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Referat Die kelten

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Südwestdeutschland und das westliche Österreich sind die ältesten nachweisbaren Wohnsitze der Kelten. Das war in der Zeit der früheisen-zeitlichen Hallstattkultur (750-450 v.Chr.), zu deren Trägern neben den Kelten auch im ostalpin-kroatischen Raum wohnende Illyrer gehören. Die Schicksale der Kelten vor 750 v.Chr. liegen im Dunkel. Die Vorgeschichtler vermuten allerdings, daß sich das Keltentum in der ausgehenden Bronze­zeit durch Mischung illyrischer oder venetischer Urnenfelderleute mit Vertretern der westeuropäischen Hügelgräberkultur gebildet hat. Die Sprachwissenschaft dagegen kann lediglich aus der engen Sprachver­wandtschaft erschließen, daß die Italiker beider Gruppen (vgl. S. 103) und die Kelten dem gleichen mitteleuropäischen Urraum entstammen. Schon zu der Zeit, als das K Itentum im Begriffe war, sich zu bilden, begann es, in ausgedehnten Wanderungen weite Gebiete Europas zu erobern. So drangen seit etwa 1200 v.Chr. immer neue einander teilweise überlagernde Wellen nach Frankreich und von da nach Spanien und zu den Britischen Inseln vor. 1) Die in den ersten Jahrhunderten (vielleicht bis etwa 600 v.Chr.?) in diese drei Länder ausziehenden Scharen brachten aus der Heimat eine altertümlichere Form der keltischen Sprache mit, die die spätere Lautver­schiebung von q zu p noch nicht mitgemacht hatte. Das heutige Irisch und Schottisch hat sich aus der Sprache dieser frühen Eroberer entwickelt. Sie hatten das Reiten und die dazugehörige Hosentracht auf dem Kontinent nicht mehr kennengelernt: daher noch heute die hosenlose Männertracht in Schottland! Die seit Ende des 6. Jh.v.Chr. nachdrängenden, aus einem Gürtel zwischen Champagne und Böhmen stammenden P-Stämme, bei denen also z.B. Pferd nicht mehr equos (vgl. lateinisch equus) lautete, sondern epos, setzten sich auf dem Kontinent und in den meisten Gebieten Britanniens mit ihrer Sprache endgültig durch, so daß das heutige Keltisch in Wales und in der Bretagne, deren Bewohner im frühen Mittelalter vor den Angeln und Sachsen aus England geflohen sind, dieser Sprachschicht entstammt. Der große Stamm der Sequaner in Gallien hat sicher auch einen P-Dialekt gesprochen. Eine mögliche Erklärung für seinen Stammesnamen wäre die Übertragung dieses Namens, den vorher ein Stamm der älteren Keltenschicht getragen haben kann2), jedenfalls steht er auch im Zusammenhang mit dem Flußnamen Sequana, den die letzte und maßgebliche Einwanderungswelle in dieser Lautform vorgefun­den und beibehalten hatte. Gegen 450 v.Chr. wird die keltische Landnahme in Spanien zum Abschluß gekommen sein; die Hälfte des jetzigen deutschen Sprachgebiets war damals von keltischen Stämmen besiedelt, und Frankreich, England und Irland waren auch bereits keltisch, aber die Wanderbewegungen und das Eintreffen neuer Wellen hielten bis ins 3. Jh. v.Chr. an. Stärker keltisiert wurde in Frankreich das Gebiet zwischen der Garonne im Süden und der Seine und Marne im Norden.


1) Als Griechen um 600 v.Chr. in Südfrankreich Massilia (Marseiile) gründeten, wohnten ringsum noch die vorindogermanischen Ligurer. Dorthin waren damals also die Kelten noch nicht gelangt. Hannibal dagegen traf 218 v.Chr. dort nur noch auf Gallier.

Halbwegs vergleichbar wäre der Umstand, daß die heutigen Sachsen und die Sachsen Siebenbürgens blutsmäßig nicht auf den nordwestdeutschen Sachsenstamm zurückzuführen sind, oder daß der Name der germanischen Bayern auf den der keltischen Bojer zurückgeht.

In Aquitanien, also zwischen Garonne, Pyrenäen und Atlantik, war die Keltisierung der baskisch-iberischen Vorbevölkerung schwach. Im Norden enden die charakteristischen keltischen Ortsnamen auf -dunum, -lanum, -magus zwar erst etwa an der Linie Amiens - Luxemburg, aber Cäsar läßt das Belgerland bereits an der Seine und Marne beginnen: Gallier wurden also von den Beigern nachträglich zwischen Seine und Somme verdrängt bzw. überlagert. Vom Anfang der La-Tene-Zeit, also von 450 v.Chr. an bis ins beginnende 3. Jh.v.Chr., ergossen sich große Scharen von Kelten über Italien und Südosteuropa. Die diesmal nachweisbaren Auswanderungszen­tren lagen beiderseits von Oberrhein und oberer Donau. 387 v.Chr. hielt ein gallischer Heerführer Rom sieben Monate besetzt, und 279 drang Brennos in Griechenland bis Delphi vor.1' Oberitalien, die Gallia Cisalpina der Römer, wurde für die nächsten Jahrhunderte keltisch. Auch im Ostalpen­gebiet konnten sich Kelten halten. Auf dem Balkan wurden sie, die gegen 300 v.Chr. große Teile Ungarns, Jugoslawiens und Rumäniens besaßen, großenteils von dem dort dominierenden Illyrertum aufgesogen. In Südruß­land bildete sich damals eine keltoskythische und in Bulgarien eine keltothrakische Mischbevölkerung. Die anatolischen, aus dem Brief des Paulus bekannten Galater hatten am Ende des 4. Jh.n.Chr. noch ihre keltische Sprache bewahrt.

Bei der gewaltigen Größe des nunmehr keltischen Gebiets konnte im allgemeinen nur eine die Kultur bestimmende keltische Herrenschicht die Vorbevölkerung überlagern. Keltisch bis in die unteren Volksschichten hinein waren wohl nur Ostfrankreich, Südwestdeutschland und das west­liche Österreich. Auch innerhalb des Landes, das nach Vorstellung der Römer das keltische Kernland war, nämlich des französischen Gebiets zwischen Garonne und Seine - Marne, gab es Gegenden mit einer nach Ausweis der Ortsnamen nur ganz dünnen Keltenschicht: die Bretagne, die übrige Atlantikküste und im Zentralmassiv das Gebiet der Vellaver und der durch den gallischen Freiheitshelden Vercingetorix berühmt gewordenen Arverner.

In der Hallstattzeit (750-450 v.Chr.) waren die östlich der Kelten wohnen­den Illyrer diesen zunächst kulturell noch überlegen, aber die Kelten brachten es schnell zu einer blühenden eigenen Kultur. Schon im 6. Jh.v.Chr. gab es große Fürstensitze in Ostfrankreich, am Oberrhein und am Oberlauf der Donau wie z.B. die Heuneburg, die nach ihren Abmes­sungen und dem Format ihrer luftgetrockneten Ziegel nur von einem griechischen Baumeister errichtet sein kann. Mehrere sehr reich ausgestat­tete Fürstengräber dieser Zeit sind gefunden worden. Griechische und etruskische Keramik und Bronzeware wurde damals in nicht geringer Menge eingeführt. Unverkennbar ließ sich das einheimische Handwerk in Technik (z.B. Töpferscheibe) und Dekor davon beeinflussen. Einen weitaus nachhaltigeren Einfluß, nicht nur auf die Kunst, sondern auf die gesamte Weltanschauung, übten die in Südrußland beheimateten Reitervölker der Kimmerier und Skythen aus, die seit dem Ende des 8. Jh.v.Chr. wiederholt in den mitteleuropäischen Raum vorstießen. Ihr Eindruck auf die Kelten war mindestens ebenso tief wie der Attilas (des Königs Etzel der Sage) und der Hunnen auf die Germanen der Völkerwanderungszeit; er führte u.a. zur Entstehung einer adligen Kriegerkaste, die zu Roß oder auf dem

1) Den Namen Brennus hat Livius vom Delphi-Brennos auf den Romeroberer übertragen.


Streitwagen ins Gefecht zog und mit dem eisernen Langschwert focht. Das Pferd wurde seitdem zum Standeszeichen des Adligen; die Zucht und Dressur von Pferden und ihre Rolle in der Religion rückten von jetzt an in den Mittelpunkt keltischen Lebens.1' Die eigentliche Blütezeit des Kelten-tums und seiner Kultur war die La-Tene-Zeit. Sie dauerte von 450 v.Chr. bis etwa Christi Geburt und ist benannt nach dem Fundort La Tene am Neuenburger See in der Schweiz. Die Kelten waren politisch zwar nicht geeint, fühlten sich aber zusammengehörig wie die Griechen in den Klein­staaten der klassischen Zeit, und tatsächlich bot ihre Kultur in allen Phasen der La-Tene-Periode von der Garonne bis zum Balkan und darüber hinaus bis nach Kleinasien ein einheitliches Bild. So waren sie in kultureller Beziehung gewissermaßen die ersten Einiger Europas. Die Handelsbeziehungen innerhalb der keltischen Welt und nach außerhalb, besonders zur Mittelmeerwelt, waren rege. Es entstand ein ausgedehntes, die keltischen Stämme verbindendes, mit Wagen befahrbares Wegenetz, wohlversehen mit Brücken und Furten. Massengüter wurden auf dem Wasserwege transportiert. Adlige Zollpächter oder auch Stämme erhoben Weg- und Brückenzölle und an Stapel- und Umschlagplätzen Liegegebüh­ren. Selbstgeschlagene Münzen erleichterten seit etwa 150 v.Chr. den Handel. Bekannt sind die 'Regenbogenschüsselchen', gewölbte Gold­münzen, die besonders bei den Kelten Böhmens und Ungarns im Verkehr waren. Der zuerst auf den Adel beschränkte Wohlstand begann nach 300 v.Chr. auch die breiten Massen zu erfassen. Die Bevölkerungsdichte nahm zu. Frankreichs Einwohnerzahl wird zu Beginn von Cäsars Eroberungskrieg auf 15-25 Millionen Einwohner geschätzt. Das ist sehr viel. Jedenfalls war im 15. Jh.n.Chr. die Einwohnerzahl Frankreichs nicht größer. Seit dem 2. Jh.v.Chr. bezogen immer mehr Leute in den bei allen Keltenstämmen gebräuchlichen Fluchtburgen Dauerquartier. So entstanden stadtähnliche befestigte Siedlungen, deren Ausdehnung mittelalterliche Städte oft über­traf und deren Einwohnerzahl sie zumindest erreichte. Eine 15 v.Chr. von Tiberius eroberte Stadt der Vindeliker (bei Manching unweit Ingolstadt) bedeckte eine Fläche von über 350 Hektar innerhalb eines 7 km-Mauerrin-ges und ist damit die größte aller bisher bekannten prähistorischen Siedlungen Europas und doppelt so groß wie das mittelalterliche Köln oder Nürnberg. In abgelegenen Gebieten wohnten hauptsächlich Bauern in solchen stadtähnlichen Ansiedlungen, je dichter man aber an die zivilisier­ten Bereiche der Mittelmeerwelt herankam, auf um so mehr Werkstätten, Kaufläden, Marktplätze, Herbergen, Adelshöfe und Tempel traf man in ihren Mauern. Diese Mauern selber waren vielfach in einer charakte­ristischen Weise errichtet, die Cäsar b.g. 7,23 anläßlich der Belagerung von Avaricum (Bourges) beschreibt. Es waren breite, begehbare Mauern, die beiden Außenseiten mit fast senkrechtem, sorgfältig aufgeschichtetem Trockenmauerwerk verblendet, dazwischen eine Füllung aus Erde und Schotter, alles zusammengehalten und verklammert durch horizontale Holzrahmenkonstruktionen, deren Balkenköpfe zu beiden Seiten aus dem Mauermantel herausragten (vgl. Abb. 95). Im Gegensatz zu diesen beacht­lichen Festungsanlagen sind die anspruchslosen, aus Fachwerk oder Trockenmauern errichteten Wohnhäuser kaum einer Erwähnung wert. Auch

1) Seitdem hat sich in Europa über Jahrtausende hin fast bis zur Gegenwart die enge Beziehung zwischen Adelskaste und Pferd erhalten: Noch die deutschen Reiterregimenter nach dem 1. Weltkrieg wiesen einen besonders hohen Prozentsatz an Adligen unter ihren Offizieren auf.

Möbel fehlten fast völlig in ihnen. So saßen die Kelten nicht einmal beim Mahle, sondern hockten seltsamerweise auf dem Boden; eine Sitte, die unter den indogermanischen Völkern sonst ohne Beispiel ist.1> Aber die Mahlzeiten wiederum waren reich an verschiedensten Fleischsorten, und Bier wurde dazu in Mengen getrunken. Auch der Verbrauch an importier­tem Wein war hoch. Eigenen Weinanbau gab es jedoch noch nicht. Sonst aber leistete die Landwirtschaft in mancher Hinsicht sogar mehr als die der zivilisierten Mittelmeerwelt; die Schweinezucht in der Gallia Cisalpina, die Pferdezucht der Treverer, der gallische Räderpflug, der auch die schwersten Böden nicht nur ritzte, sondern regelrecht umbrach, waren berühmt. Die Anwendung der Sense ermöglichte bereits die Schaffung von größeren Heuvorräten und damit intensive Viehzucht. Das gesamte kel­tische Ackergerät war so perfekt, daß es bis zur Entwicklung landwirt­schaftlicher Maschinen, also fast bis heute, nahezu unverändert blieb. Am meisten aber leisteten die Kelten im Wagenbau und in der Metallgewin­nung und -Verarbeitung. Im Wagenbau waren sie so überlegen, daß im Lateinischen die meisten Wagenarten keltische Namen trugen (vgl. S. 104, Anm. 1). Der gallische Eisen-, Bronze- und Goldschmied war ein gesuchter Mann an den Höfen des In- und Auslandes. Der kunstreiche, verschlagene, 'welsche' Schmied wurde für die Germanen zum festen Begriff, wie Wieland, Mime und andere germanische Sagengestalten noch ahnen lassen. Vielfach kam er auch als ein Späher und Vorbote keltischer Invasionen. In Atz- und Emaillierungstechnik, in Metalleinlegearbeiten und besonders in der Gestaltung von phantastisch wuchernden, mit dämonisch blickenden Fratzen und unheimlichen Fabelwesen durchsetzten Ornamen­ten war er Meister. Die Prunksucht der oft mit Bronze- und Goldschmuck geradezu überladenen und in knallig bunte Gewänder gehüllten Gallier kannte allerdings auch kein Maß. Charakteristischster Keltenschmuck, gewissermaßen ihr nationales Erkennungszeichen, war der Wendelring, lateinisch torquis, ein schwerer, strickartig gedrehter, sich um den Hals legender Reif aus Bronze oder Gold. Die Eisenverhüttung und -Verarbeitung ging nicht mehr handwerklich vonstatten, sondern hatte bereits industrielle Formen angenommen. In der Vindelikerstadt bei Manching gab es 6 m breite und bis zu 80 m lange Fabrikhallen. Dementsprechend hatte sich im letzten Jahrhundert v.Chr. die Bewaffnung keltischer Heere vervollständigt. Jeder Fußkämpfer besaß ein langes, mindestens 1 m messendes Hieb­schwert, einen Speer und einen manndeckenden Ovalschild, dessen Hand­griff auf der Innenseite häufig als Geldbörse diente. Die Mehrzahl verfügte außerdem über Panzer und Helm. In Britannien gab es damals noch Streitwagenkämpfer. In den vorhergehenden Jahrhunderten traf man sie auch bei den Festlandskelten noch an; so hatten z.B. die Römer im 3. Jh.v.Chr. in den Schlachten gegen die Gallier der Poebene noch mehrfach mit ihnen zu tun.

In der Bronzezeit waren die Urgermanen mit den Vorfahren der Kelten noch nicht in Berührung gekommen, wohl aber mit den Italikern (vgl. S. 103). Das änderte sich in der Eisenzeit. Daher ist das Wort für Bronze, deutsch Erz, lateinisch aes, den Germanen und Italikern gemeinsam, aber das Wort Eisen Germanen und Kelten. Die gemeinsame Grenze lag in Sachsen und Thüringen. Der dortige Stamm der keltischen Volcae wurde für die

Auf hockende Männer trifft man auch heute noch in Wales und anderswo auf den Britischen Inseln, z.B. an Bushaltestellen.

Germanen zur Bezeichnung der Kelten überhaupt: Welsche. Germanen und Kelten haben aus dieser Zeit viele gemeinsame Wörter, die den anderen Indogermanen unbekannt sind, aber nur zwei Wörter davon tragen die Merkmale einwandfrei keltischen Ursprungs: Reich und Amt; drei keltische sind germanischen Ursprungs, die keltischen Wörter, die den germa­nischen breeches (also Hosen), Hemd und Seife entsprechen. Bei aller Kulturüberlegenheit der Kelten läßt sich also eine nachhaltige Wirkung auf die Germanen mit sprachwissenschaftlichen Mitteln nicht mehr nachwei­sen. Trotzdem hat es diese Wirkung zweifellos gegeben. Sie beschränkte sich nicht nur auf die Bewunderung der Kunstfertigkeit keltischer Hand­werker, tiefen Eindruck machte auf die armen Vettern vor allem auch das abenteuerliche und ritterliche Leben des keltischen Adels, der es sich leisten konnte, nur dem Pferd, dem Krieg und der Jagd zu leben, und der großartig und mit allem Gepränge Hof zu halten wußte. Seine Lebensweise wurde jedenfalls auch bei ihnen bald Mode (vgl. S. 197).

Die wirtschaftliche Grundlage des keltischen Adels war sein oft großer Landbesitz, auf dem eine Vielzahl höriger Bauern diente. Gesund war diese Gesellschaftsstruktur nicht. Sie hat ihre Ursache in der stürmischen Besetzung weiter Teile Europas durch zahlenmäßig unterlegene Kelten­scharen, die als eine mehr oder weniger dünne Adelsschicht die einhei­mische Bevölkerung überlagerten. Hierin lag schon ein Keim des Unter­gangs. Einen anderen barg die äußerst lockere politische Organisation der Stämme; Teile des Bojerstammes waren z.B. über die ganze damalige Keltenwelt verstreut: Gallien, Böhmen, Norikum, Kleinasien. Den Kelten am verhängnisvollsten aber war ihr eigener Charakter. Diesem Volke fehlten nach der übereinstimmenden Beobachtung verschiedener antiker Gewährs­männer alle Eigenschaften, die die Römer in so reichlichem Maße besaßen und die in der Geschichte die Voraussetzung für eine dauerhafte Existenz sind: Nüchternheit, Zähigkeit, Bedächtigkeit, Ausdauer, Besonnenheit, Sinn für Maß. Statt dessen scheinen sie träumerisch, von einer nirgends sonst bei den Indogermanen Europas anzutreffenden ausschweifenden Phantasie, leichtsinnig, labil, prahlerisch, ruhmsüchtig, dabei aber hoch­begabt und witzig gewesen zu sein.

Zu den fremdartigen uneuropäischen Zügen, die uns nun schon mehrfach begegnet sind, gehören auch einige Besonderheiten der keltischen Reli­gion. Manche ihrer Götter waren nämlich Mischwesen, halb menschen-, halb tiergestaltig, wie man sie auch im alten Agypten hatte. Ferner ist kultischer Kannibalismus bezeugt: das Trinken vom Blut des Feindes; die Schädel toter Feinde wurden auch als Trinkschalen benutzt oder an Häuser und Tempel genagelt. Beim Tod des Mannes folgte ihm seine Ehefrau.1' Ungewöhnlich ist außerdem das Vorhandensein einer mächtigen Priester­kaste, nämlich der Kaste der Druiden. Diese Priester, denen wie den Schamanen Sibiriens alle möglichen Weisheiten und Kräfte zugeschrieben

Erwiesen an Grabstätten der Marne-Kultur; vgl. Casars Mißverständnis, b.g. 6,19.

wurden, besaßen einen Einfluß, der weit über die Grenzen der einzelnen Stämme hinausging, auch auf politischem Gebiet. Wohl mit Recht haben die Römer die Druiden für gefährliche Gegner ihrer Unterwerfungspläne gehalten. Überall in Gallien traf man auf eine Unzahl von lokalen Gottheiten und Kulten, die einander recht ähnlich waren. Trotz trümmer­hafter Überlieferung sind uns 374 verschiedene Götternamen bekannt. Götterdreiheiten waren nicht selten, z.B. die Göttertrias Esus, Teutates und Taranis oder die immer zu dritt verehrten Matronengottheiten des römischen Rheinlandes. Viele der Lokalgötter setzten die Römer dem Merkur oder dem Mars gleich. - Bezeugt ist übrigens auch der Glaube an Seelenwanderung.

Heute leben auf den Britischen Inseln und in der Bretagne noch 2 Millionen Menschen mit keltischer Muttersprache. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, daß auch sie - selbst in Irland - von englisch oder französisch sprechendem Volkstum endgültig aufgesogen werden. Der Niedergang des Keltentums begann etwa 300 v.Chr. mit seiner energischen Bekämpfung in Italien durch die Römer. Als Cäsar das französische Gallien eroberte, hatten die Kelten hier ebenfalls ihre Blütezeit hinter sich. Das hatte sich an ihrer Unfähigkeit gezeigt, sich der durchziehenden, verhält­nismäßig wenigen Kimbern zu erwehren, und auch jetzt wieder, als Cäsar kam, vermochten sie nicht, mit den ihnen zahlenmäßig weit unterlegenen Germanenscharen des Ariovist fertigzuwerden. Sicher ist Cäsars Beobach­tung zutreffend, daß der Volkscharakter der Kelten sich von dem der übrigen Nordvölker, die er unter der Sammelbezeichnung Germanen zusam­menfaßte, sehr wesentlich unterschied. Die Kelten als Träger eines eigenständigen Volkstums hatten keine Zukunft mehr, während das Ger­manentum noch große Kraftreserven barg; das scheinen damals die Römer und auch die Kelten selber gespürt zu haben.

Als am Ausgang der Antike die abgelegene irische Insel von den Wirren der Völkerwanderung verschont blieb, übernahmen hier in der Zeit von 400 - 800 n.Chr. noch einmal Kelten die geistige und religiöse Führung Europas. Von hier aus sowie von dem ehemals keltischen England und von Frankreich aus, wo sich das lange unterdrückte spezifisch Keltische in Kunstwollen und Geisteshaltung damals wieder hervorwagte, und außer­dem mittelbar über das Germanentum, dessen ritterliches Adelskriegertum ja nur unter keltischer Einwirkung entstanden war, leistete das Keltentum neben Antike, Germanen- und Christentum einen ganz erheblichen - in seiner Bedeutung meist unterschätzten - Beitrag zu der in der Entstehung begriffenen abendländischen Welt. Deutlich wird das nicht nur an der Verbreitung der Artus-Sage, sondern z.B. auch an den Nachwirkungen des keltischen Ornamentstils auf die irische Buchmalerei und vor allem auf das dekorative Element im romanischen Baustil.




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