Bergkristall:
Ausführlich widmet sich Stifter, nach einer
Reflexion über Weihnachten als einem der schönsten kirchlichen Feste, der
Beschreibung der Hochgebirgslandschaft, in der die Erzählung spielt.
Ein Teilweise vergletscherter Bergzug trennt
zwei Alpendörfer, Gschaid und Millsdorf, und obgleich ein Weg über den Bergkamm
führt, geht die Trennung doch tiefer : Sitten und Gewohnheiten sind in den
beiden Tälern sehr verschieden.
Gschaid ist die ärmere der beiden
Ortschaften, und zu seinen auffälligsten Bewohnern zählt der Schuster, der
nicht nur durch seine Wohlhabenheit aus seiner Umgebung herausragt. Er nahm
eine reiche Färberstochter aus Millsdorf zur Frau, was in seinem Heimatdorf
bislang nur sehr selten vorgekommen war. So geschah es, das die schöne
Färberstochter, da sie Schusterin in Gschaid geworden war, doch immer von allen
Gschaidern als Fremde angesehen wurde. Auch ihre Kinder Konrad und Sanna waren
in einem subtilen, kaum wahrnembaren Sinne Außenseiter in ihrem Heimatdorf.
Dieser Zustand wurde auch dadurch aufrecht erhalten, daß sie , als der Junge
älter wurde, häufig zu Fuß über den Berg nach Millsdorf zur Großmutter
wanderten - so auch an einem 24. Dezember.
Auf dem Rückweg aber werden sie von dichtem
Schneetreiben überrascht. Sie verfehlen den Weg über den Paß und geraten im
Nebel in das Gletschereis. Sie suchen in der Nacht einen Unterschlupf und
finden schließlich eine Steinhütte. Die Natur kommt den Kindern zuhilfe; sie
sehen staunend ein Nordlicht am Himmel und hören dreimal, wie der Gletscher -
scheinbar »das Starrste«, tatsächlich aber »das Regsamste und Lebendigste« -
kracht. Bei Sonnenaufgang suchen sie erneut den Weg aus dem Eis; mittlerweile
sind aus Gschaid, dann auch Millsdorf die Dorfbewohner aufgestiegen, die
schließlich die Kinder finden. Erst Dieses Erlebnis läßt recht eigentlich den
weihnachtlichen Frieden im Dorf einkehren; der Schuster erkennt seine Nachbarn
als Freunde, und die »Kinder waren von dem Tage an erst recht das Eigentum des
Dorfes geworden, sie wurden von nun an« - wie auch ihre Mutter - »als
Eingeborene betrachtet, die man sich von dem Berge herabgeholt hatte«. Die
kleine Sanna aber erzählt nach ihrem Abenteuer beim Schlafe gehen, sie habe in
der Nacht auf dem Berg »den heiligen Christ« gesehen.