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Ein Konzept der Evolution zum modernen Menschen und der Besiedelung der alten Welt unter Berücksichtigung der 'Homo erectus/ergaster - Frage' und der Diskussion um die mögliche Bedeutung des Homo antecessor
I) Neuentdeckungen - die Suche nach dem ältesten Hominiden
Allgemein wird Afrika als "Wiege der Menschheit" angesehen, als Ursprungsort der Gattung Homo und deren sämtlichen Vorgänger. In welchem Zeitraum der Tier-Mensch-Übergang letztendlich wirklich anzusiedeln ist liegt im Ungewissen. Genetischen Studien zufolge soll die Aufspaltung von Menschenaffen und Menschen vor 5 bis 6 Millionen Jahren stattgefunden haben.
Im Dezember 2000 hat ein französisches Team den Sensationsfund des Orrorin tugenensis vorgestellt. Für den in Kenia gefundenen "Millennium Man" wird ein Alter von rund 6 Millionen Jahren angegeben. Vor allem aufgrund von Zahnmerkmalen, aber auch weil sie die Oberschenkelknochen als Indiz für den aufrechten Gang werten, zählen die Entdecker Orrorin tugenensis zur Familie der Hominiden. Doch gibt es von anderen Wissenschaftlern entschiedenen Widerspruch und es ist unklar welcher Linie der Orrorin tugenensis nun wirklich angehört.
Die Überraschung um den Orrorin-Fund war kaum verrauscht, da veröffentlichte im März 2001 ein Team um Richard Leakeys Frau Meave den Fund eines 3,5 Millionen Jahren bemerkenswerten Schädel. Das teilweise bei der Fossilisation verdrückte Fundstück mit der Nummer KNM-WT 40000 wird akribisch analysiert. Es unterscheidet sich durch die bloße Kombination von kleinen Hirnvolumen, kleinen Backenzähnen und großem flachen Gesicht eindeutig vom bisher akzeptierten Hominidengattungen. Deshalb hat sich die Forscherin entschlossen, den neuen Artnamen Kenyanthropus platypus zu vergeben. Seine genealogische Einbindung in den Hominidenstammbaum ist sehr schwierig. Ob die längst eingeführte Art Homo rudolfensis (siehe II) wegen Ahnlichkeiten mit KNM-WT 40000, wie neuerdings von Leaky empfohlen, in Kenyanthropus umbenannt werden soll, bleibt umstritten.
Der neueste veröffentlichte Fossilienfund stammt aus Athiopiens berühmter Afar-Senke, wird Ardipithecus ramidus kadabba genannt und wird auf ein sensationelles Alter von bis zu 5,8 Millionen Jahren datiert. Der Entdecker Yohannes Haile-Selasie (University of California Berkley) ordnet diese neue Subspezies in seiner Erstbeschreibung vom Juli 2001 eher den Hominiden als den Menschenaffen zu. Aus einem Zehenknochen schließt er, dass sich der neue frühe Vormensch bereits biped fortbewegte. Aus den Fundstücken kann jedoch kein genaues anatomisches Bild des Hominiden gewonnen werden, da weder ein Schädel noch ein vollständiger Knochen eines Arms oder Beins darunter ist; eine Zuordnung ist wie auch bei den oben genannten Funden äußerst problematisch.
Ardipithecus ramidus kadabba teilt Merkmale mit Ardipithecus ramidus, dem etwa 4,4 Millionen Jahre alten Hominiden, der seit 1994 bekannt ist, auch in Athiopien gefunden wurde und wissenschaftlich anerkannt ist.
II) Australopithecinen
Die Gruppe der Australopithecinen (4,2 - 1 Mio. Jahre) ist auf den afrikanischen Kontinent beschränkt - Funde sind ausschließlich aus Ost- und Südafrika bekannt. Aus ihnen, und zwar aus der Linie des grazilen Typus soll die Gattung Homo hervorgegangen sein.
Die Schädelkapazität der Australopithecinen unterscheidet sich mit 450 - 600 ccm kaum von heutigen Pongiden. Es ist allerdings schon durchwegs Bipedie und bei einigen Vertretern eine Progression einzelner Merkmale in Richtung Homo zu erkennen.
Australopithecus anamensis ist mit 4,2 bis 3,9 Millionen Jahren die älteste bekannte Australopithecus-Art. Sie wurde in 1995 durch Leakey benannt. Das Material besteht aus Fossilien die in Kenia nahe dem Turkanasee gefunden wurde. Anamensis weist eine Mischung aus primitiven Merkmalen am Schädel und fortschrittliche Merkmale am Postcranial-Skelett auf. Die Zähne und Kiefer sind affenähnlich während die Extremitätenknochen menschenähnlich sind und auf Bipedie schließen lassen. A. anamensis könnte die Stammform sein, aus der alle später auftretenden Australopithecinen hervorgegangen sind.
Der Australopithecus afarensis, der durch den Fund der "Lucy" (bei Hadar/Afar in Athiopien, 1974) weltbekannt wurde, wird auf ein Alter von ca. 3 - 3,9 Millionen Jahren datiert. Hier stößt man auf ein Mosaik aus archaischen (pongiden) und progressiven (in Richtung Homo zeigende) Merkmalen.
archaische Merkmale
Schädelproportion (kleiner Hirnschädel)
Gesicht: affenähnlich mit einer niedrigen Stirn, einen knochigen Wulst über den Augen, eine flache Nase und kein Kinn.
Geringes Hirnvolumen (375 - 550 ccm)
Finger- und Zehenknochen gekrümmt und proportional länger
(→ lässt darauf schließen, dass die Art noch teilweise
baumlebend
gewesen sein könnte)
- Kiefer hervorstehend mit großen Backenzähnen
progressive Merkmale:
Kieferform: liegt zwischen der rechteckigen Gestalt bei Pongiden und der parabolischen bei Homo
im Vergleich mit den Pongiden kleinere Eckzähne (→ Tendenz in Richtung Homo: Reduktion der Kronenhöhe)
Becken- und Beinknochen: lassen eindeutig auf Bipedie schließen.
Die Art Australopithecus africanus (→ berühmter Fund: "Kind von Taung", Südafrika Dart 1924) existierte vor zwischen ca. 3,2 und 2,5 Millionen Jahren. Sie ist dem afarensis ähnlich, ebenfalls biped, aber körperlich etwas größer. Das Gehirn könnte auch etwas größer gewesen sein, etwa zwischen 420 und 500 Kubikzentimeter; die hinteren Zähne waren etwas größer als bei afarensis. Obwohl die Zähne und Kiefer viel größer sind als beim modernen Menschen sind sie weit mehr menschenähnlich als affenähnlich. Die Form der Kiefer ist nun parabolisch, wie beim Menschen, und die Größe der Eckzähne ist weiter reduziert, verglichen mit afarensis.
A. afarensis und africanus werden als grazile Australopithecine bezeichnet, aufgrund ihres relativ leichten Baus, (besonders hinsichtlich Schädel und Zähne). Ihnen Gegenüber stehen die Australopithecinen vom robusten Typus.
(5) Australopithecus aetiopicus, A. boisei, und A. robustus
Gemeinsame Merkmale
Robuster bis hyperrobuster Bau
Massivheit des Gesichtes, der Kiefer und Zähne
Crista sagittalis
Relativ geringe Schädelkapazität (ca. 400 - 550 ccm)
Mit einer kräftigen Kaumuskulatur, die an massiven Kieferknochen und an einem 'Scheitelkamm' (Crista sagittalis) ansetzte, konnten diese Hominiden härtere Pflanzennahrung wie Samen oder Nüsse zerkleinern. Vor allem wegen des starken Gebisses zählen A. boisei, A. robustus und A. aethiopicus - zu den 'robusten' Australopithecinen, die manche Forscher in eine eigene Gattung (Paranthropus) stellten.
Die robusten Australopithecinen mit all ihren morphologischen Eigenheiten kommen für eine Weiterentwicklung zur Gattung Homo nicht in Frage und enden mit ihrem spätesten Vertreter A. boisei in einer Sackgasse. Der Ausgang zur weiteren Hominidenevolution zum "early homo" ist mit größerer Wahrscheinlichkeit im A. afarensis-Verwandschaftskreis - oder in der großen Variation des grazilen Australopithecus africanus-Kreises zu suchen.
II) early homo: Homo habilis und Homo rudolfensis
Jonathan
Leakey fand 1960, in der selben Fundschicht wie den robusten Australopithecus
boisei (OH 5 "Dear boy", "Nut-cracker", Alter: ca. 1,8 Mio. a) Olduvai
Hominid 7, bestehend aus zwei weitaus weniger robusten Schädelknochen mit
dazugehörigem Unterkiefer ("Jonny´s Child") und einigen Handknochen.
Leakey taufte mit diesem Fund die neue Art Homo habilis, dem
"handy man" und glaubte hier den ersten werkzeuggebrauchenden Menschen gefunden
zu haben - Funde von Geröllwerkzeugen aus Olduvai werden mit ihm in
Zusammenhang gebracht. Das Alter der ersten Olduvai-Funden von Homo habilis
wurde zwischen 1,5 und 1,8 Millionen Jahren datiert. Spätere Funde aus Olduvai, Omo (Athiopien),
Koobi Fora (Kenia) und Sterkfontein zeigten, dass die geographische und
zeitliche Reichweite dieser Art ausgedehnt werden muss.
Aus der Wölbung der Schädeldachfragmente von OH 7 konnte ein Gehirnvolumen von 680 ccm berechnet werden. Das ist deutlich mehr als bei den Australopithecinen. In vieler Hinsicht ist er ihnen jedoch noch sehr ähnlich. Das Gesicht ist noch primitiv, aber es springt weniger hervor als bei A. africanus. Die hinteren Zähne sind kleiner, aber noch beträchtlich größer als beim modernen Menschen. Die Gehirngrößen variieren zwischen 500 und 800 Kubikzentimeter. Diese Variationsbreite überlappt im unteren Bereich die Australopithecinen und im oberen Bereich den Homo erectus.
Was hebt Homo habilis von den Australopithecinen ab:
aufgewölbteres Neurocranium, höheres Gehirnvolumen
Gesicht kleiner, weniger Prognathie, Kaumuskulatur reduziert, keine Crista sagittalis
menschenähnlicheres Gebiss, Zähne kleiner mit dünnerem Schmelz, Zahnbogen wird paraboler
Werkzeugherstellung aus Geröll
Durch immer mehr Funde, vor allem aus Koobi Fora nahm die Variabilität innerhalb der Homo habilis zugeordneten Formen immer stärker zu. Während die anatomischen Merkmale dieser Formen in Olduvai recht einheitlich ausgebildet sind, entzündete sich die Diskussion immer wieder an Schädeln aus Koobi Fora (Kenia). KNM-ER 1470 (1,8 Mio. J): Der Schädel ist in einiger Hinsicht überraschend modern, die Gehirnschale ist viel größer und weniger robust als bei irgendeinem anderen Habilis-Schädel, ca. 775 Kubikzentimeter Gehirnvolumen werden angegeben. Andererseits fehlen die großen Augenbrauenwülste, wie sie typisch für Homo erectus sind. Das Gesicht ist sehr groß, flach und robust und auch das Gebiss ist eher ursprünglich (große Zähne). Zusammen mit anderen Funden wurde KNM-ER 1470, der "Man vom Rudolfsee", in eine eigene Spezies gestellt, nämlich Homo rudolfensis. Datierung: ca. 2,5 bis 1.8 Millionen Jahre - damit der älteste Vertreter der Gattung Homo. Er spielt in vielen Rekonstruktionen der Stammesgeschichte des Homo sapiens eine entscheidende Rolle
III) Homo ergaster / Homo erectus - Out of Afrika 1
Verstärkung der Schädelbasisknickung
Tiefere Lage des Foramen magnum
Veränderung der Proportionen des Hirn- und Gesichtsschädels
Bau des Kiefergelenkes und rundliche Zahnbogenform
Reduktion der Zahngröße
keine typische Kinnbildung
typische ausschließlich asiatische Entwicklung des Homo erectus:
"frontal keeling"(= kielförmige Aufwölbung der Saggitalnaht)
parasaggitale Depression
Sulcus supraorbitalis (postorbitale Einschnürung)
Sulcus occipitalis
dicke Schädelknochen
Eine wichtige Frage ist, wann und wie H. ergaster aus Afrika im Zuge einer Auswanderungswelle nach Asien und Europa kam, und wo letztendlich die Weiterentwicklung in Richtung Homo sapiens stattfand.
Anfangs glaubten die Wissenschaftler, die Hominiden hätten Afrika erstmals vor etwa einer Million Jahre verlassen. Dann galten fossile Überreste und Werkzeuge aus Ubeidija im Jordantal als die ältesten Hinweise für den Exodus afrikanischer Hominiden. Demnach hätte Homo Afrika erstmals vor rund 1,3 bis 1,4 Millionen Jahren verlassen und sich erstmals über Europa und Asien ausgebreitet.
Als man in Zentralchina menschenartige Zähne und Werkzeuge entdeckte, die auf 1,8 Millionen Jahre geschätzt wurden, war dies sensationell. Denn die damit ältesten Funde außerhalb Afrikas deuteten erstmals an, dass die Wanderungen des Homo erectus bereits erheblich früher erfolgt sein dürften. Allerdings ist die systematische Zugehörigkeit dieser chinesischen Funde aus der Longgupo-Höhle bis heute umstritten.
Ahnlich umstritten waren lange Zeit auch Datierungen von indonesischen Homo-erectus-Funden von der Insel Java, die heute auf 1,6 und 1,8 Millionen Jahre datiert werden (Modjokerto, Sangiran). Ist damit nicht sicher, dass Homo ergaster bereits viel früher den afrikanischen Kontinent verlassen hat?
Ein neuer Fundplatz setzte in jüngster Zeit neue Akzente in dieser Diskussion. Bereits 1991 wurde ein erectus-Fund im Kaukasus als Hinweis auf einen deutlich früheren Zeitpunkt der ersten Auswanderung von Menschen aus Afrika gewertet. Im Rahmen eines deutsch-georgischen Forschungsprojekts fand man in Dmanisi, Georgien ein vollständig bezahntes Unterkiefer und 1999 zwei Schädel, die aufgrund ihrer Merkmale und ihres Alters Homo ergaster zugerechnet werden. Aus radiometrischen Daten und den Ergebnissen paläomagnetischer Untersuchungen konnte für diese Funde ein Alter von rund 1,75 Millionen Jahren abgeleitet werden
Aufgrund der bekannten Funden zwischen Kaukasus, China und Indonesien lässt sich eine Szenario zeichnen, in dem Homo ergaster vor über zwei Millionen Jahren in Afrika entstanden ist und wenig später im Zuge einer Auswanderungswelle begonnen hat auch Europa und Asien zu besiedeln.
Out of Afrika oder multiregionale Entwicklung?
Einige Anthropologen (z.B. Milford Wolpoff, Alan Thorne,..) gehen davon aus, dass Homo erectus in den einzelnen Regionen der Alten Welt Ausgangspunkt für die weitere Evolution zum modernen Menschen ist. Die Hominidenfunde des "Pekingmenschen' und des "Javamenschen', die seit ihrer Entdeckung um die Jahrhundertwende zu den ältesten Funden menschlicher Fossilien gehören, sind Teil dieser in der Fachwelt kontrovers diskutierten 'multiregionalen'-Hypothese zur Entstehung des Menschen. Homo erectus hätte sich demnach nach seinem Auszug aus Afrika in verschiedenen Regionen der Erde unter ständigem genetischen Austausch zwischen den Populationen zum "archaischen Homo sapiens" (siehe IV) und schließlich zum modernen Homo sapiens gewandelt. Der anatomisch moderne Mensch hätte sich - vom Aborigines bis zum Zulu - jeweils in den unterschiedlichen Regionen der Alten Welt parallel entwickelt. So könnte sich der Europäer also beispielsweise im Wesentlichen aus dem Neandertaler entwickelt haben.
Eine Vielzahl von Anthropologen (z.B. Chris Stringer) sind demgegenüber vom 'Out of Africa'-Modell überzeugt. Sie nehmen an, dass sich der anatomisch moderne Mensch in Afrika ausgehend von Homo ergaster (über H. antecessor?, H. heidelbergensis, s.u.) entwickelte und erst in einer zweiten Migrationswelle vor rund 100.000 Jahren aus Afrika auswanderte. Über den Nahen Osten habe er sich in Eurasien auf der gesamten Erde ausgebreitet und dabei die älteren Hominidenformen wie etwa den Neandertaler in Europa oder den Pekingmenschen in China verdrängt.
IV) Homo heidelbergensis, "archaischer Homo sapiens"
Von einigen Fundstellen aus Europa sind Hominiden bekannt, die anatomisch eine Zwischenstellung von Homo erectus und Homo sapiens einnehmen und daher manchmal als "archaischer Homo sapiens" bezeichnet werden.
Der Kiefer von Mauer: Im Jahre 1907 wurde in Mauer, in der Nähe der deutschen Stadt Heidelberg, ein Unterkiefer entdeckt. Lange Zeit zählten diese ungewöhnlich robuste Mandibel, deren Alter auf ungefähr 650.000 Jahre eingeschätzt wird zu den ältesten europäischen Fossilien. Er weist sowohl primitive Merkmale ( z.B. Robustheit) als auch moderne Merkmale (z.B. Größe der Molare) auf.
In Arago, im südöstlichen Frankreich, fand man einen stark deformierten Schädel ("Arago 21") zusammen mit einigen Steinwerkzeugen, mit einem geschätzten Alter von 400.000 Jahren. Der Fund zeigt Stringer zufolge schon eine deutliche Weiterentwicklung zum Neandertaler.
Auf ein ähnliches Alter (300.000 - 400.000 Jahre) ist ein Fund in Griechenland, in Petralona datiert. Es handelt sich hierbei um ein vollständig erhaltenes, sehr großes und robustes Schädelexemplar, das ein Mosaik aus archaischen und modernen Merkmalen aufweist:
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Torus supraorbitalis
Postorbitale Einschnürung
Gesichtsmorphologie eher neandertalerartig (vorspringend)
Schädelkapazität: 1250 - 1266 ccm
Ungefähr 400.000 Jahre ist das Alter eines Schädels, den man relativ komplett in Steinheim gefunden hatte.
Lange Zeit wurden viele dieser mittelpleistozänen Fossilien in einer unklar definierten Gruppe, dem 'archaischem Homo sapiens' zugeordnet, bis man sie schließlich unter dem Namen 'Homo heidelbergensis', nach dem Unterkiefer in Mauer ins System der Hominiden einordnete. Diese Art galt lange Zeit als letztes Bindeglied zwischen dem modernen Menschen und dem Neandertaler.
V) Die Funde von Atapuerca; Homo antecessor
1976 stießen Forscher in der Höhle "Sima de los Huesos" bei Atapuerca in Nordspanien auf höchst interessante menschliche Fossilien. Handelte es sich zunächst vor allem um kleinere Fragmente und Zähne, so wurde 1992 sogar drei gut erhaltene Schädel gefunden. Die Morphologie dieser Schädel unterscheidet sich klar von der des typischen Homo erectus und zeigt in verschiedenen Merkmalen - wie zum Beispiel in der Anatomie des Hinterhaupts - deutlich erkennbare Anklänge an die Morphologie des Neandertalers. Bis heute wurden in den 200.000 bis 300.000 Jahren alten Ablagerungen rund 1600 menschliche Fossilien entdeckt, die mindestens 32 Individuen zuzurechnen sind.
Damit ist die Fundstelle von "Sima de los Huesos" bei weitem die größte bekannte Ansammlung von mittel-pleistozänen menschlichen Fossilien überhaupt.
Auffallend bei diesen - vielleicht alle zu einer Population gehörenden - Individuen ist die große Variationsbreite in vielen wesentlichen Merkmalen. So finden sich z.B. große Differenzen in der Schädelkapazität zwischen den erwachsenen Individuen (1,390 ccm in Cranium 4, 1,125ccm in Cranium 5).
Die Exemplare von Simo de los Huesos gehören möglicherweise zur mittel-pleistozänen Art Homo heidelbergensis.
Eine weitere sehr bedeutende Fundstelle der Sierra de Atapuerca ist die Höhle "Gran Dolina". Die acht Meter mächtigen Grabungsschichten sind reich an menschlichen Fossilien, Artefakten und Fauna. So findet in den untersten Lagen der Gran Dolina das Kleinsäugetier Mimomys savini, das vor ungefähr einer halben Mio. Jahren ausgestorben ist und ein Marker für das Pleistozän darstellt. Schließlich ergaben paläomagnetische Untersuchungen der Dolina, das die Schichten, die menschliche Fossilien enthalten, mehr als 780.000 Jahre ( Unteres Pleistozän) alt sind.
Die Hominiden der Gran Dolina zeigen eine einzigartige Kombination
von archaischen und modernen Schädel-, Kiefer- und Zahnmerkmalen:
einige Fossilien weisen am Gesichtsschädel eine Fossa canina auf. Diese Wangengrube ist ein wichtiges morphologisches Kennzeichen des anatomisch modernen Menschen. Weder Homo erectus, noch Homo heidelbergensis, noch die Neandertaler weisen diese Fossa canina auf. Erst bei den Fossilien moderner Menschen aus Afrika und dem Nahen Osten, mit einem Alter von 130 - bis 100.000 Jahren, hatte man die fossa canina identifiziert.
kräftiger, doppelt geschwungener Überaugenbogen "double arched browridge" wie späterer Neandertaler bzw. chinesischer H. erectus
Gehirnvolumen von ca. 1000 ccm
Reduzierte Dicke des Corpus mandibulare (verglichen mit ergaster oder frühen erectus)
Kleine Postcanine, die in ihrer Variationsbreite innerhalb von ergaster/erectus liegend
Schaufelförmige Incisivi
Mäßiger Taurodontismus (charakteristisch für erectus und heidelbergensis)
Große I2 in der Dimension an heidelbergensis erinnernd
Diese verblüffende Mischung aus ursprünglichen und modernen Merkmalen, sowie das hohe Alter der Fossilien machen es unmöglich, sie einer bestehenden Spezies zuzuordnen. Aus diesen Gründen publizierte das Forschungsteam von Atapuerca 1997 in Science die Resultate der morphologischen und stammesgeschichtlichen Analysen und als Konklusion die Einführung einer neuen Spezies, Homo antecessor. Dies erforderte allerdings auch eine Umgestaltung des Hominidenstammbaumes. Nicht mehr Homo heidelbergensis, sondern Homo antecessor repräsentiert dann den letzten gemeinsamen Vorfahren des Neandertalers und des modernen Menschen.
Homo antecessor könnte sich in Afrika vor etwas mehr als einer Million Jahren aus Homo ergaster entwickelt haben. In weiterer Folge haben manche Populationen Afrika verlassen und sind in die Alte Welt eingewandert. Bis heute ist seine Präsenz lediglich in Europa gesichert. Seine evolutionäre Weiterentwicklung führte in Europa zu Homo heidelbergensis, die hiermit im engeren Sinne nur auf Europa beschränkt wäre, und dann schließlich zu den Neandertalern. Entsprechend dieser Hypothese brachte die Evolution derjenigen Gruppen, die aber in Afrika verblieben waren, die Linie hervor, aus der in späterer Zeit Homo sapiens, der anatomisch moderne Mensch entstanden ist.
Theoretische Kandidaten dieser Entwicklungslinie wären dann die afrikanischen Funde, wie etwa :
Bodo (Athiopien; 600.000 J.)
Ndutu (Olduvai; 400.000 J.)
Broken Hill (300.000 J)
die dann einer eigenen Kategorie, etwa H. rhodesiensis, zugeordnet werden könnten.
VI) Homo sapiens - Out of Afrika 2
Nach der Out of Afrika Hypothese sind Populationen anatomisch moderner Menschen aus Afrika in einer 2. Migrationswelle über die Levante, die arabische Halbinsel, nach Europa und Asien ausgewandert. Sie verdrängten mit der Zeit die in Europa (aus früheren Migrationen) ansässigen Bevölkerungen. Diese Theorie stützt sich auf die ältesten Funde des anatomisch modernen Menschen, in Afrika z.B.:
Omo Kibish ( Athiopien; ca. 130.000 J.)
Klasies River (S-Afrika; ca. 140.000 J.)
Border Cave (S-Afrika; ca. 100.000 J.)
Die frühesten Zeugnisse moderner Menschen außerhalb Afrikas stammen aus dem Nahen Osten. Fossilien von den Fundstellen bei Skhul und Qafzeh in Israel datieren auf etwa 100 000 Jahre. Frühe moderne Menschen koexistierten anscheinend mit den Neandertalern im Nahen Osten über 50 000 Jahre. Sie breiteten sich erst vor rund 40.000 Jahren nach Europa aus. Überreste wurden in Velica Pécina (Kroatien), Mladec und Zlaty Kun (Tschechien), Stetten (Deutschland) sowie Cro-Magnon (Frankreich) gefunden. Der früheste Beleg moderner Menschen in Ostasien stammt aus der Niah Cave in Borneo und ist 40 000 Jahre alt.
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