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Böhse Onkelz als Punks (1982)
Die Punkszene bestand zu dieser Zeit aus einem Haufen Jugendlicher, die von der konservativen Gesellschaft und der Politik angekotzt waren, die den Leuten zeigen wollten, daß sie anders sind, die provozieren wollten. Punk sein hieß 'anti'-sein. Man war einfach gegen alles. Edmund Hartsch: 'Absolut respektlos, hundertprozentig dagegen. Gegen wen oder was eigentlich? Das war im Moment noch egal, Hauptsache dagegen. Irgendwas war ja offensichtlich faul'. Stephan: 'Irgendwie zeigen, daß es noch was anderes gibt, daß die Leute nicht mit allem zufrieden sind.' Aber auch damals schon Anti-Nazi. Aber was das Wichtigste war: Anti-Normal, Anti-Moral, Anti-Hippie und provokant bis zum letzten. Sie wollten von den Normalbürgern gehaßt werden. Pe: 'Man konnte sich gehen lassen, konnte frech und frei sein, tun und lassen, was man wollte. Eine Rebellion gegen die Moral.' Die Böhsen Onkelz brachten in ihren Liedern das zum Ausdruck, was ihr Leben damals bestimmte: Saufen, Feiern, Schlägereien, Gewalt, Frauen, Sex etc., und sie nahmen dabei kein Blatt vor den Mund. Pe: 'Man machte Lieder über das, was man liebte und über das, was man nicht leiden konnte. Manchmal schoß man dann auch unüberlegt über das Ziel hinaus, was einem dann auch übel heimgezahlt wurde und zum Teil noch wird.'
In dieser Zeit entstanden hauptsächlich Sauf und Partylieder wie 'Mehr Pogo' oder 'Hinein ins schäumende Bier' und eine Menge Haßlieder. Die Böhsen Onkelz wollten endlich mal über das singen, was sie ankotzte, denn Lieder über Liebe und Frieden gab es ihrer Meinung nach genug. Ihre Lieder waren Wutschreie aus dem Bauch heraus ohne viel Sinn. 'Bullenschwein ich hasse dich', 'Kill the Hippies' 'Nazis ins KZ' etc. schrien sie von der Bühne. Zu dieser Zeit entstand auch das noch heute immer wieder von der Presse zitierte Lied: 'Türken raus!'.
Türken raus, Türken raus, Türken raus, Türken raus Türken raus, Türken raus, alle Türken müssen raus Türkenfotze kahlasiert, Türkenfotze naßrasiert Türkenfotze kahlrasiert, Türkenfotze Türken raus, Türken raus, raus aus unser'm Land Geht zurück nach Ankara, denn ihr macht mich krank Ein Lied mit einem ziemlich üblen Text, wie ihn so manche Fascho-Band heute singt. Aber macht dieses Lied die Böhsen Onkelz gleich zu Faschisten? Dazu muß man erstmal die genaueren Hintergründe dieses Songs betrachten. Gonzo: 'Wir haben ständig von ausländischen Jugendgangs was auf's Maul bekommen und irgendwo war halt ein Ventil zum Rauslassen. Der Song hat eigentlich keinen politischen Hintergrund. Was da reininterpretiert wurde, ist was ganz anderes, als ursprünglich gemeint war.' Und sicherlich hat die Frankfurter Punkszene, vor der sie damals in kleinen Freizeitheimen spielten, das auch nicht anders verstanden. Sie dachten dabei nicht an einen zweiten Faschismus sondern an die türkischen Popper-Gangs, mit denen sich viele der (z.T. auch nicht deutschen) Punks prügelten und ihr dadurch entstandener Haß auf die Türken. Die Onkelz spielten dieses Lied 1981 sogar einmal in einem Türkischen Familienzentrum, in dem sie auftraten, wo es (laut Edmund Hartsch) eher als Lachnummer angesehen wurde. Stephan: 'Man muß sich mal überlegen, wo wir groß geworden sind, und dass wir im Prinzip 17, 18, 19 Jahre lang nicht über den Rand unserer Hochhäuser hinausgucken konnten. Und die Leute, mit denen wir da zu tun hatten, das sind nicht die Ausländer, die du in der Türkei oder sonst irgendwo triffst.' Außerdem war das Lied eine wunderbare Provokation an all die 'Hippies' und an die Nazis, die Punks hassten. Stephan: 'Wir wollten provozieren, auch wenn's im nachhinein betrachtet dumm und plump war.' Mit Nazisymbolen wurde in der Punkbewegung und später auch in der Skinheadbewegung viel provoziert. Auch die 'Sex Pistols' trugen oft Hakenkreuze an ihren Klamotten, was bei ihnen den einzigen Grund hatte, die alten echten Nazis herauszulocken und zu provozieren.
Das Stück 'Türken raus' ist nie offiziell auf einer Platte erschienen, denn es war einer der ersten Songs der Onkelz, und zu dieser Zeit konnten sie noch überhaupt keine Instrumente spielen, hatten auch keine vernünftigen, und singen konnten sie erst recht nicht. Viele Lieder hatten nicht mehr als eine Textzeile. Damals gab es auch noch keine richtige Verteilung der Instrumente, es konnte sowieso keiner richtig spielen, und daß man Gitarren auch stimmen mußte, wußte noch keiner von ihnen. Sie spielten nach ihrem eigenen Motto: Es mußte so schlecht sein, daß es schon wieder geil war. Das war das, was die Punkmusik, auf jeden Fall damals noch, ausmachte. Leute, die gar nichts konnten stellten sich auf die Bühne und brüllten ins Mikrophon. Und die Onkelz waren verdammt schlecht, aber dabei auch vollkommen von sich selbst überzeugt: Böhse Onkelz -die Allergeilsten - die fantastischen Vier! Sie selbst waren wohl ihre größten Fans, aber auch die Frankfurter Punkszene fing an, die Onkelz zu lieben. Und sie wurden von Mal zu Mal besser. 1982 nahmen die Onkelz ihre erste eigene Single auf. Auf dem Cover war das, in altdeutscher Schrift geschriebene, Böhse-Onkelz-Logo mit dem 'Kill the Hippies'-Slogan. Auf der Platte war unter anderem der Anti-Nazi-Song: 'SS-Staat' ('SS-Staat im Staate wird's das noch mal geben, SS-Staat im Staate wir wollen's nicht erleben'). Von dieser Single gab es allerdings insgesamt nur zwei Exemplare, denn keiner von ihnen verdiente genug Geld, um die Produktion zu bezahlen. Stephan arbeitete als 16-jähriger bei seinem Vater im Puff, dann mal bei einem Reifenservice oder als Wäschefahrer fing eine Ausbildung zum Koch an, flog aber meisten schnell wieder aus seinen Jobs raus und hat nie eine richtige Ausbildung beendet. Kevin war oft arbeitslos, machte aber dann noch eine Ausbildung zum Schiffsmechaniker in Hamburg, die er aber auch nicht beenden konnte, weil er vorher rausflog, arbeitete dann mal bei der Müllabfuhr und hielt sich mit anderen Gelegenheitsjobs über Wasser. Pe machte eine Ausbildung zum Schweißer und arbeitete danach für einen Frankfurter Abflußservice. Gonzo machte eine Ausbildung zum Universalfräser und ging später zur Marine.
In den Jahren zwischen 1981 und 83 entwickelten sich die Bandmitglieder der Böhsen Onkelz nach und nach zu einigen der wenigen ersten deutschen Skinheads. Die Punkszene hatte sich verändert, sie wurde zu kommerziell, mit den vielen Punks, die neu dazu kamen, ging der Grundgedanke verloren. Die Kleidungs- und Musikindustrie versuchten aus dem Punk ihr Geschäft zu machen. Die neuen Punks kauften ihre Klamotten im Laden, kamen aus Wohlstandsfamilien und manche sogar aus der Hippieszene. Damit konnten sich viele der alten Punks nicht mehr identifizieren, auch die Onkelz und ein Großteil der alten Frankfurter Punkszene nicht. 'New Romantic, neo punk, deutsche Welle macht mich krank.' (Böhse Onkelz 1982). Außerdem waren viele der neuen Punks linkspolitisch, und sahen das als festen Bestandteil der Bewegung an. Mit Politik konnten aber viele der alten Punks gar nichts anfangen, außerdem stand 'links' für 'Hippies', 'Studenten', 'Kommunisten', 'Pädagogen' und 'Langweiler' (vgl. Klaus Farin). Viele Punks, die von Anfang an dabei waren, stiegen zu dieser Zeit aus und fanden zur unpolitischen Skinheadszene, um sich von den 'Modepunks' abzugrenzen. Es war aber anfangs noch keine klare Trennung zwischen den beiden Bewegungen, denn sie waren sich ähnlich, die meisten Skins kamen ja schließlich aus der Punkszene. Am Anfang waren Punks und Skins auch immer zusammen gewesen und trafen sich beim gemeinsamen Oi!-Kult. Oi! war Musik für die rebellierenden Kids auf der Straße, vollkommen unpolitisch. 'Skins und Punks im Zusammenhalt gegen euch und eure Staatsgewalt' heißt es in dem 'Oi! Oi! Oi!' Onkelzsong von 1982. Die Frankfurter Szene und mit ihnen die Onkelz bestand nun aus Oi!-Punks und Oi!-Skins. Politik spielte (noch) keine große Rolle beim Oi! oder in der Skinheadszene. Noch war es egal, welche politischen Einstellungen die Leute hatten, Hauptsache, man konnte zusammen feiern und Bier trinken. Stephan: 'Es hat irgend jemand damit angefangen, uns hat es interessiert, es hat Spaß gemacht, und der Punk war halt auch schon wieder in die linke Hippieszene reingedriftet, und auf Hippies hatten wir dann auch keinen Bock gehabt, und so kam das eben Punk war ganz nett und geil, solange man zur Schule ging. Aber dann kam die Lehre. Da ging das mit dem extremen Outfit nicht mehr. Um zu zeigen, daß wir dennoch anders waren, haben wir halt auf Skinhead gemacht, das harte Image noch ein bißchen mehr betont.' Pe: 'Da sich die Punkszene langsam 'links' politisierte, suchte man wieder ungebremsten Untergrund und stieß dabei auf das 'Skinheadtum'. Man konnte wieder frei atmen und schlug kräftig auf die Kacke.' Ein Skinhead (vorher Punk): 'Wir haben uns dann für die Onkelz entschieden, nicht weil sie rechts wurden, sondern weil sie unpolitisch blieben und die ganzen Punks nach links abdrifteten' (aus 'Skinheads') Pe 1988: 'Das war ein Gefühl. Damals gab's ja noch gar keine Skinheads, wir waren ja so ziemlich mit die ersten. Die erste Reihe sozusagen. Ich war völlig begeistert davon.'
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