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Gedichtinterpretation zu Friedrich Nietzsches "Vereinsamt"
"Mit Vereinsamung wird der Verlust zwischenmenschlicher Beziehungen ohne die Fähigkeit zum Aufbau neuer bezeichnet." (Data Becker Lexikon 2001)
Nietzsche kannte diesen Verlust und versuchte ihn in seinem Gedicht "Vereinsamt" zu verarbeiten.
Dieses gliedert sich im Stil des Asthetizismus in sechs Strophen, die alle gleich gebaut sind. Jede besteht aus vier jambischen Verszeilen. Auf einen zweihebigen Vers, folgt im Wechsel ein vierhebiger. In dem Gedicht liegt ein Kreuzreim zwischen dem ersten und dritten Vers, sowie dem zweiten und vierten Vers jeder Strophe vor. Der Rhythmus, dem das Gedichtes unterliegt, ist ungleichmäßig. Er wird sowohl durch die Zeichensetzung als auch durch Adverbien der Bewegung und des Ruhezustandes, wie "schwirren" und "starr", beeinflusst.
Besonders auffallend sind die erste und die letzte Strophe des Gedichtes, die sich nur in dem letzten Vers unterscheiden: "Wohl dem, der jetzt noch - Heimat hat!" und "Weh dem, der keine Heimat hat!"
Diese beiden Strophen geben dem Gedicht einen Rahmen und sollten somit auch eine besondere Stellung einnehmen.
In den ersten beiden Versen treten schon zwei Symbole auf und zwar "Krähen" für das Leben, den sie können unter fast allen Bedingungen überleben, und "Stadt" für Schutz und Wärme.
Durch den schnellen Rhythmus wird auch deutlich das die "Krähen" Angst haben, er entsteht durch die Zeilensprünge, die s- und i-Laute und die Wortfolge "ziehen schwirren Flugs", den Krähen sind ursprünglich ruhig.
Wo vor die "Krähen" Angst haben wird auch gleich aufgeklärt mit "Bald wird es schnein".
An Hand des Gedankenstriches in dem letzten Vers der ersten Strophe läst sich deuten, dass das lyrische Ich sich nicht sicher ist wie es mit der Situation umgehen soll. Deshalb sucht es sich auch in der 2. Strophe eine imaginäre Person, die es nur als "du" bezeichnet, dem es Vor würfe für seine Fehler machen kann. Wäre es eine echte Person so würde der Titel "Vereinsamt" nicht mehr auf das Werk zutreffen.
Die Vorwürfe wer durch die Zeichensetzung hervorgehoben. So sorgen die Ausrufezeichen dafür, die Wut des lyrischen Ich zu unterstreichen und für einen schnellen Rhythmus. Die Kommas dagegen dafür, dass der Leser zwischen den schnell wirkenden Sätze, genug Zeit hat sich Gedanken zu machen. Der Zorn, den das lyrische Ich auf sich hat, kommt auch noch einmal durch das Symbol "Narr" zum Ausdruck, womit es sich selbst dumm bezeichnet, für das was es getan hatte.
Dieser Fehler wird in dem 4. Vers durch eine Alliteration unterstrichen "Vor Winter in die Welt entflohn?".
Und wieder leitet das lyrische Ich direkt zwischen den Strophen über, indem es den Begriff "Die Welt" erklärt, um auszudrücken, dass seine Gedanken keine Ruhe finden.
Doch in dieser Strophe stößt das lyrische Ich auf einen ernsten Widerspruch, denn es ist freiwillig hierher "entflohn" in diese Eiswüste, diese Welt ohne Gefühle, vor der das Leben (siehe oben "Krähen") Schutz sucht. Doch es fast sich wieder und begründet sein Handeln, unterstrichen mit einer Anapher, "Wer das verlor, Was du verlorst, nach nirgends halt.".
Dass es dies ernst meint, spiegelt sich auch in der Zeichensetzung wieder. So werden nur zwei Kommas und ein Punkt verwendet, was Ruhe und doch auch Standfestigkeit ausdrückt.
Nach diesen Worten bemerkt man ganz deutlich, dass sich die Einstellung, des lyrischen Ich geändert hat. Es ist "bleich", also regelrecht entsetzt darüber, dass "[z]ur Winter-Wanderschaft verflucht" ist, es gibt also keinen Weg zurück. In den nächsten beiden Versen versucht das lyrische Ich sich dies Metapher "Dem Rauche gleich, Der stets nach kältern Himmel sucht." zu verdeutlichen. Doch gibt es in einer Eiswüste "kältern Himmel"? Die Situation ist also aussichtslos.
Das "du" sieht, in der 5. Strophe, seine Situation langsam ein, und so schickt das Leben in imperativer Form "Flieg, Vogel []!" weg. Allerdings verlangt er zum Abschied noch ein Trauerlied "Vogel, schnarr Dein Lied im Wüstenvogel-Ton!". Das lyrische Ich kritisiert aber wieder diesen letzten Funken Menschlichkeit mit dem Klimax "Versteck, du Narr, Dein blutend Herz in Eis und Hohn!", denn es meint, dass man zwar ohne Gefühle auskommt, aber dies auch überspielen muss, da man sonst verrückt wird bzw. sterben will.
So kommt das lyrische Ich in letzten Strophen zu der klaren Erkenntnis: "Weh dem, der keine Heimat hat!"
In diesem Gedicht, so stelle ich im Nachhinein fest, kontrahieren die Meinungen von Ich ("du") und Über-Ich (lyrische Ich) zum Thema der emotionalen Einsamkeit. Nietzsche konnte seine eigen Erkenntnis leider nicht auf sich anwenden und so führte seine Vereinsamung die krankheitsbedingt war 1889 in einer geistigen Umnachtung und am 25.8.1900 in den Tod.
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