Die Gespenster
Bauer zeigt den unaufhebbaren Widerspruch des modernen Theaters: als
Bühnenwirklichkeit geschlossene Welt zu fingieren in einer Welt, die kein
dynamisches, gleichwohl ideologisch geschlossenes System mehr ist - das in
einer 'Handlung' repräsentiert sein kann - , sondern die zu ihrem
eigenem Antagonsimus erklärt ist. Das Stück zeigt Menschen, die sich zu einer
Gruppe zusammengeschlossen haben. In einem Kodex des Spielens sucht sie Ersatz
wie in einer Opposition, die Wertvorstellungen der Gesellschaft negiert.
Diese Spielleidenschaftl bringt sie erst recht wieder dorthin, wovon sie
eigentlich nichts wissen wollten: Indem ihr Spiel in Terror umschlägt, sind sie
schon wieder Mitglieder der Gesellschaft, die ja auch Terror ausübt. Nicht
umsonst spielen sie 'Gesellschaft'. Nachdem sie sich auch äußerlich
in solchige Mitglieder gewandelt haben (Anzug etc.), müssen sie nach der
Einlieferung des Mädchens frustriert feststellen, daß das Spiel falsch gelaufen
ist.
Weil Bauers Personen kein gesellschaftlich bestimmtes und genormtes Verhalten
zur Verfügung haben, um ihre Beziehungen zu regeln, geben sie sich nackt. (Edi,
Tussis)
Bauer zitiert das Theater auf dem Theater nicht nur, um die augenblickliche
Situation zu schildern, er stellt damit die Vorstellung von der 'Welt als
Bühne' und der 'Bühne als Welt' in Frage. Er will weiters
'vor allem den Leerlauf zeigen, der in einem Dichter mit der Zeit vor sich
geht'.
Edi, als Genie bezeichnet tritt als Warner auf. Er warnt das Mädchen Magda, das
Rollentausch-Spiel (Change) mitzumachen, das die Gruppe (Magic Afternoon) - der
Soziologiedozent Robert, der Schriftsteller Fred, Freds ehemalige Ehefrau,
Roberts Frau und Lore, Freds und Roberts Freundin - mit ihr spielen will, um
sie in den Wahnsinn zu treiben. Sie hört nicht auf ihn, wird kaputt gemacht,
endet im Irrenhaus. Es sind tatsächlich Gespenster, die Bauer vorführt (obwohl
das Stück so heißt, weil Fred eine neue Version der Gespenster Ibsens schreiben
wollte, es dann sein ließ): Es sind die Gespenster Fred und Robert, allerdings
bei lebendigem Leib. Bauer, von den einen als Moralist gelobt, von den anderen
als avantgardistischer Boulevardour gezeigt, ist in diesem Stück beides:
Moralist, weil zum ersten Mal ein unschuldiges Opfer gehetzt wird,
Boulevardour, weil er noch nie zuvor seine dramaturgische Lockerheit so
souverän eingesetzt , Dehnung und Temposteigerung, realistisches Vorführen und
Theatralisieren ,Dialog und Aktion noch nie so auf eine Schlußwirkung hin
kalkuliert hat.