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Die heutige Vorstellung von der mittelalterlichen Burg ist weithin verzerrt, weil das Erhaltene in der Regel erst aus dem späten Mittelalter stammt und zudem häufig im 19 Jh., nicht immer stilvoll, umgebaut wurde, während von den Ritterburgen der Blütezeit (12./13. Jh.) nicht mehr viel übrig ist. Die Burg hatte zu dieser Zeit bereits eine lange Entwicklung hinter sich. Befestigte Anlagen gab es schon in der Steinzeit.
Der frühmittelalterliche Burgenbau entwickelte sich vor allem im Zusammenhang mit der Landesverteidigung im 9./10. Jh. in den Grenzgebieten. Im Vordergrund stand zuerst die Schutzfunktion. Bei den frühen Burgen handelte es sich noch um kleinere, mehr oder weniger stark befestigte und eher hofartige Anlagen. Seit dem 10. Jh. setzte eine Entwicklung zur Wohnburg ein. Im 11. Jh. verließen die Hochadelsgeschlechter ihre Höfe und Herrensitze und bauten sich oft an unzugänglichen Stellen, auf Bergrücken oder hinter Wassergräben, wehrhafte Burgen, die ihnen als Wohnsitze dienten. Damit begann der Prozess der Feudalisierung, der schließlich zur Ausbildung der Landesherrschaft geführt hat.
Die Burg übernahm jetzt eine ganze Reihe verschiedener Funktionen. Die ursprüngliche Wehrfunktion blieb während des ganzen Mittelalters ausschlaggebend; Krieg im MA war stets auch ein Kampf um Burgen. Die Burg übernahm ferner wirtschaftliche Funktionen. Öfters war ein Gutsbetrieb an die Burg angeschlossen, der die Lebensmittelversorgung der Bewohner sicher stellte. Der Platz für eine neue Burg wurde gerne so gewählt, dass Handelsstraßen oder Schifffahrtswege von dort aus kontrolliert werden konnten. Bei günstiger Lage siedelten sich Handwerker und Kaufleute im Schutz des Burgbergs an. Aufgrund von alten Rechten, Abgaben und Zöllen verfügte die Burg über reiche Einkünfte aus dem Wirtschaftsverkehr. Dazu kamen die Erträge der Wälder und Felder innerhalb des Burgbanns. Im Umkreis von 10 Meilen waren die Menschen zu Dienstleistungen und Abgaben verpflichtet. Die Burg war sodann Verwaltungszentrum und vor allem politischer Mittelpunkt zur Sicherung der weltlichen Herrschaft, die bald überhaupt nur noch mit Hilfe von Burgen zu bewältigen war. Hauptpunkt war vor allem auch möglichst viele Burgen an sich zu ziehen oder sich zumindest ein Öffnungsrecht vorzubehalten.
Unter Burgwerk versteht man die Verpflichtung zur Mithilfe bei der Erbauung und Instandhaltung von Wehranlagen. Im Gegenzug zu dieser Verpflichtung bekam die Bevölkerung das Recht auf Zuflucht in der Burg. Burgbann hingegen hat mehrere Bedeutungen. Es bedeutet
das Recht, die Bevölkerung einer bestimmten Region zur Errichtung und Bewachung einer Befestigung (Burg) heranzuziehen
den zur Burg gehörenden Bezirk selbst, über den sich die Banngewalt erstreckt,
die richterliche Gewalt innerhalb der Burg
den Gerichtsbezirk der Burg oder seltener einer Stadt
Die damalige Bevölkerung muß mit diesen Bedingungen zufrieden gewesen sein, da sie dadurch das Recht auf Zuflucht hatte.
Es hatten aber nur die Landesherren und Teile des Hochadels Anspruch auf die Leistung des Burgwerkes.
Die Burg bildete einen Rechts- und Friedensbereich und war wie Haus und Hof gegen unbefugtes Eindringen geschützt. Sogar bei Verfolgung eines Verbrechers, mußte zuerst mittels einem rechtlichem Verfahren um die Auslieferung des Übeltäters gebeten werden. Innerhalb der Burg übte der Burgherr eine richterliche Gewalt aus. Delikte wie Untreue gegenüber dem Herrn, widerrechtliches Verlassen der Burg, Vernachlässigung der Verteidigungspflicht sowie Beleidigungen, Körperverletzung sogar Totschlag wurden vor das Burggericht gebracht. Die Notwendigkeit ein geltendes Recht innerhalb einer Burg zu haben und zu wahren, war besonders bei den Burgen wichtig, die sich im gemeinsamen Besitz mehrerer Adelsfamilien befanden, sog. 'Ganerbenburgen'. Die zwischen den Berichtigten ausgehandelten Verträge werden seit dem 13. Jh. als 'Burgfrieden' bezeichnet.
Unter Öffnungsrecht versteht man die Verpflichtung eines Burgherrn, dem Inhaber dieses Rechtes seine Burg 'zu öffnen' d. h. entweder ihn und sein Gefolge aufzunehmen oder eine Besatzung hineinlegen zu lassen. Derjenige der im Besitz des Öffnungsrechtes ist hat die Pflicht alle entstandenen Kosten zu tragen. Im Falle einer Zerstörung der Burg im Krieg, ist er zum Wiederaufbau verpflichtet. Das Öffnungsrecht war nicht nur für militärische Zwecke von Vorteil. Es kam auch vor, dass sich eine mächtigere Stadt um das Öffnungsrechte einer Burg bemühte um das Umfeld und die Handelswege zu sichern.
Die vielfältigen Erscheinungen des mittelalterlichen Burgenbaus werden von den Archäologen mit typologischen Ordnungsbegriffen erfasst, wobei man sie folgendermaßen unterscheiden kann.
Landwirtschaftliche Lage |
Höhenburg, Gipfelburg, Spornburg, Tiefburg, Wasserburg, Inselburg) |
Architektonischer Grundriss |
Ringburg,
Turmburg, Motte, Axialburg, |
Besitzer |
Kaiserburg, Territorialburg, Hochadelsburg, Ministerialenburg |
Die unterschiedlichen Funktionen der Burg haben sich natürlich auch in ihrem Außeren niedergeschlagen. Das Erscheinungsbild war abhängig vom Stand der Bautechnik, dem Zeitgeschmack, der Entwicklung des Kriegswesens und der Waffen und vom finanziellen Stand des Erbauers.
Die Bestimmungen zum Burgenbau waren im "Sachsenspiegel" festgelegt. Ohne die Genehmigung des Landrichters durfte man nur "so tief graben, wie ein Mann die Erde mit einem Spaten herausschaufeln kann"; und man durfte "aus Holz oder Stein nur 3 Stockwerke übereinander bauen, ein Stockwerk in die Erde und zwei nach oben, und zwar so, dass im Erdgeschoss die Tür nicht höher als kniehoch über dem Boden war." Weiters durfte man "einen Hof mit Zäunen, Palisaden oder Mauern nur so hoch befestigen, wie ein Mann, der auf einem Pferd sitzt, zu greifen vermag"; und es sollten "daran weder Zinnen noch Brustwehr". Tiefe Gräben, mehrgeschossige Türme mit versetztem Eingang und hohe Mauern mit Zinnen und Befestigungen bestimmten das Erscheinungsbild der Burg.
Von den älteren Fluchtburgen, die für eine große Zahl von Menschen bestimmt waren, unterschied sich der neue Typ der Adelsburg, der seit dem 11. Jh. in Erscheinung trat, durch die Verkleinerung des Burgareals, die Verbesserung der Verteidigungswerke, die fast ausschließliche Verwendung von Steinen als Baumaterial und in der architektonischen vor allem dadurch, dass der Turm zum zentralen Bauwerk der Burg wurde. Später sind vor allem die Befestigungswerke weiter ausgebaut worden. Die Mauern wurden höher und stärker und sie wurden mit Zinnen und Türmen ausgestattet und durch Gräben gesichert. Besonders gefährdet waren die Tore, die durch Zugbrücken und Fallgitter geschützt wurden. Manchmal legte man mehrere Tore hintereinander oder errichtete Torhallen und ganze Torburgen.
Seit dem 11. Jh. wurden die Burgen jedoch in einem langen Prozess, der sich bis zum Ende des 12. Jh. hinzog, auf die Berge verlegt (Höhenburgen) und dadurch schließlich abgesondert. Im 11. Jh. bevorzugte man die Gipfelburg, im 13. Jh. die Spornburg an einem Bergvorsprung. Die Höhenlage steigerte die Wehrfunktion, symbolisierte zugleich aber eine Distanzierung des Adels von den Beherrschten. Dass der Bau einer solchen Höhenburg einem enormen Aufwand erforderte, versteht sich von selbst. Die Bauzeit einer Burg durchschnittlicher Größe betrug vielleicht 3 - 7 Jahre.
Die Burgen konnten sehr unterschiedliche Formen annehmen, ohne dass sich darin eine bestimmte Entwicklung widerspiegelt; vielmehr gab es stets verschiedene Burgtypen nebeneinander. Zentralanlagen wie die Turmhügelburg oder die Motte, die auf einem meist künstlich aufgeschütteten Erdhügel stand, breiteten sich über ganz Mittel- und Westeuropa aus und waren besonders im 11. Jh. in Frankreich sowie in Großbritannien beliebt; quadratische oder rechteckige Turmburgen kamen vorwiegend in Frankreich und Italien vor. Die Ringburg war nach allen Seiten hin verteidigungsbereit. Am meisten verbreitet waren Axialanlagen, die rechteckig, mehreckig, oval oder keilförmig angelegt sein konnten. (siehe Beilage 1)
Als Wehrbau war sie so befestigt, dass sie von möglichst wenigen Leuten bequem verteidigt werden konnte. Sie wurde deshalb mit einem Graben und einer starken - manchmal doppelten - Ringmauer umgeben, die einen Wehrgang mit Brustwehr trug (anfangs mit Zinnen, seit dem 13. Jh. mit Schießscharten). Die Mauer war massiv, oft zwei Meter dick und mehr als zehn Meter hoch, besaß aber einen möglichst geringen Umfang, so dass sich im Innern alles dich zusammendrängte; die gefährdeten Seiten wurden durch eine noch höhere und dickere Schildmauer geschützt. Empfindlichster Punkt war das ständig bewachte Tor , das durch eine Zugbrücke oder ein Fallgitter und gewölbten Torwegen gesichert und oft mit Vor- und Seitentürmen zu regelrechten Torburgen ausgebaut wurde. Pechnasen (nach unten offene Erker am Torturm) dienten dazu, den eindringenden Feind mit heißem Wasser, Öl oder Pech zu übergießen. Zum Wehrbau gehörte auch der Bergfried, der zugleich Mittelpunkt und Hauptturm war. Seine Mauern waren oft drei bis vier Meter dick und hatten nur wenige Öffnungen. Dank seiner Höhe von 20 bis 40 Metern war der Bergfried ein besonderes Statussymbol (Deutschland). Im Gegensatz dazu galt in Frankreich und England dieser als großer Wohnturm, der Donjon (frz.) bzw. Keep (engl.).
Bergfried Im Bergfried wurden die Vorräte gelagert und die wertvolle Habe deponiert; er war, bei Gefahr, Herzstück und Leben der Burg. Der Eingang lag in der Regel in beträchtlicher Höhe und wurde mit Hilfe einer Leiter erreicht. Manchmal gab es auch eine Verbindung zwischen Palas und Bergfried, welche in der Gefahr schnell beseitigt werden konnte. In seiner Tiefe befand sich das Burgverlies, ein fürchterlicher Kerker in den Gefangene mittels eines Seils hinunter gebracht wurden. Darüber, im Untergeschoss, war der Keller untergebracht, während das Erdgeschoss eine Halle, die Dürnitz, für die Unterkunft der wachhabenden Mannschaft hergab. Das Ergeschoss war heizbar, und der Kamin ging durch alle Geschosse. Die Verbindung zwischen ihnen war die linksläufige Wendeltreppe.
Palas Der eigentliche Wohnraum der Burg ist der Palas, mit einem größeren Aufenthaltsraum, mit Kammern, mit der Kemenate. Im ersten Stock liegt der Rittersaal, das Schau- und Prunkstück der ganzen Anlage. Diese Festsäle waren meist um die 800 m² groß. Man muß sich die großen Säle ganz bunt vorstellen. Die Wände waren mit Bildern bemalt oder sie wurden bei festlichen Anlässen mit Teppichen behängt.
Die Einrichtung dieser Wohnräume war meist bescheiden. Außer ein paar Tischen, Bänken und Truhen gab es nicht viel mehr zu finden.
Weiters gab es noch eine Kapelle, denn der tägliche Besuch der Messe galt als eine der Pflichten eines christlichen Ritters. Der Burgkaplan galt außerdem als Schreiber, Sekretär, Notar und Hauslehrer.
Die hygienischen Verhältnisse auf einer Burg waren eher bescheiden. Im Winter dürfte der Besuch des Aborterkers über dem Burggraben unzumutbar gewesen sein. Gebadet wurde manchmal in einem hölzernen Zuber.
Der von Bergfried, Palas und sonstigen Wohn und Wirtschaftsbauten eingerahmte und meist recht enge Burghof konnte nur in den bedeutenden Burgen, der Fürstenhöfe etwas größere Ausmaße annehmen; hier wurde er zum Mittelpunkt des gesellschaftlichen Lebens, der Raum für Turniere, Feste und Zusammenkünfte, und wurde daher prunkvoll ausgeschmückt mit Freitreppen, Arkaden, Galerien, Söllern und Fenstern. Der Wasserversorgung diente ein Brunnen, der in den Höhenburgen bis zu 150 m tief in den Felsen gehauen werden mußte; unabhängig davon fing man das Regenwasser zusätzlich in einer Zisterne auf. Für friedliche Zeiten gab es außerhalb der Burg oft weitere Einrichtungen.
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