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Das Burgenland in der
Zwischenkriegszeit
Die Ausgangssituation
Wir schreiben das Jahr 9 . Die kaiserlich-k nigliche Monarchie Österreich- Ungarn hat soeben zusammen mit ihren Verbündeten den Ersten Weltkrieg verloren.
Von nun an wird es zwei Staaten geben: (Deutsch-)Österreich und Ungarn. Beide Staaten beanspruchen nun ein Gebiet mit rund 2 . 0 Einwohnern für sich. Es handelt sich um die vier Komitate Pre burg, Wieselburg, Ödenburg und Eisenburg. Kurz: Deutsch-Westungarn.
Als im November 18 die Republik Deutsch-Österreich ausgerufen wurde, verkündete die Nationalversammlung der jungen Republik kurz darauf Folgendes:
Die geschlossenen deutschen Siedlungsgebiete der Komitate Pre burg, Wieselburg, Ödenburg und Eisenburg gehören geographisch, wirtschaftlich und national zu Deutsch sterreich, stehen seit Jahrhunderten in innigster wirtschaftlicher und geistiger Gemeinschaft mit Deutschösterreich und sind insbesondere der Stadt Wien zur Lebensmittelversorgung unentbehrlich. Darum muß bei den Friedensverhandlungen darauf bestanden werden, daß diesen deutschen Siedlungen das Selbstbestimmungsrecht zuerkannt wird."
Diese Erklärung der Nationalversammlung nahm der Sozialdemokrat Hans
Suchard zum Anlaß, im Dezember 19 8 in Nagymarton (Mattersburg) die
"selbständige Republik Heinzenland" auszurufen. Diese Republik bestand so lange, daß sie als "Zweitagerepublik" in die Geschichte einging. Nach zwei Tagen nämlich wurden die Ungarn auf Suchard aufmerksam, nahmen ihn fest und verhängten über ihn das Todesurteil. Aus welchem Grund auch immer vollstreckten sie dieses aber nie.
Die politischen Verhältnisse in Ungarn
Im März 9 9 ergriffen in Ungarn die Kommunisten unter ihrem Führer Bela Kun die Macht. Dieser verstaatlichte die Betriebe, enteignete die Großgrundbesitzer, beschlagnahmte bäuerliche Lebensmittel, untersagte den freien Handel und schloß die Grenze nach Österreich.
Doch anstatt die G ter auf kleinere Landwirte zu verteilen, schuf Kun
staatliche Produktionsgemeinschaften und veranlaßte damit auch die letzten Bauern in Deutsch-Westungarn dazu, ihre Meinung zu ändern und für eine Angliederung ihrer vier Komitate an Österreich einzutreten.
Im August 19 9 schließlich stürzte Admiral Horthy die ungarischen
Kommunisten. Dieser begann jedoch bald damit, diejenigen Bewohner
Deutsch-Westungarns, die für eine Angliederung an Österreich Stimmung machten, in Zuchthäuser einzuliefern. Viele jener Einwohner traten daraufhin die Flucht nach Österreich an.
3. Die Standpunkte der österreichischen Parteien
Die Anhänger der Sozialdemokratische Partei freuten sich naturgemäß über die Machtübernahme der Kommunisten in Ungarn und meinten, Deutsch-Westungarn solle bei Ungarn bleiben. Nach dem Sturz der Kommunisten änderten sie aber rasch ihre Meinung und traten von nun an für eine Angliederung an Österreich ein.
Die Christlichsozialen wollten Deutsch-Westungarn erst natürlich lieber heute als morgen bei Österreich sehen. Nach der Machtübernahme Horthys vertraten sie die Meinung, die vier Komitate sollten zu einem autonomen Gebiet innerhalb Ungarns werden.
Die Großdeutsche Partei war gespalten: Einige wollten die Angliederung Deutsch-Westungarns an sterreich, um dann später an Deutschland angeschlossen zu werden. Andere wiederum fanden die Idee der Christlichsozialen besser und traten für ein autonomes Gebiet ein.
4. Der Angliederungsprozeß
. Der Friedensvertrag von Saint Germain
Bei den Verhandlungen von Saint Germain im Jahr 19 verlor Österreich einige Gebiete, unter anderem Südtirol und den deutschsprachigen Teil Böhmens und Mährens.
Allerdings wurden Österreich auch drei der vier westungarischen Komitate zugesprochen, nämlich Wieselburg, Ödenburg und Eisenburg. Folgende Gründe sprachen dafür:
Westungarn war überwiegend deutschsprachig.
Die großen westungarischen Landwirtschaftsflächen waren vor allem für die notleidende Bevölkerung Wiens lebenswichtig.
Man glaubte, mit Westungarn eine Sicherheitszone gegen die
Kommunisten im Osten Europas schaffen zu können.
Erst 19 0 nahmen die Sieger des Krieges die Verhandlungen mit Ungarn auf. Ungarn erging es noch schlechter als Österreich: Es wurde auf ein Drittel der ursprünglichen Fl che verkleinert. Doch da auch Österreich genau wie Ungarn als Kriegsverlierer dastand, sah man es in Ungarn nicht ein, warum man auch an Österreich Gebiete abtreten sollte. Zumal Österreich nach Ansicht der Ungarn schuld war am Zusammenbruch der Donaumonarchie.
. 2. Die Angliederung wird vollzogen
Die Ungarn glaubten, den Umstand, daß in Österreich so etwas wie eine Hungersnot ausgebrochen war, nützen zu können. Lebensmittellieferungen aus Ungarn sollten die Österreicher dazu bewegen, das nunmehrige
"Burgenland" wieder herzugeben. Als Österreich darauf nicht einging, hetzte die ungarische Regierung die wenigen Ungarn-Freunde im Burgenland zu
Demonstrationen auf. Die Burgenländer wurden auch mit Plakaten und Flugzetteln vor den "roten Teufeln , also den Kommunisten, in Österreich gewarnt. Doch all das n tzte nichts. Im August 1 21 marschierte die ster- reichische Gendarmerie und Zollwache im Burgenland ein, um das Land offiziell zu bernehmen. Man stieß allerdings auf den Widerstand ungarischer Freischärler.
Ihr Führer war Paul von Pronay, dem man die Hinrichtung von 500
Burgenländern, die den Ungarn feindlich gesinnt waren, zuschreibt. Im Oktober rief er in Oberwart den "unabhängigen Staat Lajta Bansag" aus, der aber international nie anerkannt wird. Pronay jedoch wird von der ungarischen Regierung nie vor ein Gericht gestellt.
Als im November 19 1 das österreichische Bundesheer im Burgenland
einmarschiert, wurde das Burgenland offiziell zu österreichischen
Bundesland.
. 3. Der Streit um Ödenburg
Nun erst gaben die Ungarn den Widerstand auf. Allerdings unter einer Bedingung: Die Einwohner von Ödenburg und der umliegenden Orte sollten in einer Volksabstimmung darüber entscheiden, ob sie nun lieber zu Österreich gehören wollten oder doch zu Ungarn. Mit italienischer Vermittlung stimmt Österreich schließlich im "Venediger Kompromiß" einer Volksabstimmung zu. In dem Glauben bei dieser Abstimmung einen haushohen Sieg davonzutragen.
In Ungarn jedoch betrieb man einen regelrechten "Wahlschwindel": Personen, die mit dem Ödenburger Gebiet überhaupt nichts zu tun hatten, waren genau so in die Wählerlisten eingetragen wie tote Personen.
Den internationalen Wahlbeobachtern konnten diese Geschehnisse eigentlich
gar nicht entgehen. Aber was waren schon neun Gemeinden irgendwo am
Südufer des Neusiedlersees im Vergleich zu dieser großen, weiten Welt? So kam es dann zu folgendem "offiziellen" Ergebnis der Abstimmung:
Ödenburg |
umliegende Orte |
Gesamt |
|
Stimmen für Ungarn |
. |
1 9 |
42 |
Stimmen für Österreich |
2 |
5 5 |
82 |
Am 1. J nner 9 2 übernahm Ungarn damit das Gebiet um denburg.
. 4. Die endgültige Grenzziehung
Die endgültige Grenzziehung erfolgte mit internationalen Vertretern. Mit einer speziellen Bescheinigung durften die Bewohner grenznaher Gebiete aber weiterhin die Grenze überqueren, z. B. um zu ihren Ackern und Weingärten zu gelangen. Diese Regelung wurde beibehalten bis 1 8, als der Eiserne Vorhang errichtet wurde.
. 5. Die Frage nach der Landeshauptstadt
Mit Ödenburg hatte das Burgenland jene Stadt verloren, die man eigentlich zur Landeshauptstadt machen wollte.
Es kam zu langwierigen Diskussionen, bei denen man sich aber auf keine
"Ersatz-Hauptstadt" einigen konnte und die deshalb immer wieder vertagt wurden. Als vorläufige Hauptstadt wählte man einen kleinen Ort namens Sauerbrunn.
Im April 1925 einigte man sich schließlich auf eine Stadt aus den drei Bewerbern Mattersburg, Pinkafeld und Eisenstadt. Aus der darauffolgenden Abstimmung ging Eisenstadt als Sieger hervor. 1 9 wurde das Landhaus in Eisenstadt fertiggestellt, sodaß man endlich von Sauerbrunn nach Eisenstadt übersiedeln konnte.
Trotzdem dauerte es noch lange, bis eine einheitliche Verwaltung aufgebaut
werden konnte.
5. Die "Schüsse von Schattendorf"
Wie in ganz Österreich gab es zur damaligen Zeit auch in Burgenland die sogenannten "Wehrverbände". Zu ihnen gehörten die Frontkämpfer, eine rechtsgerichtete Gruppe, und der Schutzbund, eine Organisation der Sozialdemokraten.
Am 30. Jänner 1 7 trafen Vertreter dieser beiden Gruppen in Schattendorf
aufeinander. Einige Schutzbündler provozierten ihre Kontrahenten, worauf diese zwei Personen, einen Mann und den Sohn eines seiner Kameraden, auf offener Straße erschossen.
Im Juli 19 7 wurden die Täter in Wien von den Geschworenen freigesprochen, worauf aufgebrachte Demonstranten den Justizpalast in Brand setzten. Die Polizei verlor die Kontrolle und schloß wahllos in die Menge.
Die Bilanz: 9 Tote und weit ber 0 0 Verletzte.
6. Die Probleme des neuen Bundeslandes
. Das Bildungsproblem
Zu der Zeit, als sich das Burgenland noch Westungarn nannte, war die
Unterrichtssprache in den Schulen natürlich Ungarisch.
Auch waren für viele Eltern ihre Kinder bei der Feldarbeit nützlicher als in der
Schule.
Diese beiden Umstände bewegten die Landesregierung dazu, einiges in die Bildung der Bevölkerung zu investieren. So stieg die Zahl der Hauptschulen beispielsweise bis 9 8 von sieben auf sechzehn. Trotzdem gelang es nur sehr langsam, den Analphabetismus zu bekämpfen.
. 2. Die wirtschaftliche Lage
Schon in seiner ungarischen Zeit war das Burgenland vernachlässigt worden, und auch bei Österreich verbesserte sich die Lage zun chst nicht wesentlich. Der strikte Sparkurs, der 1 2 von der Bundesregierung angeordnet wurde, war für die Entwicklung der Wirtschaft auch nicht unbedingt n tzlich.
Rund zwei Drittel der burgenl ndischen Bevölkerung lebten von der
Landwirtschaft. Das war sogar für die damaligen Verh ltnisse viel.
Einem 30 stel der Bevölkerung gehörte die Hälfte der Gesamtfl che des Burgenlandes. Davon wiederum entfiel ein Drittel allein auf die Familie Esterhazy.
Die von der Landesregierung ins Leben gerufene "Bodenreform" scheiterte jedoch.
Mitte der Zwanziger kam es zu einem Aufschwung in der burgenländischen Landwirtschaft. Man versorgte nun auch andere Bundesländer mit Ernteüberschüssen. 9 0 wurde diese Entwicklung allerdings von der Weltwirtschaftskrise gestoppt.
Über den Zustand der Straßen ist zu sagen, daß vor allem eine
leistungsfähige Nord-Süd-Verbindung fehlte. Eine Fahrt von G ssing nach Eisenstadt war ein nahezu unmögliches Unterfangen. Bahnverbindungen waren im Burgenland berhaupt nicht vorhanden.
Das Burgenland war ein Land ohne Städte (kein Ort hatte über 5000
Einwohner) - und damit auch ein Land (fast) ohne Industrie.
Verhältnismäßig gut ging es dem Gewerbe: Der Handel mit Nahrungsmitteln und Textilwaren blühte, und die Bauindustrie erlebte einen in diesem Ausmaß nicht vorhergesehenen Aufschwung. Einige grö ere Orte waren auf dem Weg zu wirtschaftlichen Zentren in Österreich. Doch auch dieser Aufschwung wurde von der Weltwirtschaftskrise praktisch beendet. Die Arbeitslosigkeit stieg sprunghaft an, so verloren z. B. von den 0 0 Bauarbeitern fast die Hälfte ihren Arbeitsplatz.
. 3. Die soziale Lage und die Auswanderungswelle
Durch diese Entwicklung wurden zahlreiche Menschen gezwungen, ihren Arbeitsplatz nach Wien oder in größere Städte der Steiermark und Niederösterreichs zu verlegen. Die meisten Leute siedelten sich dann auch in der Nähe ihres neuen Arbeitsplatzes an. Viele, die bei der Arbeitssuche nicht so viel Glück hatten, wanderten nach Amerika aus. Ein Drittel aller österreichischen Immigranten der damaligen Zeit kam aus dem Burgenland. Und noch heute leben z. B. in Chicago mehr Burgenl nder als in Eisenstadt.
Quellenverzeichnis
Floiger / Gober / Gruber / Huber / Naray: Geschichte des Burgenlandes.
Festgabe des Landes Burgenland anläßlich des Jubiläums 75 Jahre
Burgenland, Verlagsort: Wien.
Zimmermann, Edmund: Burgenland, Verlagsort: Bad Sauerbrunn
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