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Textinterpretation zu H. Annacker: Stein und Steinmetz
Das Gedicht "Stein und Steinmetz" von Heinrich Annacker ist eine Hymne auf den Führer des deutschen Volkes, Adolf Hitler, wie sie wohl anlässlich eines Führergeburtstages geschrieben worden ist. Es handelt von der Beziehung des Führers zum deutschen Volk, das noch erst nach den Vorstellungen des Führers geformt werden soll, wie bereits die Überschrift ankündigt.
Der Text besteht aus sechs Strophen zu je zwei Zeilen, die sich jeweils paarweise reimen. Das
Metrum ist alternierend, an manchen Stellen wird es allerdings durchbrochen und klingt ein
wenig holprig, z. B. in Zeile 7: wir leiden gern hinopfernd Tag und Nacht. In den einzelnen
Strophen singt der Autor in unterschiedlichen Bildern das hohe Lied auf die Person Adolf
Hitlers.
Bereits in der ersten Strophe spricht der Autor durch Inversion und Alliteration den Führer eindringlich an: Wir werdend Volk, wir sind Du unser Führer sollst Der Stein, die Metapher auflösend bedeutet es,das deutsche Volk hat seine Form, die Metapher steht für die Staatsverfassung noch nicht gefunden und der Steinmetz, Hitler, soll diesen formen und ihm die aus der Perspektive des Steinmetzen notwendige oder wünschenswerte Form.
Auffällig ist in der 3. Zeile die Verwendung des Oxymorons schöpf'rische Gewalt. Mit dem Begriff ,Gewalt' ist im Regelfall etwas Negatives, Zerstörerisches verbunden, Hier wird dieser Begriff in einen neuen Zusammenhang, in einen positiven, gestellt. Auch die Wortwahl in der 4. Zeile ist ungewöhnlich. L)er Autor spricht davon, dass der Steinmetz den Stein von seiner Ungestalt erlösen soll. Man kann von ungewöhnlich insofern sprechen als zum einen ein Stein im Normalfall so ist, wie er ist. Ein ungestalteter Stein bedarf der späteren Interpretation. Ungewöhnlich ist zum anderen in diesem Zusammenhang auch das Wort erlöst. Es stammt aus dem religiösen Bereich und klingt in Verbindung mit Stein noch ungewöhnlicher. Durch das Enjambement in dieser Strophe wird die Eindringlichkeit zusätzlich unterstützt.
Auch die dritte Strophe appelliert eindringlich an den Steinmetz/Führer, das Werk anzugehen und die Skulptur fertig zu stellen. Der Appell wird durch die Inversion schlag immer zu besonders betont. Das Volk hält dabei duldend still; es hat nichts dagegen, dass es geschlagen wird, da es ja, wie es im Text heißt, durch die strenge Hand geformt wird..
Die Duldung des Geschehens wird auch in der nächsten Strophe betont. Wir leiden gern hinopfernd Tag und Nacht steht dort. Selbst wenn das Volk unter den gewaltigen Schlägen des Steinmetzes/Führers leiden sollte, so akzeptiert es dieses Vorgehen, wenn nur dein Hammerschlag uns klarer macht. I)as Volk ist also nicht nur duldend, hinopfernd und roh, sondern auch unwissend. Durch die Arbeit des Steinmetzen. sprich die Politik des Führers, wird das Volk bald klarer sehen.
Die 5. und die 6. Strophe enthalten eine deutliche Steigerung gegenüber den vorherigen Aussagen. in ihr vergleicht Annacker Hitler mit Michelangelo. Wie Michelangelo das Bild des Herrn schuf, so wird auch Hitler aus dem deutschen Volk das schaffen, was heut noch blaß und fern ist. Was damit gemeint ist, sagt die letzte Strophe: Aus rohem Element wird des neuen Deutschland ewig Monument von Hitler geschaffen werden. Wichtig ist hier das Verb ,schaffen'. Der Begriff kommt u.a. in der Schöpfungsgeschichte (Gott schuf..) vor. Wenn in diesem Zusammenhang dieses Verb benutzt wird, greift der Autor wieder auf die Religion
zurück und erhebt Hitler fast in eine gottähnliche Stellung; zumindest aber kann man sagen, dass die Person Hitlers weit über die Stellung der übrigen Menschen hinausragt. Denn Michelangelo war anerkanntermaßen ein Genie, dessen Können und Leistungen von niemandem in Zweifel gezogen wird. Durch den Vergleich mit ihm wird Hitler zumindest mit ihm auf eine Stufe gestellt.
Das Gedicht beschreibt auf sehr bilderreiche Art und Weise (s. die im Text verwendeten
Metaphern: Stein = Volk / Steinmetz = Hitler / roher Stein = zu formendes Volk / strenge
Hand = rücksichtslose Machtanwendung / Hammerschlag = Anwendung von
Gewaltmaßnahmen, um ein als notwendig erachtetes Ziel zu erreichen) die Beziehung des
Führers zum deutschen Volk.
Dabei wird die Rolle des Volkes als absolut passiv beschrieben. Es duldet, hält still, es wird von seiner Ungestalt erlöst, wird aus einem rohen Stein zu einem ewigen Monument geformt. Doch es ist nicht nur passiv, sondern es unterwirft sich auch freiwillig der Politik Hitlers. Dies zeigen die Sätze Wir halten duldend still und den Stein erlöst von seiner Ungestalt. Es lässt sich sogar quälen, es lässt Strenge über sich ergehen, um das neue Deutschland Wirklichkeit werden zu lassen. Auf die politische Ebene übertragen, bedeutet das, dass das Volk auf jede Einflussnahme auf die Politik verzichtet und die Führungsrolle an eine einzige Person abtritt. Denn das Volk muss erst noch geformt werden und es ist ja unwissend - wenn nur dein Hammerschlag uns klarer macht.
Die Rolle des Führers dagegen ist die des schöpferisch Tätigen, die eines Künstlers. Er formt, er schafft, er erlöst, er schafft das neue Deutschland. Dieses neue Deutschland soll erst noch geschaffen werden. Das deutet darauf hin, dass der Text in der ersten Zeit nach der Machtübernahme der Nazis in Deutschland entstanden ist.
Wenn aus dem rohen Stein durch die Arbeit des Steinmetzen Deutschland zum ewigen Monument wird, so ist es notwendig, dass der Stein behauen und bearbeitet wird. Auf die damalige Gesellschaft übertragen, heißt das, dass die, die mit Politik der Nazis nicht einverstanden sind oder sich ihr gar widersetzen, von der strengen Hand unter den Hammerschlägen der politischen Machtsicherung im Innern Deutschlands (s. Notverordnung zum Schutz von Volk und Staat) "weggehämmert" werden. Ihre Rechte werden missachtet, sie werden verfolgt, unter Umständen, wie die Kommunisten und Juden liquidiert. Und: Sie haben es nicht anders verdient, wenn sie dem neuen Deutschland im Wege stehen. Schließlich will der Steinmetz den Stein von seiner Ungestalt erlösen, das Volk hält duldend still und der Hammerschlag macht klarer. Insofern trägt dieser Text auch dazu bei, Skrupel, die vielleicht manche Bürger bei der Realisation der nationalsozialistischen Politik hatten, zu beseitigen. Wer Deutschlands Platz an der Sonne, eines Deutschlands, das nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg durch die Friedensverträge von Versailles und St. Germain gedemütigt war, im Wege steht, der kann nicht damit rechnen, von den neuen Machthabern als Andersdenkende akzeptiert zu werden. lm Deutschland der Nationalsozialisten ist nur noch Platz ihr Menschen, die das neue System billigen oder, besser noch, unterstützen.
Insofern ist dieser Text auch ein Zeitdokument, das das Denken vieler Menschen im Deutschland während der Nazizeit wiedergibt, zumindest derer, die die neue Zeit willkommen heißen und sich politische, vielleicht auch persönliche Vorteile davon versprechen.
(1062 Wörter)
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