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Schopenhauer: 'Gegenwart'
(von Patric Schneider)
Zu 1 : Schopenhauer behauptet, daß der Mensch weder nach der Vergangenheit vor dem Leben, noch nach der Zukunft nach dem Tod suchen solle, denn der Wille zeige sich nur in der Gegenwart. Und da der Mensch eine Objektivation des Willens sei, könne er der Gegen-wart und dem 'Willen an Sich' nicht entkommen. Die Gegenwart ihm jedoch auch nicht. Die Todesfurcht sei 'eine Täuschung', da der Wille immer gegenwärtig sei, und es somit auch nach dem Tod des Indi-viduums keine Zeit ohne Gegenwart darin gebe. Wen das Leben, wie es sei befriedige und wer es bejahe, der könne es als unendlich ansehen. Derjenige hingegen, welcher das Leben auch verneine, weil er dessen Qualen (z.B. Krieg) verabscheue, der könne mit einem Selbstmord nichts erreichen, da es auch ohne ihn weiterginge.
Zu 2: Der Text, 'Der Wahre Wert der Geschichte' besagt im Kern, daß die Geschichte das vernünftige Selbstbewußtsein der Menschheit sei. Vergleichbar mit der Vernunft des Individuums, die Bedingung für dessen Bewußtsein sei. Mit der Reflexion über die Geschichte könne ein Volk, erst die Gegenwart erschließen und 'die Zukunft antizipieren.'
Auf den ersten Blick erscheinen die beiden Texte widersprüchlich. In dem Text zur Geschichte behauptet Scxhopenhauer, daß die Geschichte das Selbstbewußtsein der Menschheit sei und in dem Text 'Gegenwart,' daß man nicht nach Zukunft und Vergangenheit (Geschichte) außerhalb seiner Lebensspanne suchen solle. Vereinbar miteinander sind die beiden Texte erst, wenn man die Suche nach Vergangenheit und Zukunft im Gegenwartstext als Suche nach Transzendenz versteht, ähnlich einer Suche nach Gott. Ein solches Forschen lehnt Schopenhauer ab, da der Wille, als übergeordnetes Prinzip, sich nur in der Gegenwart zeige. (Es gibt keinen Schöpfer und kein Paradies nach dem Tod.) Der Wille erscheine im Leben und dessen Form sei 'Gegenwart ohne Ende.' Im Text zur Geschichte geht es um keine Suche nach dem Willen, sondern um ein Verständnis der Gegenwart, welches sich nur aus der Geschichte ergebe.
Zu 3: Ich denke auch, daß ein Denkfehler in Schopenhauers Text 'Gegenwart',
in Bezug auf seine Außerung: Todesfurcht sei eine Täuschung, vorliegt.
Schopenhauer liefert selber Argumente, die dafür sprechen.
- Im Text zum Subjekt behauptet Schopenhauer, daß das Subjekt außerhalb von
Zeit und Raum liege und die 'Welt als Vorstellung' ganz ungeteilt in jedem
Menschen existiere. Verschwände eines dieser Subjekte so wäre die Welt als
Vorstellung nicht mehr. Dies bedeutet also, daß das Subjekt und mit ihm seine
'Welt als Vorstellung' nach dem Tod nicht mehr existiert. Wenn sich nun das
Subjekt als Mittelpunkt der Welt wahrnimmt, und nicht als Teil eines großen
Ganzen, (wie dem Willen, der ewig fortlebt), dann erscheint Todesfurcht
meiner Meinung nach als natürliche Folge der Angst, nicht mehr bewußt zu sein.
- Im Text 'Egoismus' finden sich auch noch zwei Anmerkungen, die die
Todesfurcht nicht als Täuschung, sondern im Gegenteil als ein Teil des Seins
erklären: 'Jedes erkennende Individuum ist also in Wahrheit und findet sich
als den ganzen Willen zum Lebenund als die ergänzende Bedingung die Welt
als Vorstellung.' Unter diesen beiden Bestimmungen mache sich auch das zu
nichts verkleinerte Individuum zum Mittelpunkt der Welt und sei bereit die
Welt zu vernichten, 'um nur sein eigenes Selbst, diesem Tropfen im Meer,
etwas länger zu erhalten.' Demnach ist, laut Schopenhauer, der Egoismus der
Willen zum Leben. Wenn es nun keine Todesfurcht ist, die den Menschen
veranlassen würde, die Welt zu vernichten, nur um nicht selbst zu sterben,
dann weiß ich auch nicht weiter ! Außerdem denke ich, daß erst die Todesangst
zu einer der grundlegenden Fragen der Philosophie und den Reli-gionen geführt
hat : Was passiert nach dem Tod ? Eine Täuschung in der Todesfurcht zu sehen,
halte ich somit für vermessen. Ganz abgesehen davon, daß sich der Mensch seit
Tausenden von Jahren mit ihr beschäftigt und ein Großteil seiner Kultur erst
aus der Auseinandersetzung mit dem Tod entstanden ist. Die Todesfurcht selbst
erkläre ich mir als eine Art Sicherung, die den Willen zum Leben erst
bedingungslos werden läßt.
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