Die Ermittlung
Ein Oratorium in 11 Gesängen von
Peter Weiss
Zum Autor: Der Dramatiker und Erzähler Peter Weiss
erblickte am 8.11.1916 in Nowaves bei Berlin das Licht der Welt. Er verlebte
seine Jugend in einer gutbürgerlichen Familie. Nach der Machtergreifung der
Nazis emigrierte er 1934 über England, die Tschechoslowakei, wo er 1936-38
Kunst studierte, und die Schweiz schließlich 1939 nach Schweden. Er lebte in
Stockholm und heiratete dort 1949 auch eine schwedische Bühnenbildnerin. Er war
dem Kommunismus nicht abgeneigt und unternahm auch allerlei Reisen so z.B auch
nach Nordvietnam. In seinen Stücken und Büchern nahm er häufig historische
Themen, wie auch den Auschwitzprozeß 1964, und interpretierte sie neu. Wichtige
Werken seines Lebens waren, neben "Die Ermittlung", "Nacht mit Gästen" , der
Roman "Asthethik des Widerstands" der politische und ästhethische Fragen unter
sozialistischer Perspektive behandelt und seine Marat Dramen, mit denen er
weltberühmt wurde. Er starbt am 10.5.1982 in Stockholm und erhielt am
15.10.1982 posthum den Georg-Büchner-Preis.
Zum Stück: Das Bühnenstück, welches 1965 zum ersten Mal
aufgeführt wurde, handelt vom Frankfurter Auschwitzprozess der am 20.Dezember
1963 begann. Es ist aufgebaut in 11 Gesängen die mehr oder weniger einen Gang
durch das KZ darstellen. So beginnt "Die Ermittlung" auch mit dem "Gesang von
der Rampe" der die Ankunft der Häftlinge darstellt und führt, über den "Gesang
von der schwarzen Wand" und den "Gesang vom Bunkerblock in insgesamt 11
Gesängen zum finalen "Gesang von den Feueröfen". Jeder Gesang ist aufgebaut wie
eine Gerichtsverhandlung bei der mehrere Zeugen, meistens sehr überzeugend
durch ausführliche Berichte über die Gewalt und den Terror im KZ, einen der
Angeklagten beschuldigen und entlarven. Aber man erhält den Eindruck als ob die
Angeklagten trotzdem mit heiler Haut davonkommen würden, was durch ein
diabolisches Lachen der Beschuldigten nach jeder Anklage verstärkt wird. Da
Weiss den Ausgang des Prozesses offen lässt, wird auch über die Angeklagten
kein gerichtliches Urteil gefällt. Weiss bezeichnete den Faschischmus als die
schlimmste Form des Kapitalismus und so ist es nicht verwunderlich, dass alle
Angeklagten zehn Jahre nach den Taten wieder hohe Amter bekleiden oder
zumindest gutgesicherte Renten erhalten. Das Stück ist einerseits
eine Dokumentation über den unglaublichen Terror in den Konzentrationslagern,
was in dem Oratorium durch explizite Gewalt und Brutalität verdeutlicht wird,
und andererseits eine Kritik am Kapitalismus und an der Gesellschaft, da laut
Weiss,"dieselben Kräfte die damals aus dem Elend Nutzen zogen auch heute wieder
präsent seien". Weiss nannte sein Stück ein Oratorium was einen krassen,
beabsichtigten, Gegensatz zum Inhalt darstellt.
Die
Urteilverkündung, die das Stück offen lässt, brachte am 19.8.1965 im echten
Auschwitzprozess drei Freisprüche, elf Haftstrafen zwischen drei und vierzehn
Jahren und sechs lebenslängliche Haftstrafen.