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Referat Vom feudalen Agrarstaat zur kapitalistischen Industrienation

geschichte referate

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Vom feudalen Agrarstaat zur kapitalistischen Industrienation

Im 19. Jahrhundert veränderten sich althergebrachte soziale Strukturen und

Beziehungen grundlegend. Die Menschen wurden nicht mehr in einen

gesellschaftlichen Stand hineingeboren, in dem alle Lebensformen vorgegeben

waren. Der mündige Bürger war für seine individuelle Entfaltung selbst

verantwortlich, er wählte sein Gewerbe, verfügte frei über seinen Besitz, war

nicht an einen Geburtsort oder Grundherren gebunden und gehörte nicht automatisch

zu einer Zunft oder Korporation, sondern schloß sich freiwillig einem Verein oder

Partei an, um seine Interessen durchzusetzen.

Vor allem aber gab die Stellung des Einzelnen im Produktionsprozeß und auf dem

Markt de Ausschlag über seine Klassenzugehörigkeit. Dabei spaltete sich die

Gesellschaft in zwei Hauptklassen: die  Bourgeoisie, die über Kapital und

Produktionsmittel verfügte, und das Proletariat, das nichts außer seiner

Arbeitskraft anzubieten hatte. Der Konflikt zwischen diesen Klassen spitzte sich

zu, je größer die Gegensätze zwischen ihnen wurden.

1. Bauernbefreiung und Agrarrevolution

Einen wichtigen Meilenstein in dieser Entwicklung bildete noch vor der

Industrialisierung die Veränderung der Herrschaftverhältnisse auf dem Lande. Die

bäuerliche Bevölkerung machte um 1800 etwa 75% der Gesamtbevölkerung in

Deutschland aus. Jede Mißernte und jeder Krieg bedrohte sie mit Verarmung und

Hungersnöten, ihre Mitglieder lebten in rechtlicher Abhängigkeit vom Grundherren.

Auf dem Gebiet des Deutschen Bundes wuchs die Bevölkerung zwischen 1816 und 1864

von knapp 30 Millionen auf über 45 Millionen Menschen an. Die Ernährung dieser

ständig wachsenden Zahl stellte ein ungelöstes und äußerst beunruhigendes Problem

dar. Nur eine grundlegende Verbesserung der landwirtschaftlichen Produktion

konnte hier Abhilfe schaffen. Die Bauern wurden allmählich zu gleichberechtigten

Staatsbürgern und vor allem zu Eigentümern der Anbauflächen. Dies geschah auf dem

Wege staatlicher Reformen, mit denen zum Teil auf Unruhen und Aufstände reagiert

wurde.

In Preußen wurden die Erbuntertänigkeitsverhältnisse zwischen 1807 und 1850

beseitigt. Die persönliche Unfreiheit der Bauern wurde aufgehoben, damit entfiel

auch die Gerichtsbarkeit des Grundherrn, der seine Ansprüche auf Frondienste und

Abgaben verlor.

In Süd- und Westdeutschland gelangten die freien Bauern in den vollen Besitz

ihrer Höfe und zahlten den Grundherrn Ablösegelder dafür. In Preußen hingegen

mussten die Bauern bei der Übernahme der Anbauflächen in ihren persönlichen

Besitz großen Teile des von ihnen bewirtschafteten Bodens an den Grundherrn

abtreten. Dadurch entstand eine Schicht besitzloser Landarbeiter, die bei der

Entschädigung des Grundherrn ihre Existenzgrundlage verloren - eine noch größere

soziale Ungleichheit war das Ergebnis. Auch die Aufteilung der gemeinschaftlich

genutzten Böden (Allmende) an einzelne Bauern ging zu Lasten der besitzlosen

Unterschichten. Die Großgrundbesitzer widerum hatten durch die hohen

Ablösesummen, die ihnen aus den Entschädigungen der Bauern zuflossen, genügend

Kapital, um weiteren Grund und Boden zu erwerben. In Preußen konnten sie ihren

wirtschaftlichen Vorteil durch das Dreiklassenwahlrecht und eine

Verfassungsänderung in politischen Einfluß verwandeln.

Mit der Umverteilung des Großgrundbesitzes und der Neuordnung der

gesellschaftlichen Verhältnisse ging eine Veränderung der Produktionsmethoden

einher. Der einzelne Bauer verfügte nun über seine Arbeitszeit und entschied

selbständig über die Nutzung der Anbauflächen, die Einführung neuer

landwirtschaftlicher Methoden und den Verkauf seiner Produkte. Außerdem wurde die

landwirtschaftliche Nutzfläche vergrößert und die Erträge durch den Kunstdünger

und technische Geräte gesteigert. Diese Entwicklungen trugen zu einer deutlich

besseren Ernährungsgrundlage seit der Jahrhundertmitte mit bei.


2. Industrielle Revolution

Die gesellschaftlichen Umbrüche des 19. Jahrhunderts wurden durch wirtschaftliche

Entwicklungen nachhaltig beeinflusst. Die Industrialisierung des europäischen

Kontinents hat wegen ihrer Umwälzungen den Begriff einer Revolution mindstens

ebenso verdient wie die politischen Ereignisse von 1789 oder 1848.

Am Beginn standen Erfindungen, die bereits im 18. Jahrhundert in England gemacht

wurden. Sie betrafen vor allem die Textilindustrie und die Eisenerzeugung. Der

Einsatz neuer Maschinen anstelle der handwerklichen Fertigung ermöglichte die

Produktion größerer Mengen in kürzerer Zeit. Mit der Dampfmaschine (1765) wurde

die Industrie unabhängig von natürlichen Energien. Dampfschiff und

Dampflokomotive (1825) revolutionierten den Transport.

Ihren technischen Vorsprung konnten die Engländer noch das ganze 19. Jahrhundert

als Wirtschaftsvorteil nutzen. Um 1850 trat Deutschland schließlich in die

Antreibsphase ('Take-off') der industriellen Revolution. Außer technischen

Erfindungen waren auch der Ausbau des Verkehrswesens und der Gütertransport, der

Abbau von Zollschranken für die Entstehung eines Marktes und vor allem die

Freisetzung von Arbeitskräften und Anlagekapital notwendige Voraussetzungen für

die Industrialisierung. Immer größere Fabriken wurden eröffnet, in denen

arbeitsteilige Strukturen herrschten und freie Lohnarbeiter anstelle von

Handwerksgesellen beschäftigt wurden. In der Folgezeit kam es zu zahlreichen

Bankengründungen, denn mit der Betriebsgröße stieg auch der Kapitalbedarf.

Das Bürgertum profitierte von der wirtschaftlichen Liberalisierung. Mit der

Herstellung von Gewerbe- und Niederlassungsfreiheit entstand ein neuer

Unternehmertyp, der ohne Zunftzwänge Werkstätten eröffnen und nach eigenem

Gutdünken Geld investieren konnte. Materielle Güter waren die Grundlage dieser

neuen gesellschaftlichen Klasse, die als Besitzbürgertum an wirtschaftlicher

Modernisierung und pragmatischem Handeln orientiert war.

Staatlicherseits wurde die vorteilhafte Wirtschaftsentwicklung bald gefördert.

Allerdings trat der Staat selten als Unternehmer auf, sondern versuchte private

Initiative zu wecken. Weiteren Einfluß nahm er außerdem zum einen mit der

Einrichtung von Gewerbeschulen und Technischen Hochschulen und zum anderen durch

den Ausbau des Verkehrssystems. Ab 1835 wurde das Eisenbahnnetz in kürzester Zeit

verdichtet und damit für die Wirtschaft nutzbar. Durch die Eisenbahn verkürzte

sich die Beförderungszeit der Güter drastisch, der Transport auf der Schiene war

konkurrenzlos billig und verband binnem kurzen auch die wichtigsten Städte und

Regionen Mittelauropas zu einem Absatzmarkt.

Lokomotivbau und Schienenproduktion erhöhten die Nachfrage nach

schwerindustriellen Erzeugnissen. Die Kohle-, Eisen- und Stahlindustrie nahm

einen rasanten Aufschwung, woran auch die Rüstung ihren Anteil hatte. Für den

Eisenbahnbau wurde zudem erstamals ein neues Finanzierungsinstrument in größerem

Umfang eingesetzt: die Aktiengesellschaft.

Innerhalb des Deutschen Bundes verliefen diese Entwicklungen nicht in allen

Staaten prallel. Besonders in Österreich kam die Industrialisierung nicht so

rasch in Gang und beschränkte sich auf einzelne Regionen. Dadurch blieb die

Volkswirtschaft wesentlich länger agrarisch orientiert. Preußen hingegen verfügte

seit 1815 mit dem Rheinland und Oberschlesien über bedeutende Erzvorkommen, die

die Voraussetzungen für den Aufstieg des Landes zur Industriemacht legten. Von

Westfalen, das seit dem Wiener Kongreß ebenfalls zu Preußen gehörte, gingen die

entscheidenden Schritte zur Industrie aus (Mechanisierung der Textil- und

Eisenindustrie sowie Liberalisierung des preußischen Berggesetzes 1851). An Rhein

und Ruhr, in Brandenburg, Sachsen und Oberschlesien entstanden seit der

Jahrhundertmitte Bergwerke, große Betriebe zur Eisenverhüttung sowie gewaltige

Großstahl- und Maschinenfabriken. Aus der Verwertung von Nebenprodukten, die bei

der Verkokung von Kohle anfallen, entwickelte sich ein neuer Wirtschaftszweig,

die chemische Industrie, deren Produkte (Synthetische Farben, Kunstdünger) großen

Absatz fanden. 1834 wurde außerdem der Deutsche Zollverein gegründet, ein

Wirtschaftsabkommen, das die Binnenzölle im innerdeutschen Warenverkehr aufhob

und so Deutschlands wirtschaftliche Einigung vorantrieb. Ihm traten unter

preußischer Führung nahezu alle deutschen Staaten bei. Österreich dagegen

beteiligte sich nicht und verlor deshalb weiter an Einfluß in Deutschland. Die

spätere 'kleindeutsche Lösung' wurde durch diese wirtschaftliche Entwicklung

begünstigt.

Das revolutionäre Instrument der Industrialisierung war ihre außerordentliche

Geschwindigkeit. Sie spielte sich zwischen 1834 und 1873 ab und war zur Zeit der

Reichsgründung bereits erfolgreich abgeschlossen. In der deutschen

Volkswirtschaft bestimmte nicht mehr die Landwirtschaft, sondern die Industrie

den Konjunkturverlauf. Deutschland war zur zweitgrößten Industrienation in Europa

geworden.

3.Soziale Mißstände

Der deutsche Wirtschaftsboom hielt bis 1873 an. Seit 1848 hatte sich das deutsche

Volkseinkommen verdoppelt. Aber gerade jene Gesellschaftsschicht, die durch ihre

Arbeit den Aufschwung ermöglicht hatte, verelendete zusehends. Pauperismus und

Agarreform hatten eine große Bevölkerungsgruppe entstehen lassen, die auf dem

Land keine Erwerbsmöglichkeit mehr fand und in den Städten ihr Auskommen suchte.

Dort trafen die besitzlosen Landarbeiter und verarmten Kleinbauern auf arbeitslos

gewordene Handwerksgesellen und bildeten zusammen das moderne

Industrieproletariat.

Ihre Lebensbedingungen waren entsetzlich, denn Arbeitskraft war eine billige

Ware: Es gab zuviel davon auf dem Markt. Um sich gegen die ausländische, vor

allem britische Konkurrenz behaupten und die deutschen Industrieprodukte billig

halten zu können, wurden von den Unternehmen ohnehin nur geringe Löhne gezahlt.

Die Landflucht vergrößerte das Angebot von Arbeitern, was die Löhne zusätzlich

drückte und dazu führte, daß eine Familie nur durch Kinder- und Frauenarbeit

existieren konnte. Üblich waren Arbeitszeiten von 12, teilweise über 14 Stunden

an 6 bis 7 Tagen pro Woche ohne geregelte Erholung oder Urlaub. Die

Sicherheitsvorkehrungen am Arbeitsplatz waren höchst mangelhaft, Unfälle an der

Tagesordnung. Es gab keine Vorsorge im Fall von Krankheit und Invalidität.

Altersversorgung oder Kündigungsschutz waren unbekannt. Jeder Konjunktureinbruch

hatte Massenarbeitslosigkeit zur Folge. Das Qualifikationsniveau war gering, es

gab kaum Aufsteigschancen.

Der Bedarf an Arbeitskräften schellte in Zeiten der Hochkonjuntur sowie beim

Ausbau arbeitsintensiver Wirtschaftszweige wie dem Montanbereich sprunghaft an.

Aus immer größeren Entfernungen strömten Zuwanderer in die Städte und neuen

Ballungsgebieten, wo sie ihren Arbeitsplatz wiederum häufig wechslen mussten. Die

rasch gebauten Arbeiterunterkünfte waren nur primitiv ausgestattet, ihre

Überbelegung führte zu unhygienischen und krankheitsfördernden Wohnverhältnissen.

Die Lebenserwartungen unter solchen Bedingungen waren gering, die

Kindersterblichkeit hoch.      



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