Camille
Saint - Saens (1835 - 1921)
Über mehr als achtzig Jahre erstreckte
sich - die kompositorische Karriere von Camille Saint-Saens. Sein erstes Klavierstück komponierte er als
Dreijähriger. Bereits 1853 wurde seine
erste Sinfonie uraufgeführt. Am Anfang
seiner Laufbahn war Saint-Saens in gewissen Kreisen als Avantgardist und
Neutöner verschrien; im Alter galt er, zu seinem eigenen Entsetzen, als Fossil
aus einer anderen Epoche. Im Grunde war
Saint-Saens zeitlebens eine unzeitgemäße Erscheinung. In einer Epoche des übersteigerten
Individualismus schrieb er eine transparente, sachliche Musik. Formale Klarheit rangierte bei ihm vor
romantischer Selbstentäußerung. Oft hat
man ihn daher der Oberflächlichkeit geziehen - ein Vorwurf, den Saint Saens
insofern zu bekräftigen schien, als ihm das Komponieren keineswegs der allein
selig machende Lebensinhalt war. Neben
seiner kompositorischen Arbeit betätigte er sich mit großem Ehrgeiz als
Pianist, Pädagoge, Schriftsteller, Astronom und Herausgeber alter Musik (Rameau
- Gesamtausgabe). Aufgrund seiner
enormen technischen Versiertheit bereitete ihm das Komponieren keine Mühe. »Ich
produziere Musik wie ein Apfelbaum seine Apfel«, bekannte er einmal. Bis ins hohe Alter hat sich Saint-Saens seine
Offenheit gegenüber neuartigen Genres bewahrt; so komponierte er 1908 die erste
Original-Filmmusik der Musikgeschichte.
Le Carnaval de Animaux:
Camille Saint-Saens pflegte nahezu jede
musikalische Gattung, und alle seine Werke zeichnen sich durch handwerkliche
Meisterschaft, reizvolle Melodik und klare Strukturen aus. Zwar fehlt es seiner Musik an der Tiefe und
Ernsthaftigkeit eines César Franck, und kühne Neuerungen, wie wir sie bei
Berlioz finden, enthält sie nirgends, dafür besticht sie aber durch natürlichen
lyrischen Ausdruck, einfühlsame Behandlung der instrumentalen Charaktere und
durch makelloses Formgefühl.
,Der Karneval der Tiere», 1886
komponiert, wurde zu einem der bekanntesten Werke des Komponisten, obwohl es
nur als jeu d'esprit für ein Mardi-Gras-(Fastnachts-)Fest geschrieben wurde und
obwohl Saint-Saens jede weitere öffentliche Aufführung zu seinen Lebzeiten
verbot. Nur im Falle des Schwans' gab er
dem Drängen der Öffentlichkeit nach und nahm dieses Stück als einziges von
seinem Verbot aus. Das Werk trägt den
Untertitel Große zoologische Phantasie'. Es besteht aus 14 kurzen Vignetten - Charakterporträts, wie man sie auch
nennen könnte. Die Partitur verlangt
Flöte und Pikkoloflöte, Klarinette, Xylophon, Glasharmonika, Streicher und zwei
Klaviere. Mit diesem Ensemble erzielt
Saint-Saens eine Vielzahl von Klangfarben, zum Erstaunen ebenso wie zum
Vergnügen des Zuhörers. Er bedient sich
einiger geschickt gewählter Zitate, wenn er glaubt, daß der Einfallsreichtum
anderer Musiker seinem eigenen unerschöpflichen Humor weiteren Reiz verleihen
kann.
Ein paar lebendige Einleitungstakte
stimmen uns auf den Auftritt des ersten Tieres (Löwe) ein, den die Streicher
vorstellen. Die Klaviere setzen einige
farbige Akzente, ehe sie selbst die Hauptrolle übernehmen. - In ,Hühner und
Hähne' bewirkt die Instrumentierung eine verblüffend genaue
Naturdarstellung und in Wildesel' sorgt die glänzende Klaviertechnik für
lärmende Ausgelassenheit. - Die polternde Orchestrierung der ,Schildkröten' ist
eine satirische, vergnüglich paradoxe Bearbeitung des Can Can aus Orpheus in
der Unterwelt'. Kontrabässe sind
die überzeugenden Darsteller der heiteren Parodie Der Elefant', deren Pointe
durch ein Zitat aus Berlioz' Ballet des Sylphes' betont wird. - Das Stück
,Känguruhs' wird nur von den zwei Klavieren gespielt, welche verschiedene
Klangfarben geschickt und überraschend abstufen. Sodann drücken gedämpfte Streicher,
Klavierfiguren und die farbigen Holzbläserstimmen die Vorstellung von Wasser
und Fischen im Aquarium' aus.
Darauf folgt eine weitere geistreiche
Szene, nämlich 'Persönlichkeiten mit langen Ohren', worin unschwer der
Eselsschrei auszumachen ist. Klarinetten und Klaviere malen danach eine
Waldszene und stellen den ,Kuckuck in den Tiefen der Wälder' dar, bevor
Flöte, Streicher und die Klaviere sich zur einfühlsam nachahmenden Unterhaltung
in den Vogelhäusern' zusammenfinden. - Die Satire tritt wiederum in Pianisten'
auf den Plan, wo absichtliche' Fehler zugelassen sind, und sie setzt sich fort
in Fossilien'. Dieser Titel bezieht sich
vermutlich auf die hier parodierten Themen - unter anderem auch eines von
Saint-Saens selbst. - Das vorletzte Stück, Der Schwan', ist zu Recht so
berühmt - eine poetische Melodie, die den Traum eines jeden Cellisten
Wirklichkeit werden läßt. Das Werk endet
in der ausgelassenen Heiterkeit des Finale', das da und dort auch bereits
früher vorgestelltes Material wieder aufgreift.