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Die Literarische Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland
Nach dem Selbstmord Hitlers am 30.4.1945 ließ sein testamentarisch eingesetzter Nachfolger Dönitz am 7. und 8. Mai 1945 die bedingungslose Kapitulation der deutschen Wehrmacht vollziehen.
Am 23. Mai 1945 übernahmen die vier Siegermächte mit der Berliner Erklärung die oberste Regierungsgewalt. Deutschland wurde in vier Besatzungszonen aufgeteilt, während Berlin von den vier Mächten gemeinsam besetzt und verwaltet wurde. Zur Wahrnehmung der Regierungsgewalt wurde der Alliierte Kontrollrat aus den Oberbefehlshabern der vier Zonen gebildet, zur Verwaltung Berlins die Alliierte Kommandantur.
Die Potsdamer Konferenz der Regierungschefs der USA, der UdSSR und Großbritanniens im Juli/August 1945 billigte die Unterstellung der Ostgebiete des Deutschen Reiches unter polnische und sowjetische Verwaltung und eine Überführung der deutschen Bevölkerungsteile aus Polen, der Tschechoslowakei und Ungarn "in ordnungsgemäßer und humaner Weise", was zu einer Flüchtlingswelle aus den ehemaligen Ost-Gebieten führte. Die Festlegung der Grenzen Deutschlands sollte jedoch ebenso wie die Fixierung seiner Rechtsstellung Sache einer späteren Friedensregelung sein.
Wegen der bestehenden und sich rasch verschärfenden Differenzen zwischen den Siegermächten erwies sich der Alliierte Kontrollrat auf die Dauer als nicht arbeitsfähig. Die von der Potsdamer Konferenz vorgesehenen deutschen Zentralverwaltungen kamen nicht zustande. Das Schwergewicht der Entwicklung verlagerte sich in die einzelnen Zonen. Während die Wiederherstellung des politischen und wirtschaftlichen Lebens in den drei westlichen Zonen nur langsam in Gang kam, betrieb die UdSSR in ihrer Zone konsequent eine Politik der politischen, sozialen und wirtschaftlichen Umgestaltung im Sinne ihrer eigenen Gesellschaftsordnung.
Durch erzwungene Vereinigung der SPD mit der KPD wurde die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) gegründet, die fortan - nach der Besatzungsmacht - die bestimmende politische Kraft war. Die Wirtschaft der sowjetischen Zone wurde zur Leistung von Reparationen nicht nur - wie im Westen - durch Demontagen, sondern auch aus der laufenden Produktion herangezogen. Dadurch waren hier die Chancen eine neue funktionierende Wirtschaft aufzubauen noch wesentlich geringer als im Westen.
Da auf den Nachkriegskonferenzen der Siegermächte eine Einigung über die Deutschland betreffenden Fragen nicht erzielt werden konnte, wurden die Wirtschaftsverwaltungen der amerikanischen und der britischen Zone 1947 zusammengelegt (Bizone). Die Londoner Sechsmächte-Konferenz 1948 empfahl die Bildung eines provisorischen Staatswesens aus den drei Westzonen als Antwort auf die zunehmende Separation der Sowjetzone durch die UdSSR. Die Spaltung Deutschlands wurde zum erstenmal deutlich in der getrennten Währungsreform 1948. Im Zusammenhang damit kam es auch zur Spaltung Berlins und zu der zehnmonatigen Blockade Westberlins durch die UdSSR 1948/49.
Die Westmächte beriefen in ihren Zonen einen Parlamentarischen Rat zur Beratung einer Verfassung nach Bonn. Dieser verabschiedete 1949 das Grundgesetz für die Bundesrepublik als freiheitlich dekokratisch-parlamentarischen Rechtsstaat mit dem Anspruch, "auch für jene Deutschen gehandelt (zu haben), denen mitzuwirken versagt war". In der sowjetischen Zone beschloß der von der SED beherrschte Deutsche Volkskongreß, ebenfalls mit gesamtdeutschen Anspruch, die Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik.
Die Teilung Deutschlands wurde besiegelt mit der Konstituierung der Bundesrepublik Deutschland am 7.9.1949 aufgrund der Wahlen zum ersten Deutschen Bundestag und der Gründung der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) am 7.10.1949, nachdem sich der vom Volkskongreß gebildete Deutsche Volksrat als Provisorische Volkskammer konstituiert hatte. Die Wiedervereinigung Deutschlands blieb zunächst erklärtes Ziel beider Staaten. Von seiten der Bundesrepublik Deutschland wurden gesamtdeutsche freie Wahlen, von seiten der DDR gesamtdeutschen Beratungen paritätisch zusammengesetzter Gremien gefordert. Eine sowjetischen Note von 1952 bot die Wiedervereinigung Deutschlands unter der Bedingung seiner Neutralisierung an.
Von westlicher Seite wurde das Angebot nicht auf seine Ernsthaftigkeit geprüft. Die Berliner Viermächtekonferenz 1954 brachte keine Resultate. Die schon früh einsetzende Einbeziehung der beiden deutschen Staaten in die Bündnissysteme der jeweiligen Schutzmächte fand ihren Abschluß 1955 mit dem Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zur NATO und dem Beitritt der DDR zum Warschauer Pakt.
Kernpunkte der Regierungspolitik unter Adenauer waren marktwirtschaftliche Orientierung und Integration in das System des Westens. Die innere Entwicklung der Bundesrepublik war gekennzeichnet durch einen fast kontinuierlichen wirtschaftlichen Aufschwung, Vollbeschäftigung, wachsende soziale Stabilisierung und Konzentration auf wenige Parteien. Gefördert durch den Marshallplan, ging der wirtschaftliche Wiederaufbau rasch voran. Millionen Vertriebene und Flüchtlinge konnten in das Wirtschaftsleben eingegliedert werden. 1957 gehörte die Bundesrepublik Deutschland zu den Gründungsmitgliedern der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft.
Die Bundesregierung hoffte weiterhin, die Wiedervereinigung langfristig durch eine mit Hilfe der westlichen Bündnispartner von der UdSSR zu erwirkende Preisgabe der DDR zu erreichen. Um die Massenflucht von DDR-Bewohnern in die Bundesrepublik Deutschland zu unterbinden, errichtete die Regierung der DDR seit l952 entlang der Zonengrenze umfangreiche Sperranlagen. Flüchtlinge hatten aber noch die Möglichkeit, über Ostberlin ungehindert nach Westberlin und von dort in die Bundesrepublik Deutschland zu gelangen. Dieser Fluchtweg wurde am 13. 8. 1961 durch den Bau der Berliner Mauer abgeschnitten. Bis zu diesem Zeitpunkt waren rund 3,5 Millionen Menschen aus der Sowjetzone bzw. DDR nach Westen geflüchtet. Der Mauerbau machte deutlich, daß auf absehbare Zeit mit einer Wiedervereinigung Deutschlands nicht zu rechnen war.
Die Bundesregierung unter Willy Brandt schloß 1970 entsprechende Verträge mit der UdSSR und Polen, wodurch gleichzeitig der Abschluß des Viermächteabkommens über Berlin (1971) ermöglicht wurde, und suchte ein "geregeltes Nebeneinander" mit der DDR herzustellen. 1973 traten die beiden deutschen Staaten gleichzeitig den Vereinten Nationen bei. Um das Verhältnis zwischen den beiden deutschen Staaten auf eine neue Grundlage zu stellen, nahm die Regierung im Rahmen ihrer neuen "Ostpolitik" 1970 erstmals Kontakte auf Regierungsebene mit der DDR auf. 1972 wurde der "Vertrag über die Grundlagen der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR" (Grundvertrag) geschlossen. Die beiden Staaten verpflichteten sich gutnachbarlichen Beziehungen zu entwickeln, auf Gewaltanwendung zu verzichten und die Unabhängigkeit und Selbständigkeit in inneren und äußeren Angelegenheiten gegenseitig zu respektieren. Jeder der beiden Staaten sichtete am Regierungssitz des anderen eine Ständige Vertretung ein. Die Bundesrepublik Deutschland lehnte es jedoch ab, die DDR völkerrechtlich als Ausland anzuerkennen.
Der Grundvertrag und andere Abkommen zwischen den beiden deutschen Staaten brachten beträchtliche Erleichterungen, insbesondere im Transitverkehr zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Westberlin und in bezug auf Reisen von Bundesbürgern in die DDR. Die grundlegenden Gegensätze blieben jedoch bestehen. Um neu erwachten Hoffnungen auf Wiedervereinigung bei der eigenen Bevölkerung zu begegnen, betrieb die DDR eine Politik strikter "Abgrenzung" und entfernte 1974 aus ihrer Verfassung alle Hinweise auf den Fortbestand der deutschen Nation. Den Besucherverkehr aus der Bundesrepublik suchte die Regierung der DDR einzuschränken, indem sie 1980 den Betrag, der bei der Einreise obligatorisch in DDR-Währung einzutauschen ist, drastisch erhöhte. Konsequent bestritt sie das Bestehen besonderer Beziehungen zwischen den beiden deutschen Staaten; sie forderte wiederholt die Herstellung normaler diplomatischer Beziehungen und die Umwandlung der beiderseitigen Ständigen Vertretungen in Botschaften.
Die innere Entwicklung der Bundesrepublik war bis in den Anfang der sechziger Jahren gekennzeichnet durch einen fast kontinuierlichen Aufschwung und Vollbeschäftigung. Nach einer kurzen Rezession und Ludwig Gerhard bildete sich erstmals eine große Koalition aus CDU/CSU und SPD unter Bundeskanzler Kiesinger. Zu dieser Zeit breiteten sich die Studentenunruhen der 60er Jahre an den Hochschule der USA nach Europa aus. Neben den ursprünglichen Motiven (Emanzipation, Dritte Welt, Rassendiskriminierung, Rüstung) wendeten sich die Proteste in der Bundesrepublik nun gegen die politischen Verhältnisse und verwiesen auf die politische Verantwortung des Einzelnen .
Die Auswirkungen der 1973 einsetzenden Weltwirtschaftskrise machten sich immer stärker auch in der Bundesrepublik bemerkbar. Seit 1974 stieg die Zahl der Arbeitslosen stark an. Sie überschritt 1982 die Zweimillionengrenze. Die Finanzierung der öffentlichen Haushalte, besonders der gesetzlichen Sozialversicherung, stieß auf zunehmende Schwierigkeiten. Reformvorhaben mußten zurückgestellt oder beschnitten werden. Vor allem in der Jungen Generation verbreitete sich eine ablehnende Einstellung gegenüber dem Staat und den "etablierten" Parteien ("Staatsverdrossenheit"). Bewegungen für radikalen Umweltschutz und "alternative" Lebensformen fanden viele Anhänger. Angesichts der wirtschaftlichen und finanziellen Schwierigkeiten kam es zu wachsenden Differenzen in der Regierungskoalition und schließlich zu ihrem Auseinanderbrechen.
Neuer Bundeskanzler wurde der CDU-Vorsitzende Helmut Kohl. Erstmals im Bundestag vertreten war die neue Partei der "Grünen", die das industrielle Wachstum ablehnte, neutralistischen Tendenzen vertrat und dem parlamentarischen System mit gewissen Vorbehalten gegenüberstand. Sie erschien vorerst nicht koalitionsfähig. 1985 wurde jedoch in Hessen eine Landesregierung aus SPD und Grünen gebildet. Damit vollzog sich eine Umschichtung im Parteiengefüge, die sich schon seit Ende der 1970er Jahre mit Erfolgen der Grünen und Mißerfolgen der FDP in Landeswahlen angebahnt hatte. Das seit über 20 Jahren in der Bundesrepublik Deutschland funktionierende Dreiparteiensystem bestand nicht mehr.
1989 brach die DDR-Regierung völlig unerwartet zusammen. Nach Massenflucht über Botschaften anliegender Ostblockstaaten und regelmäßiger Demonstrationen von Hunderttausenden mußte die Regierung die Grenzen öffnen und später dem Willen des Volkes kapitulieren. Deutschland war wieder vereint.
In der Lyrik bewährte sich lebendige Sprachkraft noch oft in mehr oder minder überkommenen Formen, so bei W. Bergengruen, Erich Kästner, M. Kessel, W. Lehmann, W. von Niebelschütz, E. Roth, G. von der Vring.
Andererseits mehrten sich die Experimente, sprachlichen Neuland zu erobern und die bisherige Gattungspoetik aufzulösen. So wird denn in den Reduktionen, Konstellationen, Textschliffen oder in der Letterngrafik "konkreter Lyrik" (Eugen Gomringer, E. Jandl, Friederike Mayrökker [* 1924], die "Wiener Gruppe" (Artmann, Bayer, Rühm, Wiener), Bense (Computer-Poesie)) eine "reine Schönheit" des Sprachmaterials im abstrahierten Wortstilleben angesteuert, bei der alles Metaphysische und Sinndeutende, ja die Mitteilungsfunktion überhaupt belanglos und zum Ballast wird.
Textbeispiel: Konkrete Lyrik
Jandl: klare gerührt (Auszug aus dem 17seitigen Zyklus)[1]
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ührt k
kla k rührt l
kl t kl erührt a
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hrt klar egerührt e
ührt klar egerührt e
k rührt kla gerührt e t
kl erührt kl erührt g r
kla gerührt k rührt e h
klar ührt r ü
hrt ü
Doch neben solchen antimetaphysischen Tendenzen kamen zahlreiche Lyriker zu Wort, die eigene politische Aussagen mit moderner Darstellung vereinten; sie zählten sich zur Politischen Lyrik und waren zumeist von der Chiffrensprache vom Dadaismus oder Surrealismus beeinflußt. Hierher gehören : Bachmann ("Die gestundete Zeit"), Erich Fried, Paul Celan ("Sprachgitter"), Hans Magnus Enzensberger ("Landessprache"), W. Höllerer, H. Piontek, P. Rühmkorf.
Von ähnlicher Vielfalt ist die Bühnenliteratur. Spitzenerfolge hatten die Schweizer Friedrich Dürrenmatt ("Besuch der alten Dame", "Die Physiker") und Max Frisch ("Andorra", "Biografie") mit ihren oft Absurdes und Groteskes einbauenden Tragikomödien und Parabelstücken. Starkes Interesse fanden auch die zeitgeschichtlichen Dokumentarstücke wie sie Hans Magnus Enzensberger ("Verhör in Havanna"), Heinar Kipphardt ("In der Sache J. R. Oppenheimer"), Peter Weiss ( "Die Verfolgung und Ermordung Jean Paul Marats dargestellt durch die Schauspielergruppe des Hospizes zu Charenton unter der Leitung des Herrn Sade", kurz Marat/Sade) geboten haben.
Hier wie bei den westdeutschen Erzählern insgesamt nehmen Vergangenheitsbewältigung, Suche nach neuer Menschlichkeit und bewußt schockierende zeitkritische Bestandsaufnahme thematisch den breitesten Raum ein. Zahlreiche Erzähler erwarben sich dabei einen guten Ruf: Ilse Aichinger, Alfred Andersch ("Sansibar"), E. Augustin, Hans Bender, Heinrich Böll ("Gruppenbild mit Dame"), H. von Cramer, H. Eisenreich ("Böse schöne Welt"), Max Frisch ("Homo Faber"), Günter Grass ("Die Blechtrommel", "Hundejahre" ; "Der Butt"), Johnson ("Mutmaßungen über Jakob", "Jahrestage"), W. Koeppen ("Tauben im Gras"), Siegfried Lenz ("Deutschstunde"), H. E. Nossack ("Spirale"), Martin Walser ("Halbzeit").
Unter den mannigfachen Theaterexperimenten ("Anti-Theater", engagiertes "Straßentheater") erregten das meiste Aufsehen die Sprechstücke ("Publikumsbeschimpfung", "Kaspar") und Pantomimen von Peter Handtke. Viel gespielt wurden zudem : L. Ahlsen, W. Altendorf H. Asmodi; und Becher, M. Braun, R. Hey, W. Hildesheimer, Siegfried Lenz("Zeit der Schuldlosen"), E. Sylvanus, Dieter Waldmann (1926-197 1 ), K. Wittlinger; die meisten von ihnen schrieben auch Hör-(oder Fernseh-)spiele; besonders ausgezeichnet haben sich in dieser neuen Darbietungsform : Ilse Aichinger, I. Bachmann ("Der gute Gott von Manhattan"), Heinrich Böll, Günter Eich ("Träume", "Die Mädchen aus Viterbo"), F. Hiesel, P. Hirche, F. von Hoerschelmann, Otto Heinrich Kühner, B. Meyer-Wehlack, Dieter Wellershoff, Wolfgang Weyrauch, E. Wikkert.
Das Jahr 1945 bildet auch für die Literatur einen tiefen Einschnitt; Man verlangte einen "Kahlschlag im literarischen Dickicht" (Wolfgang Weyrauch). 1945 galt es als das Jahr Null. Nach so viel Propaganda und geistigem Zwang war man voller Hoffnung auf eine vom Vorhergehenden ganz unabhängige Dichtung.
In der Trümmerliteratur der zweiten Hälfte der vierziger Jahre wurde versucht das Erlebte Ansatzweise zu verarbeiten. Beispiel für die folgende Nachkriegs- und Heimkehrerliteratur sind Plieviers sachgetreue "Stalingrad"-Reportage, E. Wiecherts "Jerominkinder" und das Drama von Wolfgang Borchert, "Draußen vor der Tür".
Textbeispiel: Trümmerliteratur
Wolfgang Borchers, "Draußen vor der Tür"[2]
Das ist unser Manifest - Schluß
Unser Manifest ist die Liebe. Wir wollen die Steine in den
Städten lieben, unsere Steine, die die Sonne noch wärmt,
wieder wärmt nach der Schlacht -
Und wir wollen den großen Uuh-Wind wieder lieben,
unseren Wind, der immer noch singt in den Wäldern.
Und der auch die gestürzten Balken besingt -
Und die gelbwarmen Fenster mit den Rilkegedichten dahinter -
Und die rattigen Keller mit den lilagehungerten Kindern darin -
Und die Hütten aus Pappe und Holz, in denen die Menschen
noch essen, unsere Menschen, und noch schlafen.
Und manchmal noch singen
Und manchmal und manchmal noch lachen -
Denn das ist Deutschland. Und das wollen wir lieben, wir,
mit verrostetem Helm und verlorenem Herzen hier auf der Welt.
Doch, doch: Wir wollen in dieser wahn-witzigen Welt
noch lieben, immer wieder lieben !
Ein von Jean Paul Sartre und Franz Kafka ausgeprägtcr "Existentialismus" entstand: Der Mensch ist "ins Nichts geworfen". Er kommt in diese Welt nicht aus eigenem Willen, ist also nicht für sein Sein verantwortlich. Er findet eine Welt vor, die zwar Naturgesetze, aber nicht menschliche Gesetze von allgemeiner Verbindlichkeit hat. Er ist daher frei in seinen Entschlüssen wie auch in der Wahl, der Regeln die er sich selbst setzt.
Rasch verbreiteten sich die bislang kaum zugänglichen Werke der Emigranten und des Auslands (E. Hemingway, W. Faulkner, T. Wilder T S. Eliot: J. Giraudoux, J. Anouilh), daneben fand man Stücke von Berthold Brecht("Herr Puntila und sein Knecht Matti"), Max Frisch ("Nun singen sie wieder") und Günther Weisenborn. Manche nahezu Vergessene wie Ernst Barlach, R. Borchardt.
In der Lyrik traten besonders Zeitgedichte hervor (J. R. Becher, W. Bergengruen, R. Hagelstange, S. Hermlin, H. E. Holthusen, M. L. Kaschnitz, N. Sachs R. Schneider), auch Werke aus dem Nachlaß Verlolgter (A. Haushofers "Moabiter Sonette", G. Kolmar).
Textbeispiel: Lyrik Trümmerliteratur
Peter Huchel[3]
Erwürgte Abendröte
stürzender Zeit!
Chauseen, Chauseen.
Kreuzwege der Flucht.
Wagenspuren über den Acker,
der mit den Augen
erschlagener Pferde
den brennenden Himmel sah.
Seit Anfang der 1950er Jahre gewannen
einige Schriftstellervereinigungen Einfluß auf das literarische Leben: Auf den
Tagungen der "Gruppe 47" (1947-1977) stellten meist jüngere Autoren ihre Werke
vor und wurden kritisch gewürdigt; nicht selten wurde hier ihr Weg in die
Öffentlichkeit geebnet; zu nennen sind und anderem Ilse Aichinger, Alfred
Andersch, Günter Eich, Heinrich Böll, P. 0. Chotjewitz, H. Fichte, F. Mayröcker
und W. Wondratschek. In dem offeneren literarischen Klima konnten sich auch
Einzelgänger wie Arno Schmidt ("Zettels Traum") und H. C. Artmann durchsetzen
und Erfolge erringen.
Die Fünfziger Jahre waren geprägt durch die Zeit- und Gesellschaftskritik
im Rahmen des Wirtschaftswunders dieser Jahre. Es wird unterstellt, daß hinter
der Frömmigkeit der Gesellschaft nur noch Gewinnstreben und skrupelloses
Geschäftemachen steht. Die Literatur politisiert sich zunehmend. (Heinrich
Böll, "Nicht nur zur Weihnachtszeit", "Ansichten eines Clowns"; Max Frisch,
"Biedermann und die Brandstifter")
Textbeispiel: Gesellschaftskritik
Max Frisch; "Biedermann und die Brandstifter"[4]
Auszug
BIEDERMANN: Ich glaube nicht an Klassenunterschiede !
das müssen Sie doch gespürt haben, Eisenring, ich bin
nicht altmodisch. Im Gegenteil. Ich bedaure es aufrichtig,
daß man gerade in den unteren Klassen immer noch
von Klassenunterschied schwatzt. Sind wir denn
heutzutage nicht alle, ob arm oder reich, Geschöpfe
eines gleichen Schöpfers? Auch der Mittelstand. Sind
wir, Sie und ich, nicht Menschen aus Fleisch und Blut?
Ich weiß nicht, mein Herr, ob Sie auch Zigarren rauchen?
Ich rede nicht für Gleichmacherei, versteht sich, es wird
immer Tüchtige und Untüchtige geben, Gott sei Dank,
aber warum reichen wir uns nicht einfach die Hand?
Ein bißchen guten Willen, Herrgottnochmal, ein bißchen
Idealismus, ein bißchen - und wir alle hätten unsere Ruhe
und unseren Frieden, die Armen und die Reichen. Meinen
Sie nicht auch?
Die Politisierung der Deutschen Literatur erreichte 1968 seinen Höhepunkt. Den Hauptanstoß gab die Bildung der Großen Koalition (Regierungsbündnis SPD mit CDU/CSU) im Dezember 1966. Belehren, Augenöffnen und Predigen sollte den Lesern die Augen öffnen.
1961 bildete sich die "Gruppe 61" , ein Arbeitskreis, der sich "frei von politischen und staatlichen Richtlinien mit sozialen und menschlichen Problemen der industriellen Arbeitswelt auseinandersetzen" wollte (Mitglieder: M. von der Grün, G. Wallraff, E. Runge u. a.). Aus dieser Gruppe ging 1969 der "Werkkreis Literatur der Arbeitswelt" hervor, der "unter Benutzung aller Kommunikationsmöglichkeiten Sachverhalte der Ausbeutung ins öffentliche Bewußtsein bringen" will; er wird von Graphik-Werkstätten, Song- und Theatergruppen (Kindertheater "Grips , "Rote Grütze") unterstützt.
Aber auch fortwährende Bewältigung der Kriegs- und Nachkriegszeit fand in den 60'er Jahren statt. Neben Günther Grass "Blechtrommel" und Max Frischs "Andorra".
Den zuvor politischen Tendenzen steht in den folgenden Jahren eine Neigung zum Selbsterfahrenen gegenüber; die Auseinandersetzung mit dem Elternhaus, aber auch Rassismus aufgrund neu aufkeimender rechtsradikaler Gruppierungen und die Emanzipation der Frauen spielen dabei eine große Rolle. Ursachen für diese Wende waren unter anderem die Eskalation der Gewalt (Terrorismus). (Ingeborg Drewitz, K. Struck, Peter Härtling, Peter Handtke, E. Herhaus, H. Fichte, Rolf-Dieter Brinkmann, Nicolas Born). Besonderen Erfolg hatte W. Kempowski mit seinen chronikartigen Romanen, die die Zeit von 1939 - 1945 mit unzähligen charackteristischen Einze1heiten wiedergeben. Das eigene Elternhaus dient ihm dabei als Ausgangspunkt.
Textbeispiel: 70er Jahre: Neue Subjektivität
Rainer Brambach: Besuch bei Franz
Manchmal lösen sich Blätter aus dem Ahorngeäst; sie segeln auf den Kiesweg herab oder werden vom Wind über die Gräber getrieben. An der Buchshecke bleiben sie hängen.
Ich lese die Namen und Zahlen auf den Steinen und Kreuzen; ein langes Leben, ein kurzes Leben; eines war vor siebzehn Jahren zu Ende, ein anderes vor fünf Jahren und ein drittes in diesem Frühjahr. Genau gesagt, im April.
Ich spucke im Bogen über den Kiesweg. Für Franz. Und weil es für ihn geschieht, gelingt es mir prächtig. Dort, wo die herrlich blauen Astern in der Blechbüchse stehen, liegt Franz.
Er spuckte oft in seine mörtelgrauen Hände. Das war seine Art. Und einmal spuckte er dem zitronengesichtigen Parlier vom Gerüst herunter präzise auf den Kopf. Was für ein Krawall ! Der Parlier zappelte unten zwischen Sandhaufen und Bretterstapeln herum : "Cretino" schrie er herauf. "Kartoffelfresser !" schrie er.
"Tabaksaft, noch immer das beste Mittel gegen Läuse!" rief Franz nach unten. Ich hielt mich an einer Planke fest; die Welt verschwamm vor meinen Augen, nein, ich habe selten so gelacht.
Wenige Tage später fiel Franz vum Gerüst. Unbegreiflich. Franz fiel fünf Storkwerke tief.
"Übrigens hat der Parlier dem Franz verziehen; er kam feierlich schwarz zur Bestattung und hat als einziger geweint.
Verstehe einer diese Südländer!
HistorischeEntwicklung Literarische Entwicklung Kapitulation Deutschlands 1945 Trümmerliteratur Wiederaufbau und Demontage Existentialismus Spaltung Deutschlands Gruppe 47 Grundgesetz 1949 Wirtschaftwunder Zeit und Gesellschaftskritik Mauerbau 1962 Gruppe 61 Große Koalition/Studentenbewegung 1966 Politisierung der Literatur Grundlagenvertrag 1972 Neue Subjektivität Weltwirtschaftskrise Wiederverinigung 1989 |
Ilse Aichinger
Geb. 1. 11. 1921 in Wien. Während des Krieges dienstverpflichtet. Nach 1945 Stud. Medizin. Lektorin und Mitarbeiterin an der Ulmer "Hochschule für Gestaltung". 1953 Heirat des Srhriftstellers Günther Eich. Mitglied der "Gruppe 47" und des PEN-Clubs. Lebt als freie Schriftstellerin in Bayerisch Gmain. - Erzählungen, Hörspiele, Skizzen. Erzählweise in der Nachfolge Kafkas. Verfremdung durch Vermischung mehrerer Wirklichkeitsebenen. Darstellung der Brüchigkeit modernen Lebens.
Hans Bender
Geb. 1. 7. 1919 in Mühlhausen (Kraichgau). Stud. Literatur und Kunstgeschichte. 5 Jahre Soldat, bis 1949 russische Gefangenschaft. Redakteur, Zeitschriftenherausgeber. Lebt als freier Schriftsteller in Köln. - Lyrik, Erzählungen. Schlichte realistische Erzählweise. Themen: Krieg, Gefangenschaft, Nachkriegszeit, Schwierigkeiten des Alltagslebens.
Heinrich Böll
Geb. 21. 12. 1917 in Köln. Abitur, Buchhändlerlehre, Stud. Altphilologie. 1938-45 Arbeitsdienst, Soldat, amerikanische Gefangenschaft. Schreiner und Behördenangestellter in Köln. Seit 1947 "Heimkehrer- und 'I'rümmerliteratur", Romane, Hörspiele, Erzählungen. Starkes moralisehes Engagement, christlich-humanistisch orientiert, ironisch-satirisch. 1972 PEN-Präsident und Nobelpreisträger.
Rainer Brambach
Geb. 22. l. 1917 in Basel. Torfstecher, Gärtner, u. a. Seit 1959 freier Schriftsteller in Basel. Vor allem Lyriker; Beobachter kleiner, banaler Alltäglichkeiten, Skizzierung mit wenigen Worten.
Friedrich Dürrenmatt
Geb. 5. 1. 1921 in Konolfingen bei Bern. Stud. Theologie, Philosophie, Germanistik. Lebt als freier Srhriftsteller in Neuchatel. - Romane, Hörspiele, Kriminalgeschichten. Ironie, Parodie, Tragikomik und Groteske. Gegen selbstgefälliges und inhumanes Verhalten des Bürgertums.
Siegfried Lenz
Geb. 17. 3. 1926 in Lyrk (Ostpreußen). Erlebniswelt masurischcr Arbeiter, Handwerker, Fischer. 1945 zur Ostseemarine einberufen. Stud. Philosuphie, Anglistik, Literatur. Feuilletonredakteur und Rundfunkmitarbeiter. Lebt als freier Schriftsteller in Hamburg. Erzählungen, Dramen, Hörspiele. Themen : Einsamkeit, Schuld, Gerechtigkeit, notwendiger Protest.
Günter Wallraff
Geb. 1942 in Köln. Gymnasium, Buchhändlerlehre, Kriegsdienstverweigerer. Fließband-, Akkord-, Werft- und Hüttenarbeiter. Industriereportagen; Durchbrechung von Informationssperren der Großbetriebe durch "Amtsanmaßung", deshalb vor Gerirht gestellt. - Statt "Literatenliteratur" soll Dokumentarliteratur Probleme demokratiearmer Gesellschaftsbereiche aufgreifen, bewußtmachen, verändern helfen.
Günther Weisenborn
Geb. 10. 7. 1902 in Velbert (Rheinland). Stud. Medizin und Germanistik. Farmer in Argentinien, Reporter in New York. 1937 Rückkehr narh Berlin, Widerstand gegen den National-sozialismus, 1942-45 Zuchthaus. 1956-61 China-Reise. Gest. 26. 3. l 969 ìn Berlin. - Dramen, Erzählungen, Romane sozialkritischer und zeitgeschichtlicher Thematik (Krieg, Widerstandsbewegung, kapitalistisches Gesellschaftssystem), Zusammenarbeit mit Brecht, Nähe zum Sozialismus
Andersch: Die Kirschen der Freiheit; Sansibar oder der letzte Grund.
Bachmann: Lyrik (Anrufung des großen Bären); Der gute Menscn von Manhattan; Simultan.
Benn: Lyrik (Statische Gedichte).
Bernhard: Frost; Watten; Die Ursache; Der Keller; Die Kälte.
Biermann: Mit Marx- und Engelszungen.
Böll: Wanderer, kommst du nach Spa ; Wo warst du, Adam; Billard um halb zehn; Ansichten eines Clowns; Katharina Blum.
Celan: Lyrik ("Sprachgitter").
Dürrenmatt: Der Richter und sein Henker; Der Besuch der alten Dame; Die Physiker.
Enzensberger: landessprache [sic!].
Frische: Stillcr; Homo Faber; Andorra; Montauk.
Führmann: Das Judenauto.
von der Grün: Stcllenweise Glatteis.
Handke: Kaspar; Wunschloses Unglück.
Jandl: Laut und Luise.
Kipphardt: In Sachen J. Robert Oppenheimer.
Kroetz: Maria Magdalena.
Kunze: Zimmerlautstürkc; Die wundcrbaren Jahre.
Strauß Die Widmung; Groß und klein.
Walrlraff: Industriereportagen; Der Aufmacher.
Bertelsmann Lexikothek Verlag: Bertelsmann Lexikon - Band 3, 1987 Gütersloh
Münster-Holzlar: Illustrierte Geschichte der Deutschen Literatur, 1971 Köln
Reclam-Verlag: Arbeitstexte für den Unterricht, Deutsche Kurzgeschichten, 1973 Stuttgart
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