Die Inhumanität der Todesstrafe
1. Einleitung - Übergang zum Thema - Allgemeines
'WARUM - Töten wir Menschen, die Menschen getötet haben? Etwa um zu
zeigen, daß es
Unrecht ist, Menschen zu töten?'(1)
Was versteht die Gesellschaft unter dem Begriff Todesstrafe? Eine objektive
Definition
könnte lauten: 'Die Todesstrafe soll eine Wiedergutmachung und Bestrafung
einer
strafbaren Handlung durch den gesetzlich geduldeten und gerichtlich
angeordneten Tod
des Schuldigen erwirken.' Personen der verschiedensten
Gesellschaftsschichten
vertreten die Auffassung, daß sich Menschen den staatlichen Tod
'verdienen' können,
wenn sie schwere Straftaten verüben. Mit dieser Auffassung ist oftmals die
Wunschvorstellung verkn üpft, daß die Todesstrafe ein geeignetes Instrument
sei, um die
Schwerstkriminalität erfolgreich zu bekämpfen.
'Befürworter der Todesstrafe führen oft an, sie sei gerecht und auf
besonders grausame
Verbrechen die angemessene Antwort. Die Argumentation, jemand habe den Tod
'verdient', entzieht jedoch den Menschenrechten jede Grundlage. Das Gegenteil
trifft zu:
Wenn der Staat die Tötung eines Mörders anordnet, ist es schwierig zu erklären,
daß die
Ermordung eines Menschen Unrecht darstellt.'(2)
Wie kann eine zivilisierte Gesellschaft das Töten von Menschenleben mittels der
Todesstrafe billigen? Doch nur dadurch, indem die Gesellschaft den
Schwerverbrechern
die Menschenrechte sowie den Wert des Lebens aberkennt. Provokativ ausgedrückt:
'Ein
Schwer verbrecher hat kein Recht auf Leben, sein Leben ist wertlos und sein
wertloser
Körper darf getötet werden.'
2. Entwicklung der Todesstrafe
'In den vergangenen zehn Jahren hat durchschnittlich ein Land pro Jahr die
Todesstrafe
abgeschafft. Der Trend zur Abschaffung dieser geplanten und kaltblütigen Tötung
eines
Menschen durch den Staat verstärkt sich, jedoch nicht schnell genug. Zwar haben
inz
wischen 35 Staaten die Todesstrafe vollständig abgeschafft, 100 Länder
praktizieren sie
jedoch weiterhin. Allein im Jahr 1988 sind weit über 1.000 Menschen in diesen
Staaten
hingerichtet worden. Vergast, erschossen, gesteinigt, erhängt, mit einer
Giftsprit ze oder
2.000 Volt auf dem elektrischen Stuhl getötet.'(3)
3. Die Gefahr des Justizirrtums
Bei etlichen Diskussionen um die Todesstrafe wird immer wieder argumeniert, daß
bei
absoluter Gewissheit, daß die angeklagte Person ein schweres Verbrechen verübt
habe,
diese auch zum Tode verurteilt werden kann bzw. sollte.
Eine solche absolute Gewissheit kann von einem 'menschlichen Gericht'
niemals
gegeben werden. Die Befürworter der Todesstrafe machen es sich mit einer
solchen
Argumentation sehr leicht, denn sie ignorieren damit die potentielle Gefahr des
Justizirrtums und gehen davon aus, daß die Richter und Geschworenen stets
objektiv
und richtig entscheiden, ob jemand tatsächlich schuldig ist, oder nicht.
'Die Todesstrafe ist unwiderruflich und kann selbst im besten Justizsystem
unschuldige
Menschen das Leben kosten. Mindestens 23 Unschuldige sind im Zeitraum von 1900
bis
1987 in den USA hingerichtet worden'(4)
'Der farbige Edward Earl Johnson wurde für schuldig befunden, einen weißen
Polizisten
ermordet zu haben. Johnson, der zur Tatzeit 18 Jahre alt und nicht vorbestraft
war, wurde
der einzigsten Zeugin gegenübergestellt, die ihn schon von der Geburt an her
kan nte.
Sie sagte aus, daß Johnson nicht der Mörder war; auch ihre Täterbeschreibung
paßte
überhaupt nicht auf Johnson. Daraufhin wurde er freigelassen, später aber
erneut
verhaftet. Nach seiner Schilderung war er gezwungen worden, ein 'Geständnis' zu
untersc hreiben, das ihm von zwei Polizisten mit der Drohung diktiert wurde,
ihn
'während eines Fluchtversuches' zu erschießen, falls er das Geständnis nicht
schreibe.
Dieses 'Geständnis' hat Johnson bei der ersten Gelegenheit widerrufen. Es wurde
dennoch während des Gerichtsverfahrens gegen ihn verwendet. Nachdem die
Augenzeugin von Johnson's 'Geständnis' erfuhr, identifizierte sie ihn nun doch
als Täter.
Am 20. Mai 1987 wurde Edward Earl Johnson in Mississippi hingerichtet. Bis zum
Schluß
beteuerte er seine Unsc huld.'(5)
4. Minderheiten sind zum Tode verurteilt
'Ein ehemaliger Gouverneur von Ohio [USA] beschrieb seine Erfahrungen so:
'Während
meiner Tätigkeit als Gouverneur habe ich gelernt, daß alle Todeskandidaten
eines
gemeinsam haben: sie sind arm. Es gibt noch andere Gemeinsamkeiten - geringe
Intelligenz, we nig oder gar keine Bildung, wenig Freunde, zerrüttete Familien
-, aber die
Tatsache, daß sie kein Geld hatten, war einer der Hauptfaktoren bei ihrer
Verurteilung
zum Tode.'(6)
Kann man unter Berücksichtigung dieses Wissens, dieser Erfahrungen die
Todesstrafe
noch Befürworten?
Betrachtet man diese Aussage ' daß sie kein Geld hatten, war einer der
Hauptfaktoren
bei ihrer Verurteilung zum Tode.' etwas näher, wird deutlich, das vor
allem
Sozialschwache und andere gellschaftliche Randgruppen in den USA mit dem Tod
bestraft werden . Es wäre sinnvoller und notwendig, die Armut in der
Gesellschaft zu
beseitigen, um der Schwerstkriminalität entgegenzutretten, als die Todesstrafe
zu
fordern.
Die Todesstrafe behandelt nur die Syntome einer vielleicht verfehlten
Gesellschaftspolitik, die eigentlichen Ursachen für die Kriminalität - nämlich
die Armut
und andere soziale Umstände - werden durch die Todesstrafe nicht verändert. Die
Gesellschaft brau cht weniger Angst vor Wiederholungstätern zu haben, als Angst
vor
einer wachsenden Armut und Entstehung einer Zwei-Drittel-Gesellschaft. Denn
dies ist
eine Gefahr, welche die Schwerstkriminalität wesentlich mitverursacht.
Die Gesellschaftsgruppe der Sozialschwachen stellt trotz steigernder Armut
glücklicherweise eine Minderheit in den Vereinigten Staaten dar. Aber hieran
wird die
Problematik deutlich, das Recht nicht gleich Recht ist, insbesondere nicht bei
der
Todesstrafe. In den USA werden sogar Jugendliche und Geisteskranke
hingerichtet:
'Am 11. September 1985 wurde ein junger Mann in Texas für einen Mord
hingerichtet,
den er als 17-jähriger begangen hatte. ()
Morris Mason, ein 32 Jahre alter schwarzer Landarbeiter, wurde am 26. Juni 1985
in
Virgina auf dem elektrischen Stuhl exekutiert.Im Laufe seines Lebens war er in
drei
psychiatrischen Einrichtungen untergebracht, wo man ihn als geistig auf der
Stufe eines
a chtjährigen Kindes Zurückgebliebenen beurteilte. () Obwohl drei Psychiater
unabhängig voneinander zu dem Ergebnis kamen, daß Morris Mason über einen
Zeitraum
von acht Jahren an paranoider Schizophrenie litt, lehnte das Gericht es ab, den
Geisteszustand des Angeklagten von einem weiteren Psychiater beurteilen zu
lassen.
Sein Pflichtverteidiger hatte nicht die notwendigen Mittel, um einen privaten
Gutachter zu
beauftragen.'(7)
Die häufigsten Todesurteile werden in den USA gegen Schwarze ausgesprochen. An
den
folgenden Zahlen wird klar, daß Richter und Geschworene oftmals nicht objektiv
genug
entscheiden. Häufig spielen rassistische Vorurteile gegenüber Farbigen bewußt
oder
unbew ußt bei der Urteilsfindung eine Rolle:
'48 Prozent der Todeskandidaten sind Schwarze oder Angehörige anderer
Minderheiten,
obwohl ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung nur zwölf Prozent beträgt. In
einigen
Bundesstaaten liegt der Anteil der Schwarzen unter den Todeskandidaten ()
erheblich
höhe r: in Alabama zum Beispiel bei 66 Prozent. () Schwarze, die wegen
Mordes an
Weißen verurteilt werden, werden weitaus häufiger mit dem Tode bestraft als
Weiße, die
weiße Opfer getötet haben. Weiße, die Schwarze ermordet haben, werden dagegen
äußerst selt en zum Tode verurteilt. () Von den 18 Hinrichtungen, die 1986
[in den USA!]
durchgeführt wurden, fanden 16 wegen Mordes an Weißen statt.'(8)
5. Wirkung der Todesstrafe
Eines der Hauptargumente für die Einführung bzw. Beihaltung der Todesstrafe
stellt die
Wunschvorstellung dar, daß die Todesstrafe auf Verbrechen abschreckend wirke.
'Die Todesstrafe wirkt nicht abschreckender als eine Freiheitsstrafe. Man
braucht sie
auch nicht, um die Gesellschaft vor Wiederholungstätern zu schützen: Die Rückfallquote
bei Tötungsdelikten nach ordnungsgemäßer Strafverbüßung beträgt im
internationalen
Durchschnitt ein bis drei Prozent.'(9)
'In einigen Ländern, zum Beispiel Kanada, ist die Mordrate nach
Abschaffung der
Todesstrafe gesunken. Studien in den USA belegen, daß sich die Mordrate in
Staaten mit
der Todesstrafe von der anderer Staaten mit vergleichbarer Bevölkerungsstruktur
und
ähnli chen sozialen und wirtschaftlichen Verhältnissen, aber ohne Todesstrafe,
kaum
unterscheidet. Einige Untersuchungen kommen sogar zu dem Schluß, daß die
Todesstrafe die Verbrechensrate erhöht. Im Staate New York kam es zwischen 1907
und
1963 in den Monaten n ach einer Hinrichtung zu durchschnittlich zwei
zusätzlichen
Morden.'(10)
Aufgrund dieser Studien, die belegen, daß die Todesstrafe keine Abschreckung
von
Straftaten erzielt, ist die Frage berechtigt, ob es Sinn macht, die Todesstrafe
zu fordern.
6. Die Grausamkeit der Todesstrafe
Die Todesstrafe ist die grausamste Strafe, die ein Mensch bekommen kann.
'Schon die Erfahrung, in der Todeszelle auf die eigene Hinrichtung zu
warten, ist
grausam, unmenschlich und erniedrigend. Die Hinrichtung, oftmals nach mehreren
Jahren, in denen die Gefangenen zur Untätigkeit verurteilt und unter großem
psychischen
Druck i n permanenter Unsicherheit leben, ist ein Akt der Barbarei, unabhängig
von der
Hinrichtungsmethode.'(11)
Somit steht die Todesstrafe eindeutig im Widerspruch zu der Allgemeinen
Erklärung der
Menschenrechte vom 10. Dezember 1948. Im Artikel 1 dieser Erklärung wurde die
Würde
des Menschen von fast allen Ländern der Welt festgeschrieben. Auch im
Grundgesetz der
Bundesrepublik Deutschland heißt es: 'Die Würde des Menschen ist
unanstastbar.'(12)
'Wie die Folter ist auch die Todesstrafe ein Eingriff des Staates in die
unverletzlichen
Rechte des Individuums. Sicherlich hat der Staat das Recht, Straftaten zu
ahnden. Dieses
Recht hat aber ganz klare Grenzen, die durch Artikel 3 und 5 der Allgemeinen E
rklärung
der Menschenrechte festgelegt sind. In diesen Artikeln heißt es: 'Jeder Mensch
hat das
Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit der Person.' 'Niemand darf der Folter
oder
grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterwo
rfen
werden.' '(13)
'James Autry starb am 14. März 1984 in Texas durch Injektion eines
tödlichen Giftes. Man
ließ eine Salzlösung in seine Venen tropfen.. Ursprünglich war sein
Hinrichtungstermin
für November 1983 festgesetzt worden. Er lag damals bereits festgeschnallt auf
e iner
Liege und erlebte die Vorbeitungen für seine Hinrichtung, als die Nachricht
eintraf, daß
die Vollstreckung des Todesurteils aufgeschoben sei.
Mindestens zehn Minuten kämpfte er mit dem Tod. Während dieser Zeit war er
größtenteils bei Bewußtsein, hat sich bewegt und über Schmerzen beklagt, so die
amerikanische Zeitschrift Newsweek.'(14)
7. Ethische, religiöse Frage
Unabhängig ob nun die Todesstrafe abschreckend ist und somit vielleicht weitere
Verbrechen verhindern kann oder nicht, muß sich jeder die Frage stellen:
'Kann ich die
Todesstrafe mit meinem Gewissen vereinbaren? Würde ich mich schuldig fühlen,
wenn
ein un schuldiger Mensch aufgrund eines Justizirrtums hingerichtet würde?'
Ich gebe zu
bedenken, daß ein Justizirrtum niemals völlig ausgeschlossen werden kann.
Aus christlicher Sicht, berufend auf das Alte Testament kann die Todesstrafe
als eine
durchaus legitime Bestrafung interpretiert werden, beispielsweise im 4. Buch
Mose 35,30
steht:
'Wer einen Menschen erschlägt, den soll man töten auf den Mund zweier
Zeugen hin.
()'(15)
Das Alte Testament ist in dieser Frage nicht ganz eindeutig, denn gemäß dem
Fünften
Gebot:
'Du sollst nicht töten.'(16)
ist das Töten grundsätzlich verboten. Demnach müßte auch das Töten auf
gerichtlichen
Beschluß ein Verstoß gegen das Fünfte Gebot darstellen. Im Gegensatz zum Alten
Testament ist das Neue Testament in Sachen Bestrafung zurückhaltender. Jesus
zeigte
uns mit seiner vorbildliche Lebensführung, daß die Menschen in Toleranz und
Vergebung miteinander leben sollen. Im Abschnitt 'Persönliche
Stellungnahme /
Meinung' dieses Referates werde ich hierauf näher eingehen.
8. Situationsbeispiele der Todesstrafe
Die folgenden Zahlen und Beispiele sollen einen kleinen Einblick in die
weltweite
Situation der Todesstrafe geben:
8.1. Iran
'amnesty international weiß von 330 Menschen, die 1992 im Iran
hingerichtet wurden.
1991 waren es sogar 775. Die tatsächlichen Zahlen dürften jedoch erheblich
höher sein.
Unter den Opfern waren jeweils zahlreiche gewaltlose politische Gefangene.
()
In der zweiten Jahreshälfte 1988 fanden auf mehreren iranischen Gefängnishöfen
wahre
Massaker statt. Tausende Menschen wurden in unfairen Verfahren zum Tode
verurteilt
und hingerichtet.()'(17)
8.2. Nigeria
'Allein im ersten Vierteljahr 1993 wurden 16 Personen wegen Straftaten im
Zusammenhang mit religiösen Unruhen vom Mai 1992 zum Tode verurteilt. Durch
fehlenden Berufungsmöglichkeiten können die nigerianischen Behörden mögliche
Hinrichtungstermine willkürli ch festlegen.'(18)
8.3. China
'Im Jahr 1991 hatte es in China nach inoffiziellen Schätzungen etwa 20.000
Hinrichtungen
gegeben. Ein Jahr später berichtete amnesty international von 1891
Todesurteilen und
1079 Hinrichtungen.'(19)
8.4. Agypten
'() Daß Militärgerichte gegen Zivilpersonen verhandeln verstößt
gravierend gegen
internationale Rechtsgrundsätze: Jeder Angeklagte hat danach ein Recht darauf,
daß ein
kompetentes und unabhängiges Gericht über seinen Fall entscheidet. Verstoßen
wird ebe
nso gegen das Recht auf Berufung bei einer höheren Instanz. Zu diesem Ergebnis
kam
auch eine Expertengruppe der UNO-Menschenrechtskommission, die im Juli (1993,
)
eine Untersuchung eingeleitet hatte. In Agypten werden die von den
Militärgerichten
gefäll ten Todesurteile vom Präsidenten ratifiziert und danach noch einmal der
Militärberufungsbehörde vorgelegt. Deren Vorsitzender ist ebenfalls Präsident
Mubarak.
Dementsprechend schnell werden die Richtersprüche in die Tat
umgesetzt.'(20)
'Im Zeitraum Dezember 1992 bis Dezember 1993 wurden von den 39 verhängten
Todesurteilen bereits 17, meistens innerhalb weniger Wochen nach dem
Urteilsspruch
vollstreckt.'(21)
8.5. USA
'Ende des Jahres 1989 befanden sich mehr als 2300 Gefangene in Haft, gegen
die in 34
Einzelstaaten der USA und nach bundesweit geltendem Militärrecht die
Todesstrafe
verhängt worden war. Im Verlauf des Jahres wurden 16 Gefangene
hingerichtet.Während
ein St aat die Hinrichtung geistig zurückgebliebener Menschen untersagte,
entschied der
Oberste Gerichtshof, daß auch 16jährige und geistig Zurückgebliebene exekutiert
werden
könnten.'(22) 'Im Jahre 1990 verhängten die Gerichte schätzungsweise
300 neue
Todesurtei le.'(23)
'Das Jahr 1992 brachte den Vereinigten Staaten von Amerika einen
Hinrichtungsrekord,
seitdem im Jahre 1976 die obersten Richter die Todesstrafe für verfassungsgemäß
erklärt
und daraufhin einige Bundesstaaten wieder Hinrichtungen erlaubt hatten. 31
Menschen
wurden 1992 auf staatliche Anordnung hin getötet, 1991 waren es 14
gewesen.'(24)
8.6. Japan
'Auch die neue Regierung in Japan läßt Hinrichtungen zu. Während im Land
unverändert
heftig über den Sinn der Todesstrafe diskutiert wird und die Zahl ihrer Gegner
stetig
zunimmt, wurden am 26. November [1993] Tatsachen geschaffen: Vier Gefangene,
unter
ih nen ein 70jähriger Mann, wurden in den Haftanstalten von Tokio, Osaka und
Sapporo
exekutiert. Damit wurden im Jahre 1993 bis Ende November sieben Menschen
hingerichtet, die höchste Zahl seit 17 Jahren.'(25)
9. Gleiches Recht für gleiche Straftaten?
Welche Straftaten verdienen den Tod als Bestrafung? Ist es Mord, Entführung,
Vergewaltigung, Sterbehilfe, Bankraub, Betrug, Widerstand gegen die
Staatsgewalt oder
schon einfacher Diebstahl? Gibt es überhaupt ein Maßstab, eine Grenze, wo die
Todesstrafe mit gutem Gewissen ausgesprochen werden kann? Selbst wenn es eine
moralisch vertretbare Grenze gäbe, um die Todesstrafe zu befürworten, so wird
sie in den
meisten Ländern für die unterschiedlichsten Straftaten verhängt und ausgeführt.
Wo
bleibt unter dieser B erücksichtigung eine international gleiche
Rechtsprechung? Der
Gedanke 'Gleiches Recht für gleiche Straftaten' bleibt eine Utopie,
solange in China
ausgeübte Meinungsfreiheit und Beteiligung an Demostrationen , aber
beispielsweise in
den USA Mord mit dem T od bestraft werden. Diese Diskrepanz in der
Rechtsprechung
besteht aber auch schon innerhalb der USA unter den einzelen Bundesstaaten, ja
sogar
innerhalb eines Bundesstaates in verschiedenen Gerichtsverfahren:
'Charles Brooks wurde im Dezember 1982 in Texas hingerichtet, während sein
Komplize
in einem abgetrennten Verfahren zu 40 Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Die
Anklagevertretung war nicht in der Lage zu klären, wer von den beiden die
tödlichen
Schüsse auf das Opfer abgegeben hatte. Der Staatsanwalt, der ursprünglich das
Todessurteil gegen Charles Brooks erwirkt hatte, versuchte später vergeblich,
die
Hinrichtung zu verhindern unter [dem] Hinweis darauf, daß die unterschiedlichen
Urteile
für dieselbe Tat mi t den selben Beweisen ungerecht sei.'(26)
10. Der Henker als staatlich beauftragter Mörder
Aus der Sicht des Staates ist der Henker das exekutive Organ des Gerichts. Von
daher
kann und wird der Henker für die Ausübung der Hinrichtung eines zum Tode
Verurteilten
nicht bestraft. Aber ist der Henker moralisch bzw. vor Gott dennoch ein Mörder?
Diese
Frage muß sich jeder selbst beantworten. Tatsache ist jedoch das auch der
Henker einen
Menschen tötet. Er tut dies bewußt, auf Anordnung und im Dienste des Staates.
11. Persönliche Stellungnahme / Meinung
Der Titel dieses Referates 'Die Inhumanität der Todesstrafe' läßt
schon darauf schließen,
daß ich die Todesstrafe grundsätzlich ablehne. Sie ist grausam, unmenschlich
und trägt
das nicht wiedergutzumachende Riskio eines Justizirrtums. Aufgrund meines chri
stlichen Glaubens, sehe ich die Notwendigkeit der Vergebung. Die Todesstrafe
mag
vielleicht alttestamentlich mit dem Christentum vereinbar sein, doch Jesus
Christus
zeigte uns, daß sie unchristlich ist. Denn Jesus vergab beispielsweise einer
Frau, welche
n ach jüdischem Gesetz gesteinigt werden müßte, da sie Ehebruch begang
(Johannes 8,
1-11). Er rettete somit ihr Leben und gab ihr eine neue Chance. Ich möchte an
dieser
Stelle den Reformator Martin Luther zitieren: 'Die äußerliche Vergebung,
so ich mit der T
at erzeige, ist ein gewiß Zeichen, daß ich selbst Vergebung der Sünde bei Gott
habe.'(27)
Für mich folgt daraus, jedem Menschen in unserer Gesellschaft eine neue Chance
zu
geben. Selbst dann, wenn diese Person einen schlimmen Fehler, eine grausame
Straftat
gegangen hat. Eine neue Chance kann ich aber nur demjenigen geben, welcher hier
auf
der Erde lebt. Ein Toter braucht keine Chance mehr, denn er kann damit herzlich
wenig
anfangen.
Im Übrigen sehe ich in der Vollstreckung eines Todesurteils keinen Sinn. Durch
die
staatliche Ermordung eines Menschen werden andere Menschen, nämlich die
Verwandten, Bekannten und Freunde des Todeskandidaten mit bestraft. Sie
verlieren
sinnlos einen Mensc hen, denn sie gut kannten, mochten und liebten. Das
Todesurteil ist
deshalb sinnlos, weil die begangene Straftat dadurch nicht rückgängig gemacht
werden
kann. Ein eventuell ermordetes Opfer wird durch die Todesstrafe nicht wieder
auferstehen.
Wichtig ist, daß in der Gesellschaft ein Bewußtsein dafür geschaffen wird, daß
die
Todesstrafe nicht die Lösung der Schwerstkriminalität ist.
12. Quellenangabe (Verzeichnis):
- amnesty international: Todesstrafe USA; 4. Auflage, Februar 1987
- amnesty international: !nein! zur Todesstrafe, weltweit; 1. Auflage, Juli
1993
- amnesty international: !nein! zur Todesstrafe in den USA; 2. Auflage, April
1989
- amnesty international: !nein! zur Todesstrafe in Iran; 1. Auflage, April 1989
- amnesty international: ai-Jahresbericht 1990, 1. Auflage, August 1990
- amnesty international: ai-info, Das Magazin für die Menschenrechte, Dezember
1993
- amnesty international: ai-info, Das Magazin für die Menschenrechte, Januar
1994
- Puntsch, Eberhard: Das richtige Zitat, 1991, , ISBN: 3-8075-0025-1
- Deutsche Bibelgesellschaft: Die Bibel nach der Übersetzung Martin Luthers,
rev. Fassung 1984, Stuttgart, 1985
13. Fußnoten :
(1) Zitat vgl. amnesty international: Todesstrafe USA; 4. Auflage, Februar 1987
(2) Zitat s. amnesty international: !nein! zur Todesstrafe, weltweit; 1. Auflage,
Juli 1993, Seite 4
(3) Zitat s. amnesty international: !nein zur Todesstrafe in Iran; 1. Auflage,
April 1989
(4) Zitat vgl. amnesty international: Todesstrafe USA; 4. Auflage, Februar 1987
(5) Zitat vgl. amnesty international: !nein! zur Todesstrafe in den USA; 2.
Auflage, April 1989, Seite 3
(6) Zitat s. amnesty international: Todesstrafe USA; 4. Auflage, Februar 1987
(7) Zitat vgl. amnesty international: Todesstrafe USA; 4. Auflage, Februar 1987
(8) Zitat s. amnesty international: Todesstrafe USA; 4. Auflage, Februar 1987
(9) Zitat s. amnesty international: !nein! zur Todesstrafe, weltweit; 1.
Auflage, Juli 1993, Seite 6
(10) Zitat s. amnesty international: Todesstrafe USA, 4 Auflage, Februar 1987
(11) Zitat s. amnesty international: Todesstrafe USA; 4. Auflage, Februar 1987
(12) Zitat s. Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Artikel 1, Absatz
1, Satz 1, 23. Mai 1949
(13) Zitat vgl. amnesty international: !nein! zur Todesstrafe in den USA; 2.
Auflage, April 1989, Seite 4
(14) Zitat vgl. amnesty international: Todesstrafe USA, 4. Auflage, Februar
1987
(15) Zitat s. Deutsche Bibelgesellschaft: Die Bibel, Nach der Übersetzung
Martin Luthers, revidierte Fassung von 1984, Seite AT 184
(16) Zitat s. a.a.o, 2. Mose 20,13, Seite AT 80
(17) Zitat s. amnesty international: !nein! zur Todesstrafe, weltweit; 1.
Auflage, Juli 1993, Seite 5
(18) Zitat s. a.a.o., Seite 4
(19) Zitat vgl. a.a.o., Seite 3
(20) Zitat s. amnesty international: Zivilisten vor Militärgerichten; in: ai
info, Das Magazin für die Menschenrechte, Dezember 1993, Seite 10 und 11
(21) Zitat vgl. a.a.o., Seite 11
(22) Zitat s. amnesty international: Vereinigte Staaten von Amerika; in: ai
Jahresbericht 1990, 1. Auflage, August 1990, Seite 505
(23) Zitat vgl. a.a.o., Seite 506
(24) Zitat s. amnesty international: !nein! zur Todesstrafe, weltweit; 1.
Auflage, Juli 1993, Seite 6
(25) Zitat s. amnesty international: Neue Regierung läßt hinrichten; in
ai-info, Das Magazin für die Menschenrechte, Januar 1994, Seite 26
(26) Zitat s. amnesty international: Todesstrafe USA; 4. Auflage, Februar 1987
(27) Zitat s. Martin Luther: Deutsche Schriften 43; in: Eberhard Puntsch: Das
richtige Zitat, ISBN 3-8075-0025-1, 1991, Seite 359 (Kapitel: Verzeihung)
Die
Inhumanität der Todesstrafe
("Nachträgliche Ergänzung zum gleichnamigen Hauptreferat")
von
Christian Markus Grill, Idar-Oberstein im Sommer 1994
Art appellative Zusammenfassung mit zusätzlichen Aspekten
'Nach Auffassung der internationalen unabhängigen
Menschenrechtsorganisation amnesty
international (1977 Friedensnobelpreis) ist die Todesstrafe die grausamste,
unmenschlichste
und erniedrigendste Strafe.'(1)
'Eine Hinrichtung kann das Mordopfer nicht ins Leben zurückrufen oder den
Verlust der
Familie des Opfers verringern. () Die ganze Aufmerksamkeit des Staates gilt
nicht den
Opfern, sondern den Tätern, mit dem Ziel, diese ebenfalls zu töten.
Hinrichtungen verursachen
bei einer weiteren Familie - der des Gefangenen - ähnliche Schmerzen und Leiden
und tragen
so zum Kreislauf von Gewalt und Rache bei.'(2)
Das folgende Beispiel zeigt, wie unmenschlich die Vollstreckung der Todesstrafe
sein kann:
'John Louis Evans: Der 1977 wegen Mordes zum Tode verurteilte John Louis
Evans wurde im
April 1983 in Alabama auf dem elektrischen Stuhl hingerichtet. Nach
Augenzeugenberichten
waren drei Stromstöße von jeweils 1900 Volt erforderlich, bevor - nach 14 Minut
en - sein Tod
festgestellt wurde. Beim ersten Stromstoß schmorte die Elektrode an seinem Bein
durch und
fiel ab. Gefängniswärter brachten sie wieder in Ordnung, nachdem sich die Arzte
davon
überzeugt hatten, daß Evans noch lebte. Beim zweiten Stromstoß spr ühten Funken
an seiner
linken Schläfe und am linken Bein, und Rauch stieg auf. Da die Arzte nach einer
Überprüfung
der Herzschläge den Tod des Opfers noch immer nicht mit letzter Gewißheit
bestätigen
konnten, wurde der Strom zum dritten Mal eingeschaltet.' (3)
'Es ist eine Verletzung der ärztlichen Ethik,
1. wenn Arzte Voruntersuchungen durchführen, die die Todeskandidaten psychisch
und
physisch für die Hinrichtung tauglich erklären!
2. wenn Arzte medizinisch-technischen Rat im Zusammenhang mit einer Hinrichtung
geben!
3. wenn Arzte tödliche Dosen von Medikamenten bei der Hinrichtung
zusammenstellen,
vorbereiten und verabreichen!
4. wenn Arzte die Hinrichtung überwachen!
5. wenn Arzte während der Exekution den zum Tode Verurteilten untersuchen, um
festzustellen,
ob der Tötungsvorgang fortgesetzt werden soll!' (4)
'Die Deklaration von Tokio des Weltärztebundes schreibt fest, daß 'der
größte Respekt für das
menschliche Leben sogar unter Bedrohung aufrecht erhalten werden soll und kein
Gebrauch
von irgendeiner medizinischen Kenntnis gegen die Gesetze der Humanität gem acht
werden
darf."
Ein iraktischer Arzt bezeugte 1984, daß er unter Zwang zum Tod verurteilten
Gefangenen
soviel Blut abgenommen habe, bis ihr Tod eintrat. Das Blut soll für
Transfusionen benutzt
worden sein.'(5)
Fußnoten :
(1) Zitat s. amnesty international: Todesstrafe USA; 4. Auflage, Februar 1987
(2) Zitat vgl. a.a.o.
(3) Zitat s. a.a.o.
(4) Zitat vgl. amnesty international: !nein! zur Todesstrafe, Mediziner gegen
die Todesstrafe; 1. Auflage, Dezember 1989
(5) Zitat s. a.a.o.