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Referat Hitlers strategische Fehler

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Hitlers strategische Fehler

Sein schwerster Fehler war, daß er sein ganzes System, seine ganze Politik allein auf der Grundlage der Angst aufbaute, die er anderen einflößte. Alexander wte, wie man sich beliebt macht. Der Alte Fritz und Napoleon hatten es verstanden, eine gewisse Menschlichkeit um sich zu verbreiten. Stalin hat eine klare Doktrin, aus der heraus er denkt und handelt.


Hitler beschr nkt sich auf einen seelenlosen, zugleich vagen und verstiegenen Mythos. Er besitzt keinerlei menschliche Wärme. Niemals ist er bei seinen Soldaten an der Front oder im Lazarett gewesen. Er hat sich nicht einmal im Hauptquartier einer Heeresgruppe sehen lassen. In dem Augenblick, in dem er aufhörte, Furcht zu erwecken, begann der Zusammenbruch. Seine zweite große Schwäche ist in seinem Charakter zu suchen. Hitler ist so empfindlich,

daß er nicht den Anblick von Blut, ja nicht einmal von Schnee ertragen kann. Im Flugzeug und im Zug l ßt er die Fenstervorh nge herabziehen, um nicht die Ruinen bombardierter St dte ansehen zu müssen. Er ist immer wurzellos geblieben, ein Hasardeur, ein Mensch ohne Familie dem es nie gelang, sich in der menschlichen Gesellschaft einzurichten. In sich und um sich hat er nichts, das ihn erhebt:

Er hat keinen Sinn für echte Kultur keinen wahren Freund, keine Frau von Niveau. Echte Zuneigung kann er nur für seinen Hund empfinden. Und obwohl er der allmächtige Herrscher eines Landes ist, in dem es die hervorragendsten Arzte gibt vertraut er seine Gesundheit Scharlatanen an. Die Ideen, die ihn bewegen, sind ebenso abwegig wie trügerisch: die wie ein Heiliger Gral getete Reinrassigkeit - ein Europa von Herrenmenschen und verachteten minderwertigen Rassen -, die berlegenheit der nordischen Rasse. Er schwärmt für Wagner, ohne ihn zu verstehen. Sobald die Wahrheit über seinen geistigen Verfall über den engsten Kreis seiner Umgebung hinausdringt, muß sie mehr und mehr die gewaltige deutsche Kriegsmaschine und vor allem das gre, disziplinierte deutsche Volkhmen.

Es gelang ihm, die Ketten des Versailler Vertrags zu zerbrechen; die allgemeine Wehrpflicht wiedereinzuführen, ohne Sanktionen gegen Deutschland heraufzubeschwören; das Rheinland, Wien und Prag ohne Schwertstreich zu besetzen. Unbestreitbar besaß er zwei große F higkeiten: Erstens eine feine Witterung für die verborgenen Leidenschaften, Ressentiments und Sehnsüchte der deutschen Seele, zweitens die Gabe, Menschen in seinen Bann zu schlagen.ßt sich aber auch behaupten, daß er ein Feldherr ist oder es zu irgendeiner Zeit war? Die Fragestellung birgt schon die Verneinung in sich.


Die echte Kunst des Herrschens beschnkt sich nicht auf den Machtrausch, andere zu beherrschen; sie zeigt sich auch in derhigkeit, sich selbst zu beherrschen. Die wahre Tugend eines großen Heerführers ist es, selbst sein bester Soldat zu sein. Hitler aber ist wie ein reißender Strom, so maßlos und unberechenbar, daß man ihn, so paradox es klingen mag, einen Getriebenen nennen könnte.

Mut heißt in erster Linie, dem Zufall, dem Unerwarteten, ja dem Unerklärlichen die Stirn

bieten können, heißt Menschen und Dingen sich stellen, die anders sind als man sie haben möchte. Hitler konnte das nicht. Er ist niemals jener natürlichen Demut fähig gewesen, die für Alexander und Napoleon charakteristisch war: einen Rat anzunehmen, um sich im Sturm besser behaupten zu können. Da er sich mit Speichelleckern und Abenteurern ohne sittlichen Halt umgab, war er der Schlimmsten aller Einsamkeiten ausgeliefert: der allgemeinen Verachtung für alles und jeden.

Er verfügt über ein ungewöhnlich gutes Gedächtnis. Er ist ein vollendetet Schauspieler. »Er besaß die F higkeit des Schauspielers« sagt Alan Bullock, »in seiner Rolle ganz aufzugehen und das, was er im Augenblick sagte, selber für Wahrheit zu halten.« Dabei versteht er es, die Menschen vergessen zu machen, daß alle seine Reden mit Banalitäten gespickt sind und daß selbst seine ußere Erscheinung mit Haartolle und Schnurrbart medioker und banal ist. Er hat eine gewisse Sachkenntnis, denn er hat Clausewitz, Moltke und Schlieffen gelesen. Er hat es

verstanden, einige strategische Pläne als eigenes Verdienst auszugeben: den Polenfeldzug, den

Durchbruch bei Sedan, den Balkanfeldzug, die Invasion Kretas.

Aber die Fehler seiner Strategie sind ebenso zahlreich wie schwerwiegend gewesen.

1940 hätte er nach dem Durchbruch bei Sedan, statt seine Panzer auf Paris zu werfen, die englische Armee vor Dünkirchen vernichten müssen. Sie entkam und bildete den ersten festen Kern eines neuen Widerstands.

Im September desselben Jahres h tte er Admiral Raeders Plan annehmen sollen. Dieser Plan sah vor, eine Heeresgruppe unter dem Befehl von Rundstedts in Spanien einmarschieren, Gibraltar erobern und Nordafrika besetzen zu lassen. Gleichzeitig sollte, dem Plan zufolge, eine Heeresgruppe unter von Bock Italien durchqueren und Malta einnehmen, um dann nach Ausschaltung dieses englischen Stützpunkts nach Tripolitanien überzusetzen und Agypten zu erobern,hrend eine dritte Heeresgruppe unter List durch Jugoslawien, Bulgarien und Griechenland zum Bosporus vorstoßen sollte.

Im Oktober h tte Hitler seine Absicht, Rußland anzugreifen, Mussolini bekanntgeben müssen: Der Duce hätte sich dann nicht auf das griechische Abenteuer eingelassen, die deutsche Wehrmacht h tte im Frühjahr 1941 nicht auf dem Balkan einzugreifen brauchen, und der Rußlandfeldzug hätte zwei oder drei Monate früher beginnen können. .

Von diesem Augenblick an lassen sich die Fehler nicht mehr zählen. Heute [am 11. Februar

1945] sitzt er, von allen Seiten eingeschlossen, in seinem letzten Schlupfwinkel, inmitten eines brennenden, blutenden Landes, und ist nicht einmal imstande, den Fehden unter seinen Paladinen und Günstlingen ein Ende zu machen.

Er klammert sich an eine letzte Hoffnung: die Geheimwaffen. Deshalb verlangt er von seinen Generalen, jeden Fußbreit zu verteidigen, deshalb unterzeichnet er nie einen Rückzugsbefehl. Unter allen Umständen will er Zeit gewinnen, die Zeit, die seine Wissenschaftler brauchen, um die Waffen zu schmieden, die ihn retten sollen.

Aber diese Waffen stehen größtenteils auf dem Papier und haben nicht einmal das Versuchsstadium erreicht. Unter denen, die bereits erfolgreich erprobt wurden, befindet sich ein umwälzend neuer U-Boottyp, das Elektro-U-Boot, das eine Unterwassergeschwindigkeit von 15 km und die Fähigkeit hat, getaucht zu bleiben. Aber seine Serienproduktion ist noch nicht angelaufen, und die U-Bootwerften werden von den Alliierten st ndig bombardiert.

Ein gleiches Schicksal war den neuen Düsenflugzeugen beschieden. Die Alliierten sorgten dafür, daß sie überhaupt nicht aufsteigen konnten. Sie zerstörten nicht nur die Werke, in denen sie produziert wurden, sondern auch die Raffinerien, die den Spezialtreibstoff herstellten, und die aus der Luft leicht erkennbaren langen Pisten. Auch die Abschußrampen für V-1- und V-2-Geschosse waren nahezu alle verlorengegangen.

In London und Washington machte man sich zwar große Sorge über ein etwaiges deutsches Atombombenprojekt, da es ja der deutsche Atomphysiker Otto Hahn gewesen war, dem die Kernspaltung gelungen war. Aber Hitler war daran nicht interessiert gewesen. Hatte er die ph nomenale Gewalt der »absoluten Waffe« nicht begriffen? Wie es auch sei, gegen Ende

1944 war den Regierungen Englands und Amerikas - zu ihrer gren Erleichterung - bekanntgeworden, daß die Deutschen in diesem Krieg keine Atombombe haben würden.


Quelle: Conte, Arthur. Die Teilung der Welt. München, 1967. S. 41 ff



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