sich vor, Dinge später oder gar nicht zu beschreiben. Bereits der durch Berlin eilende Heine hat Probleme, wie man die Wahrnehmungen literarisch vermitteln sollte.
Im Gegensatz zu den Liberalen reist Ida Hahn Hahn ( 8 5 - 8 0) nicht, um möglichst schnell anzukommen, wird von Paris nicht überzeugt und ben tzt nicht die Journale. Sie lehnt die Briefform ab, weil sie langweilig und hinderlich ist. Zwar beginnen und enden ihre "Erinnerungen aus und an Frankreich" mit einem Brief dazwischen liegen jedoch über 0
Druckseiten.
DIE AMERIKAAUSWANDERUNG IM . JH
Als im 1 . Jh. die Auswanderungszahlen steigen, w chst das Bed rfnis nach Informationen über Reise- und Ansiedelungsm glichkeiten. Während bei der ersten gro en Auswanderungswelle 8 6 - 1 17 neben Briefen vor allem Reiseberichte ohne genaue Informationen diese Rolle bernehmen, nehmen sich 8 0 die Ratgeber , eine Mischform von Reisebeschreibung und Reiseführer, dieses Problems an. Die Reiseberichte dieser Zeit sind fast immer aus der Sicht eines Erkunders und Erporbers geschrieben, der die Ansiedelungsmöglichkeiten pr ft.
Ein Beispiel daf r ist Gottfried Dudens ( 7 5 - 8 6) 1 29 veröffentlichter Bericht über eine Reise nach den westlichen Staaten Nordamerikas . In ihm beschreibt Duden alles, was ein vorsichtiger Auswanderer wissen muß: Die Schiffsreise ber den Atlantik, die Weiterfahrt ins Landesinnere und die besten Siedlungsm glichkeiten. Um das herauszufinden, macht er eine Versuchsreise in das Gebiet des Missouri und schreibt dar ber 6 Briefe an einen fingierten Adressaten, die er mit einer Abhandlung über die politischen Zustände veröffentlicht.
Carl de Haas beginnt seine 0 Jahre sp ter ver ffentlichten Winke für Auswandere" erst in Amerika, die Anreise wird als lästiges bel gesehen und übergangen. Er reist von Ort zu Ort, ohne dem Leser seine Eindr cke mitzuteilen und beschränkt sich auf die Darstellung verschiedener Verkehrsmittel, Entfernungs- und Preistabellen und geographischen Informationen.
DEUTSCHE ENGLANDREISEBERICHTE IM . JH
Im Laufe des 8. Jh. wird England in die Kavalierstour integriert und geh rt fortan zu den Bestandteilen jeder b rgerlichen Bildungsreise. Als die j hrlichen Sommerreisen aufkommen, wird England wegen seiner leichten Erreichbarkeit von Deutschland aus zu einem beliebten Reiseziel. Ein weiterer Grund ist die Sch nheit Schottlands und des walisischen Berglandes, die erst um 1 00 im Zuge der malerischen Landschaftsreisen entdeckt wird. Im 1 . Jh. kommt noch die Entwicklung der Verkehrsmittel hinzu, durch die alle Orte rasch erreicht werden k nnen. Gleichzeitig treten auch Reaktionen gegen das Durchfliegen der Landschaft auf. Während die Englandreisen der Aufkl rung eigentlich Londonreisen waren, rückt nun jeder Punkt im Landesinneren und auf den Inseln in Reichweite. Dennoch dominiert London auch weiterhin jedes Englanderlebnis.
Johanna Schoppenhauer (1 66 - 1 3 ) vertritt in ihren Erinnerungen an eine Reise in den Jahren 8 3, 8 und
5" einen vernünftigen Genuß des Lebens mit Maß. Ihre propagierten Werte des bürgerlichen Lebens sind Reinlichkeit Ordnung und Ruhe. Da sie ihr Reisebuch erst 10 Jahre nach der Reise schreibt, fehlt politisches und wirtschaftliches fast vollständig. Sie beschreibt nur gleichbleibende Sitten und Lebensweisen, wie den Ablauf eines englischen Sonntags.
Georg Weerth 1 22 - 1 5 ) beginnt seine Skizzen aus dem sozialen und politischen Leben der Briten" als einen subjektiven Reisebericht, gegen Ende fügt er aber immer mehr vorgefundene Texte ein, wie politische Verhandlungen, soziale und wirtschaftliche Daten. Er erkennt, daß die industriellen Verhältnisse Englands bald auf Deutschland übergreifen werden. So sind seine herausgearbeiteten Kontraste etwas wehm tig, da sie nicht mehr lange gelten werden.
REISEBERICHTE IM FRÜHEN . JH
Am Beginn des 2 . Jh. wird das Soziale der Berichte durch das Belehrende ersetzt. Führende Verlage unterst tzen die Reisenden, da die Reisekosten auch f r erfolgreiche Autoren unerschwinglich sind. Bevorzugt werden weit entfernte Ziele, auch in Europa zieht man die fr her unbeachteten L nder Spanien und Ru land vor. Doch diese Entdeckerfreude kommt genau zu dem Zeitpunkt, als es nichts mehr zu entdecken gibt. Selbst China ist im Zuge der Europäisierung schon in Interessensgebiete aufgeteilt worden. Die Faszination durch das Fremde, die Hinneigung zu diesem und der Versuch seiner Aneignung wird mit dem Begriff Exotismus" bezeichnet.
Bernhard Kellermann 79 - 8 1) will bei seiner Japanreise 1 10 das Land auf sich wirken lassen und entlegene Landesteile bereisen. In seinem Buch Ein Spaziergang in Japan" beschreibt er ein rein ästhetisches Bild ohne einer Begegnung mit der fremden Kultur. Auch das Soziale und Politische bleibt ausgeklammert. Sein Werk besteht nur aus hintereinandergereiten Impressionen, alles, was seinem Japanbild nicht entspricht, ignoriert er. Schon sein Reiseziel stimmt mit der impressionistischen Vorliebe für Japan überein. Von diesem Typ sind auch Alfred Kerrs "Die Welt im Licht" und Otto Julius Bierbaums Eine empfindsame Reise im Automobil , die Beschreibung einer Autoreise durch Italien.
Obwohl Arthur Holitscher (1 69 - 19 1) um 10 Jahre lter ist als Kellermann, fehlt ihm bei seinem Bericht Das unruhige Asien" die Haltung des impressionistischen Weltenbummlers g nzlich. Ihn bewegt nicht die Reiselust, sondern die Sehnsucht nach der Zugeh rigkeit zu einer Gemeinschaft. Diese Verknüpfung des Reisens mit Heilserwartungen wird immer wieder durch die Realit t enttäuscht. In Katastrophenvisionen prophezeit er den Untergang der westlichen Welt und den Aufstieg des Kommunismus, obwohl er nie ein Verfechter von diesem war. Sein hohes Verm gen, die Realität zu erfassen, erweist sich im Bereich unmittelbarer Realit tserfahrung als seine Stärke, z B. die Beschreibung der Tropen in Ceylon. Weitere Beispiele von diesem kommunistischen Exotismus sind Alfons Paquets "In Palästina" und "Im kommunistischen Rußland" und Armin Wegners "Im Haus der Gl ckseligkeit
REISELITERATUR DER WEIMARER REPUBLIK
Alfred Kerr ( 8 7 - 1 4 ) durchreist Amerika nicht als Kritiker, sondern als M igg nger, der das Land zweckfrei genie t. In seiner dritten Reise durch das Yankee - Land" beschreibt er nur die Großstädte ohne dem Reiseweg. Der Höhepunkt der Reise ist San Franzisko, das moderne Erfahrung und Schönheit vereint. Der Freudenblick seiner Reiseerfahrung taucht selbst soziale Probleme in die Harmonie eines kapitalistischen Optimismus.
Im Gegensatz dazu ist Egon Erwin Kisch ( 8 5 - 9 8) ein kritischer Reporter, der in seinem Paradies Amerika" die soziale Realität darstellt. Seine Recherchen decken Mißstände auf, die er mit Statistiken und Interviews dokumentiert. Auch ihn fasziniert die Moderne der Amerikanischen Städte, die Wolkenkratzer und exotischen Schaufenster der Juwelengesch fte und Schuhläden. Doch da er gerade der Moderne auf der Spur ist, sucht er hinter den Fassaden nach einem sozial entlarvenden Bild der Wirklichkeit.
Das ideologische Traumziel aller linkskritsichen Weimarer Reisenden ist Moskau. Ernst Taller, der bei seinen "Amerikanischen Reisebildern" die Impressionen der Recherche unterordnete, beobachtet nun das reizvolle Treiben auf Moskaus Straßen. Auch weiterhin sieht er alles positiv: zufriedene Arbeiter, Milderung des Strafvollzugs und Technisierung der Produktion. Auf die selbe Weise sehen auch Alfons Goldschmidt und Welfen Benjamin die Reise nach Moskau.
DER REISEBERICHT IM MASSENTOURISMUS
Heute hat der Reisebericht seine einstige Bedeutung fast vollständig verloren und wird kaum noch geschrieben. Lediglich die Schilderungen der Abenteurer, wie Extrembergsteiger und Weltumselgler, finden noch Beachtung. Das liegt daran, daß heute eine Reise nur noch als erfolgreich gilt, wenn sie von der Gemeinschaft des Reisenden anerkannt wird. Der Reisende
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