Angkor - Residenz der Khmer
Unter dem Einfluß der Kulturen Indiens, Chinas und Javas entstand das Reich der
Khmer, das seinen Ursprung im heutigen Kambodscha hatte. Während der
Khmer-Herrschaft wurden wichtige Regierungszeiten durch die Gründung neuer
Königsstädte angezeigt. In der Hauptstadt Angkor waren die Tempel Angkor Vat
und Bayon für die Verehrung, aber auch für den Gedächtniskult des Gottkönigs
angelegt. Die Bedeutung des Königs ergab sich aus seiner Funktion als
Vermittler zwischen seinem Volk und den Göttern.
Die Bedrohung Angkors durch die Thai und die Tscham konnte König Jayavarman
VII. aufhalten. Unter seiner Regierung vollzog sich eine Glaubensrenaissance, bei
der die systematische Interpretation des Universums durch den Hinduismus um
Moral, Barmherzigkeit und Erlösungshoffnung des Buddhismus ergänzt wurde. Die
Erlösung nach dem Tod und die Vergöttlichung des sterblichen Menschen wurde in
den gigantischen Tempelbauten Angkors erfleht.
Bildhafter Ausdruck sind die graziösen Skulpturen nymphenhafter Figuren
(Apsaras, Devatas) mit nackten Brüsten und Hals- und Kopfschmuck, die mit ihrer
Sinnlichkeit die Götter ergötzen und die Seligen mit ewigem Glück belohnen sollten.
Durch karitative Stiftungen zeigte Jayavarman VII. Fürsorge für das ganze Volk.
Die Produktivität der Arbeitskräfte wurde nicht nur durch ideologische, sondern
auch durch soziologische Faktoren gesteigert. So war zwar die Rangordnung in
der Verwaltung des Landes rigide, es fehlte aber die Gliederung der
Gesellschaft in Kasten (wie in Indien), wodurch auch die Bildung von
Feudalklassen vermieden wurde. Die Freizügigkeit der Gesellschaft bewirkte -
zusammen mit der kollektivistischen Wirtschaftskultur - eine hohe
Leistungsfähigkeit der Khmer, die sich nicht zuletzt in ihren Städten zeigte.
In der von Jayavarman VII. gegründeten Stadt Angkor Thom (»Angkor die Große«)
wurden die früheren wasserbaulichen Anlagen in einem System von Kanälen
verbunden und somit der Wohlstand des Landes gesteigert. Dieser beruhte vor
allem auf den in der Nahrungsmittelproduktion erzielten Überschüssen. Mit Hilfe
von künstlichen Seen (Barays), deren Wasserniveau durch Dämme erhöht lag,
wurden in der sechs- bis achtmonatigen Trockenperiode die Reisfelder ständig
mit frischem Wasser versorgt. In der Folge wurde nicht nur die Unterwerfung des
Menschen unter den Naturrhythmus kompensiert, sondern es war auch ein
intensiver Reisanbau mit drei Ernten jährlich möglich, weil zusätzlich die
zeitsparende Methode des Pikierens, des Umpflanzens von gekeimten Schößlingen,
praktiziert wurde. Durch den Handel mit indischen und chinesischen Kaufleuten
konnte der notwendige Gewinn für die enormen Bau- und Verwaltungsausgaben der
Khmer-Reiche erzielt werden.
Symbolisch wurde in der Anlage der Stadt Angkor Thom das hinduistische Thema
des »Butterns der Milchmeere« dargestellt: Der Kampf der Höllendämonen und der
Götter (Straße der Riesen), die eine ungeheure Schlange (naga) umfassen und an
ihr zerren, symbolisiert den Schöpfungsakt der Erde, den die mit Vishnu
verglichenen Khmer-Könige zu Überfluß (amrita) und Glück für ihr Volk
weiterführen sollten.