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Referat Lösungsversuche der "sozialen Frage" in Österreich - DIE RUSSISCHE REVOLUTION, DER STALINISMUS

geschichte referate

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Lösungsversuche der "sozialen Frage" in Österreich

Bis 1848 hatten die Arbeiter keinerlei politischen Rechte und wurden ausgebeutet (niedrige Löhne, Frauen- und Kinderarbeit, Trucksystem, kein Schutz bei Krankheit und Alter, Arbeitstag von 12 bis 16 Stunden ohne Sonntagsruhe, Wohnungsmisere,). Die ersten Versuche, sich zu organisieren, scheiterten 1848 (Revolution).

Als Österreich 1867 eine Verfassung erhielt (Zensuswahlrecht!) und die allgemeinen Menschenrechte (Meinungsfreiheit, gleiches Recht ) verkündet wurden, konnten Arbeitervereine, später auch Konsumvereine entstehen.  Sie durften sich jedoch nicht überregional zusammenschließen, keine politische Tätigkeit ausüben und wurden polizeilich überwacht. De facto aber waren sie bereits an Karl Marx orientiert.

Vereine zur Erlangung besserer Lebensbedingungen oder höherer Löhne wurden erst nach Demonstrationen 1870 gestattet (Koalitionsrecht, Streikrecht) - Gewerkschaften entstanden Diese nahmen neben der Vertretung der Arbeiter auch soziale Aufgaben wahr (Kranken- und Invalidenkassen). Bald schlossen sie sich zu größeren Fachvereinen zusammen, die z.B. Kollektivverträge für die Arbeiter abschlossen. 1893 kam es zum ersten Gewerkschaftskongreß, auf dem bereits 194 selbständige Gewerkschaften vertreten waren.

Bis 1879 regierten die Liberalen in Österreich, auf ihre Initiative ist die Verfassung von 1867 zurückzuführen. Es setzte nun für ein paar Jahre ein Wirtschaftsboom ein ("Gründerzeit"): Das Eisenbahnnetz der Monarchie wurde verdoppelt, es kam zu einem Bauboom, besonders in Wien, angeregt durch die Bevölkerungsexplosion und die Weltausstellung 1873 - 40% der Miethäuser am Ring wurden in dieser Zeit errichtet und die meisten Prunkbauten begonnen: Rathaus, Burgtheater, Parlament, Universität, Hofmuseen, Börse.

Die Liberalen trafen aber kaum Maßnahmen zur Verbesserung der sozialen Lage der Arbeiterschaft (nur Arbeitsverbot für Kinder unter 10 Jahren, höchstens 10 Std. bis 14 Jahre - aber kaum kontrolliert) - nach ihrer Theorie der Wirtschaftsfreiheit sollte sich der Staat in den Vertrag zwischen Arbeitern und Unternehmern nicht einmischen:

Bezüglich der Regelung der Arbeitszeit für erwachsene, eigenberechtigte männliche, Arbeiter müssen Eingriffe der Gesetzgebung in die freie Entwicklung dieser Verhältnisse, soweit es sich nicht etwa ganz ausnahmsweise um die Verhinderung staatspolizeilich unzulässiger  Mißbräuche handelt, als eine Verletzung der Freiheit des mündigen Staatsbürgers angesehen werden.

(Anmerkungen zu einem Gesetzesentwurf 1869)

Die Lage der Arbeiter verschlimmerte sich in dieser Zeit eher noch, wie z.B. die Rekrutierungen zeigen: Von je 1000 untersuchten Militärpflichtigen waren untauglich:


1873 kam es zu einer großen Wirtschaftskrise, ausgelöst durch überhitzte Spekulation (Börsenkrach!) und Mißernten, begleitet von einer Choleraepidemie (436000 Tote in Ö.-U.). 1879 wurde die Reihe liberaler Regierungen durch die konservative Regierung Taaffe (1379-93) abgelöst, die sich vor allem des Kleinbürgartums annahm. Sie führte (neben Repressionen gegen (Marxisten) auch positive staatl. Maßnahmen zugunsten der Arbeiter durch.

In den siebziger Jahren schuf Karl Freiherr von Vogelsang mit seinem Sozialprogramm die Grundlage für eine christlichsoziele Bewegung. Sie wurde gestützt durch ein Rundschreiben Papst Leos XIII., "Rerum novarum" (1891). Leopold Kunschak (Wiener Sattlergehilfe) schloß 1892 verschiedene katholische Gesellenvereine (die es schon seit 1846 in Anlehnung an Ad. Kolping gab) zum "christlichen Arbeiterverein" zusammen, der sich 1907 an die Christlichsoziale Partei anschloß.

Diese Partei entstand aus verschiedenen christl. Vereinen des Kleinbürgertums (kleine Gewerbetreibende, Handwerker); ihr Programm: Gegen den Liberalismus, für die katholische Soziallehre, Prinzip der Subsidiarität (übergeordnete Gemeinschaft soll nur Aufgaben erfüllen, die von untergeordneter nicht erfüllt werden kann), Betonung der Familie. Die Christlichsozialen werden 1895 zur stärksten Partei im Wiener Gemeinderat Karl Lueger konnte als Bürgermeister bis 1910 ein großes Kommunalprogramm verwirklichen, Kommunalisierung der Energieversorgung und des öffentl. Verkehrswesens, 2. Hochquellwasserleitung, Errichtung vieler Schulen und Spitäler, Schaffung das Wald- und Wiesengürtels (1905).

DIE RUSSISCHE REVOLUTION

Ursachen

Aufhebung der Leibeigenschaft (1861), dadurch Verarmung vieler Bauern.

Industrialisierung, dadurch ausgebeutete Arbeiter (um 1900: ca. 3 Mill.)

Alleinherrschaft das Zaren (russ. Herrschers), gestützt auf Adel und Beamte, dadurch unzufriedene Bürger

Niederlagen im 1. Weltkrieg, Hungersnot.

Verlauf

Um 1900 Parteitage der russischen sozialdemokratischen Arbeiterpartei, die sich auf die Lehren von Marx/Engels beruft; die "Bolschewiki" (= "Mehrheitler") setzen sich unter der Führung von Lenin (1870-1924) durch: Sie fordern Revolution, die von einer Partei der Arbeiterklasse geführt werden müsse, gestützt auf die armen Bauern. Diese Partei solle zunächst eine Diktatur errichten, bis die Menschen von selbst erkennen würden, daß das sozialistischen System am besten sei für sie.

1917: Bürgerliche Revolution

Der Zar muß abdanken, eine bürgerliche Regierung wird gebildet. Gleichzeitig bestimmen aber in den Städten Arbeiter- und Soldatenräte ("Sowjets") - also eine "Doppelregierung". Lenin wird im April in Rußland eingeschleust. Er legt die Ziele der Bolschewiki fest: Beendigung des Krieges; Errichtung einer Sowjetrepublik; Nationalisierung von Grundbesitz und Banken; Kontrolle der Produktion. Die Unzufriedenheit nimmt nicht ab, weil die bürgerliche Regierung weder den Krieg beendet noch eine Bodenreform durchfuhrt. Daher:

November 1917: Sozialistische Revolution (Oktoberrevolution)

Arbeiter- und Soldatenräte übernehmen die Macht, die Bolschewiki gewinnen darin die Mehrheit. Reformen: Bodenenteignung, Landverteilung, sofortiger Friedensschluß (Gebietsverluse!). Bei freien Wahlen werden die Bolschewiki nur zweitstärkste Partei; sie schaffen daher eine "Diktatur das Proletariats" bzw. eine "Räterepublik". Betriebe und Banken werden verstaatlicht, die Güter zentral verteilt.

1919-1920 Bürgerkrieg: Die Rote Armee unter Trotzki siegt.  Seit 1922 - "UdSSR".

Quellen zur "Diktatur des Proletariats"

Die Diktatur ist eine sich unmittelbar auf Gewalt stützende Macht, die an keine Gesetze gebunden ist. Die revolutionäre Diktatur des Proletariats ist eine Macht, die erobert wurde und aufrechterhalten wird durch die Gewalt des Proletariats gegenüber der Bourgeoisie, eine Macht, die an keine Gesetze gebunden ist.

Die Sowjets sind die russische Form der Diktatur des Proletariats.

(W.I. Lenin: Die proletarische Revolution und der Renegat Kautsky)

Sozialistiscne Demokratie beginnt nicht erst im gelobten Land, wenn der Unterbau der sozialistischen Wirtschaft geschaffen ist, als fertiges Weihnachtsgeschenk für das brave Volk Sozialistische Demokratie ist nichts anderes als Diktatur des Proletariats. Jawohl, Diktatur aber diese Diktatur besteht in der Art der Verwendung der Demokratie, nicht in ihrer Abschaffung, in energischen, entschlossenen Eingriffen in die wohlerworbenen Rechte und wirtschaftlichen Verhältnisse der bürgerlichen Gesellschaft, ohne welche die sozialistische Umwälzung sich nicht verwirklihen läßt.  Aber diese Diktatur muß das Werk einer Klasse und nicht einer kleinen, führenden Minderheit im Namen der Klasse sein.

(Rosa Luxemburg: Die russische Revolution)

DER STALINISMUS

In der Nachfolge Lenins setzte sich Stalin durch; ab 1929 wer er praktisch Alleinherrscher. Seine Diktatur fand ihren Niederschlag in Presse, Rundfunk, Literatur und bildender Kunst, in Lobpreisungen und hymnenhaften Verherrlichungen seiner Person als "Führer" und Genius der Menschheit. Dieser Personenkult war von blutigen "Säuberungen" von Millionen "Gegnern" (u.a.Trotzkij) begleitet; mindestens 800 000 Parteiangehörige und die Hälfte aller Offiziere wurden getötet. 1936-38 wurde ein Großteil der alten Führungsgarnitur in großen "Schauprozessen" hingerichtet.  Stalins Stütze war eine "neue Klasse" aus technischer Intelligenz, Bürokratie und Militär, die auch Privilegien bekam.

Im Bereich der Wirtschaft gelang es Stalin, mit Hilfe von Fünfjahresplänen innerhalb von zwei Jahrzehnten den russischen Agrarstaat in den zweitgrößten Industriestaat der Erde zu verwandeln.

Der erste Fünfjahresplan wurde 1928 in Kraft gesetzt: Mehrere hundert Wissenschaftler und Praktiker hatten zunächst empirisch alle vorhandenen Fabriken, Anbauflächen usw. und ihre Leistungen festgestellt, und von da aus Planziele berechnet, auch neue Produktionsarten geplant. Ein zweites Ziel war eine Verstärkung der Sozialisierung (die Privatwirtschaft sollte zurückgehen).

Ganz im Vordergrund stand die Produktionsgüterindustrie (für den Konsum sollte angespart werden - Sparkassen wurden errichtet). Leistungsanreize zusätzlich zu den in Aussicht gestellten Steigerungen des Volkseinkommens waren Prämienverteilungen, Auszeichnungen usw.

Tatsächlich wurden die Pläne z.T. erfüllt oder übertroffen, aber in anderen Teilen gar nicht, wodurch es zu Differenzen kam, die von neuen Plänen ausgeglichen werden mußten.

Besonders das zweite Ziel wurde nur unter großen Opfern erreicht: Verstaatlichungen waren z.T. überstürzt, die Kulaken (russ. Großbauern) reagierten unwillig, indem sie z.B. Sowchosen sabotierten oder vor Eintritt in die Sowchose das eigene Vieh schlachteten; daraufhin befahl Stalin die "Liquidierung der Kulaken als Klasse", wodurch 1,5 - 2 Milionen Kulaken mit ihren Familien deportiert und zu Zwangsarbeit verurteilt wurden. 1932 gehörten fast 99 % aller Landwirte den Kollektivbetrieben an.

Erfolge und Problematik des Nationalismus

Zusammenschluß kleinerer Länder zu einem Staat

Entstehung einer deutschen Nation

Das "Heilige Römische Reich" mit einem Habsburger an der Spitze bestand bis zu den napoleanischen Kriegen, allerdings hatte der Kaiser in den. zahllosen kleinen Fürstentümern wenig Macht. Es hatten sich zwei starke Mächte herausgebildet, nämlich Preußen (mit einem König an der Spitze) und Österreich (seit 1804 Kaisertum, durch kluge Heiratspolitik und besonders durch die Türkankriege weit nach S und SO ausgedehnt). Auf dem Wiener Kongreß schuf man einen "Staatenbund" (umfaßt nur Teile Österreichs und Preußens).

Als sich 1848 im Gefolge der Revolution eine "deutsche Nationalversammlung" bildete (auf Einladung liberaler Politiker), wurde das Thema eines einheitlichen deutschen Staates intensiv diskutiert. Das Wesen einer Nation wurde dabei über.die Sprache und die Kultur eines Volkes definiert. Eines der Hauptprobleme war, ob man in diese Nation Österreich als Ganzes einbeziehen sollte ("großdeutsche Lösung"), oder ob man nur die mehrheitlich deutschen Gebiete einschließen sollte ("kleindeutsche Lösung"). Der Führungsanspruch wäre in dieser Nation dann bei Österreich bzw. Preußen gelegen. Preußen entschied schließlich den Führungskampf für sich: Nach dem Sieg über Österreich (Schlacht bei Königgrätz 1866) und über Frankreich (1871) wurde das "deutsche Kaiserreich" proklamiert - mit dem preußischen König als deutschem Kaiser und einem Reichskanzler (damals Otto Bismarck) an der Spitze.

Entstehung Italiens

1858/59 gewann das Königreich Sardinien-Piemont in der Schlacht von Magenta und Solferino (= Anlaß zur Gründung das Roten Kreuzes durch Henri Dunant) gegen Österreich und konnte bis 1860 fast alle Gebiete der Halbinsel ins Königreich integrieren. 1866 kam Venetien, 1870 der Kirchenstaat dazu (Rom wurde besetzt).

Lösung einzelner Staaten aus übernationalen Reichen

Als erstes zeigt das Osmanische Reich Auflösungserscheinungen: 1878 wurden Serbien, Rumänien und Montenegro unabhängig, 1908 Bulgarien, 1913 Albanien. Zu dieser Zeit gärte es auch schon im Habsburgerreich: 1867 kam es zu einem "Ausgleich" mit Ungarn (man hatte nur mehr wenige Ministerien gemeinsam), das Parlament war jahrelang durch den Nationalitätenstreit lahmgelegt. Eine echte Nationsbildung gelang nicht, weil die Einheit eigentlich nur durch den gemeinsamen Kaiser und die Staatsorgane (Bürokratie, Armee) gegeben war. Da die Sprache mehrheitlich deutsch war, erstrebte eine aktive Minderheit, die sich in der "Deutschnationalen Partei" zusammenfand, das "Ziel endlicher Wiedervereinigung der früher zum Deutschen Bund gehörig gewesener Ländergebiete Österreichs mit Deutschland" (Programmentwurf 1868). Noch in der 1. Republik waren die meisten Parteien entweder für die Wiedervereinigung mit Deutschland oder sahen Österreich als "deutschen Staat".

Von Nationalismus können wir dann sprechen, wenn die Loyalität zur Nation gegenüber allen anderen sozialen Bezügen (z.B.: westliche Welt, demokratische Länder, Klasse, ) in den Vordergrund rückt, unter Umständen so stark, daß man dafür zu sterben bereit ist. Die Idiologie des Nationalismus kann der Integration bestimmter Gruppen gegenüber anderen dienen, zum Beispiel um territoriale Schranken zu beseitigen (vgl. Nationsbildung in Italien, Deutschland) oder um sozialen Gegensätzen entgegenzuwirken bzw. sie zu verschleiern (vgl. Nationalsozialismus). Die Idiologie des Nationalismus kann auch der Segration (Absonderung) gegenüber "Fremdnationen" dienen; dies kann bedeuten:

Anspruch auf Dominanz über andere Nationen - diese werden dann gegenüber der eigenen abwertet, um das Selbstwertgefühl zu steigern (vgl. Nationalsozialismus) oder Abwehr solcher Dominanzansprüche, wie das in Autonomiebestrebungen vieler Volksgruppen zum Ausdruck kommt (vgl. Befreiungsbewegungen in den afrikanischen Staaten, Palästinenser, Iren in Nordirland und Südtirolkonflikt in den 60er- Jahren). Oft wollen solche Volksgruppen keine eigene Nation bilden, sondern mit der Mehrheitvolksgruppe friedlich in einem Staat zusammenleben, ohne auf ihre eigene Kultur und Tradition zu verzichten dabei sind sie aber dem Vereinheitlichungsdruck der Mehrheitsbevölkerung ausgesetzt (vgl. Basken in Spanien, Bretonen in Frankreich, Slowenen in Österreich, ).

Der Kampf zwischen Föderalismus und Zentralismus

Das neoabsolutistische System setzte sich durch diese außenpolitischen Mißerfolge einer starken Kritik aus. Gleichzeitig ging der Kampf zwischen den Anhängern des Föderalismus und jenen des Zentralismus weiter. Immer lauter wurde der Ruf nach einer Konstitution, einer Verfassung. Die Deutschliberalen (Angehörige der deutschsprachigen, bürgerlichen Oberschicht) wollten nur eine sehr beschränkte Autonomie der Kronländer zulassen. Als Anhänger des Zentralismus forderten sie einen straff geführten und von Wien aus gelenkten Einheitsstaat mit überwiegend deutschen Beamten.

Ihre Gegner, besonders Tschechen und Ungarn (Magyaren) vertraten den Föderalismus (lat. foedus= Bund), eine Staatsform mit autonomen Einzelstaaten. Sie forderten daher mehr Rechte für die Landtage, in denen mit wenigen Ausnahmen Nichtdeutsche die Mehrheit bildeten. So kam es in den sechziger Jahren zu mehreren Versuchen dem einen oder dem anderen Prinzip zum Durchbruch zu verhelfen

Das föderalistisch orientierte Oktoberdiplom (1860), das vor allem den Ungarn große Zugeständnisse machte, wurde von den Deutschliberalen völlig abgelehnt. Das Februarpatent (1861) vertrat mehr liberales und zentralistisches Gedankengut: Der Reichsrat, das Parlament für den gesamten Staat, bestand aus zwei Kammern, dem Herrenhaus und dem Abgeordnetenhaus. Das Herrenhaus setzte sich aus erblichen und vom Kaiser auf Lebenszeit ernannten Mitgliedern zusammen. Die Mitglieder des Abgeordnetenhauses wurden von den Landtagen entsandt. Die Landtage der einzelnen Kronländer setzten sich aus vier Kurien (lat. = Abteilungen eines Volkes, Interessengruppen) zusammen: Großgrundbesitzer, Handels- und Gewerbekammern, Städte und Märkte, Landgemeinden. Wahlberechtigt waren alle erwachsenen Männer, die mindestens zehn Gulden Steuer zahlten ("Zehnguldemmänner"). Dieses Zensuswahlrecht, an Besitz, Einkommen oder Steuerleistung gebunden, gewährte nur 6% der Gesamtbevölkerung das Wahlrecht.

Nur mit Hilfe dieses undemokratischen Kuriensystems, das die dritte und vierte Kurie zugunsten der ersten sehr benachteiligte und einem sehr großen Teil der Bevölkerung (Fabrikarbeitern,  Landarbeitem, Frauen ) überhaupt kein Wahlrecht zubilligte, glaubten die Deutschen die Mehrheit in den Landtagen und im Abgeordnetenhaus halten zu können. Alle nichtdeutschen Nationen lehnten daher das Februarpatent ab.

Der deutsche Dualismus

1862 war Otto von Bismarck von Wilhelm I zum preußischen Ministerpräsidenten bestellt worden . Dieser wollte die Lösung der "Deutschen Frage" zugunsten Preußens selbst mit Gewalt erreichen. Bewußt verschärfte er den preußisch-österreichischen Konflikt in der schleswig-holsteinischen Frage. Es kam schließlich zum Zweifrontenkrieg Österreichs gegen Preußen und Italien. Wegen der waffentechnischen Unterlegenheit des österreichischen Heeres (Niederlage bei Königgrätz, l866) ging der Krieg verloren .

Gegenüber Preußen mußte Österreich auf seine seine Mitgliedschaft im Deutschen Bund verzichten und die Einverleibung Schleswig-Holsteins durch Preußen anerkennen. An Italien mußte Venetien abgetreten werden. Damit hatte Österreich seine "Vormachtstellung" in Deutschland und in Oberitalien einigebüßt.

Der österreichisch-ungarische Ausgleich

Da Österreich nicht nur außenpolitisch isoliert, sondern auch innenpolitisch stark belastet war, mußte sich Franz Joseph mit den Magyaren verständigen. Im Februar 1867 wurde der Ausgleich mit Ungarn beschlossen. Mit der Vollendung des staatsrechtlichen Dualismus ("Zweiheit") bestand die Monarchie aus zwei Teilen: In der westlichen Reichshälfte ("Zisleithanien") dominierte das deutsche Element, in der östlichen ("Transleithanien") das magyarische (die Leitha war bis 1921 Grenzfluß zwischen Österreich und Ungarn).

Gemeinsam waren den beiden Reichshälften die Außenpolitik, die Armee und die Finanzen (Realunion). Die Österreichisch-ungarische Monarchie kannte daher drei gemeinsame kaiserliche und königliche (k. u. k.) Ministerien, ("Reichsministerien"), die beiden Parlamenten (in Wien und in Budapest) verantwortlich waren. Franz Joseph wurde in Budapest zum König von Ungarn gekrönt.

Den Behörden und ihren Vertretern, die nur Angelegenheiten der ikm Reichsrat vertretenen Königreiche und Länder (erst ab 1915 wurde dafür die offizielle Bezeichnung Österreich eingeführt) behandelten, wurden die Buchstaben "k. k" (kaiserlich-königlich) und den für rein ungarische Angelegenheiten zuständigen der Buchstabe "k." (königlich) vorangestellt.

Während die Polen ihre eigene Landessprache als Amtssprache durchzusetzen vermochten, drangen die Tschechen mit ihren nationalen Forderungen nach einer Personalunion mit Österreich und einer rechtlichen Gleichstellung Böhmens mit Ungarn nicht durch. Die Deutschen und die Magyaren lehnten dies ab. Daraufhin verschärfte sich der Nationalitätenkampf vor allem in Böhmen.

Das neue Wahlrecht von 1871 brachte eine geringfügige Verbesserung: Die Abgeordneten zum Reichstag wurden nicht mehr von den Landtagen, sondern direkt von den Wahlberechtigten der vier Kurien gewählt.

Nach dem Selbstmord des Kronprinzen Rudolph (1889) wurde Erzherzog Franz Ferdinand, der für einen Trialismus ("Dreiheit") an Stelle des Dualismus eintrat, neuer Thronfolger.

Der Erste Weltkrieg

Spannungen zwischen den europäischen Großmächten

Vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs gab es in Europa fünf Großmächte: Deutsches Reich, England, Frankreich, Österreich-Ungarn, Rußland.

Die europäischen Mächte und die USA brachten in scharfem Konkurrenzkampf untereinander die übrige Welt unter ihren Einfluß (Imperialismus). Kriegerische Auseinandersetzungen waren naheliegend, viele Krisen die Folge.

Diplomatie verhinderte zunächst einen großen Krieg zwischen den europäischen Mächten. Eine zentrale Rolle darin spielte seit der Gründung des Deutschen Reiches 1871 Reichskanzier Otto von Bismarck. Unter seiner Federführung entstand ein kompliziertes Bündnissystem, das von dem Gedanken eines "Gleichgewichts der Kräfte" getragen wurde.

Fixpunkte in diesem System waren für Bismarck:

Frankreichs unversöhnliche Haltung nach dem Verlust von Elsaß-Lothringen (1871)

Freundschaft mit Österreich-Ungarn, das nach der Niederlage bei Königgrätz 1866 großzügig behandelt worden war. Ein "Zweibund" (1879) festigte die Freundschaft.

England konnte von Bismarck nicht als Bündnispartner gewonnen werden ("splendid isolation"). Mit Rußland gelang jedoch 1887 ein "Rückversicherungsvertrag", der die beiden Staaten zu gegenseitiger Neutralität bei Konflikten mit Dritten verpflichtete. In einem geheimen Zusatz wurden Rußlands Interessen an den türkischen Meerengen anerkannt.

Nach der Entlassung Bismarcks durch Wilhelm II (1890) vollzog Deutschland in seiner Außenpolitik eine deutliche Wende: Er verlängerte den Rückversicherungsvertrag mit Rußland nicht. Die Deutschen vertrauten nun mehr als bisher auf ihre Stärke und betrieben eine aggressive Politik, die ihnen nicht nur neue Kolonien bescheren, sondern auch Weltgeltung verschaffen sollte. Rückhalt gab ihnen ihre Wirtschaft, die sich mit enormer Dynamik entwickelte.

Das beunruhigte die anderen europäischen Großmächte und führte dazu, daß sie sich nach und nach gegen Deutschland verbündeten. Zuvor mußten sie noch ihre Konflikte untereinander bereinigen. Frankreich und England verständigten sich 1898 über Afrika und schlossen 1904 ein Bündnis ("Entente cordiale"). 1907 konnten sich England und Rußland über Afghanistan und Persien einigen.

Wettrüsten

Das zunehmende Wettrüsten zur See und zu Lande untergrub die diplomatischen Bemühungen und verstärkte die gegenseitigem Bedrohungen.  Starken Einfluß hatte die These eines amerikanischen Marinehistorikers, daß ohne "Sea-power" (gepanzerte Schiffe mit großen Kalibern) eine Weltmachtstellung nicht möglich sei. Vor allem England und Deutschland traten hier in Konkurrenz zueinander. Das Flottenprogramm, das der deutsche Großadmiral Alfred von Tirpitz entwarf, erforderte große finanzielle Mittel. Diejenigen, die das Budget dafür im Reichstag bewilligten, stützten sich auf die Theorie des Totrüstens. Neue Feindbilder wurden geschaffen: Die Deutschen ängstigten sich vor der "Piratennation England".

Tirpitz prognostizierte, das Reich werde im Konfliktfall "auf den Stand eines armen Ackerbaulandes zurücksinken", wenn es keine überlegene Flotte habe, weil die Briten dann den deutschen Industrieexport blockieren würden. Bereits damals argumentierten manche auch mit der Sicherung der Arbeitsplätze.

Ein "Flottenverein" (bis zu 1,1 Mio. Mitglieder) trug die plötzliche Begeisterung für die Marine ins Volk, was sich u.a. in der Beliebtheit von "Matrosenanzügen" niederschlug. Eine bedeutende Unterstützung kam auch vom "alldeutschen Verband", der für die Verwirklichung deutscher Kolonien kämpfte.

Kaiser Wilhelm stand trotz seiner Verwandtschaft mit dem englischen König an der Spitze der Flottenfanatiker. Die Gegner blieben in der Minderheit. Die Sozialdemokraten lehnten, von Beginn an das Tirpitz-Programm ab.

Als im Ersten Weltkrieg die Kriegsschiffe Englands und Deutschland tatsächlich aufeinanderprallten, zeigte sich deutlich die Fehlentwicklung dieses Wettrüstens: 1916 fand in der Nordsee, im Skagerrak, die größte Seeschlacht aller Zeiten statt. Das Gesamtgewicht der Schiffe betrug auf englischer Seite über 1 Mio. t, auf deutscher Seite über 600.000 t. 60.000 Briten kämpften gegen 45.000 Deutsche, wahrscheinlich starben über 8000 Seeleute. Es gab keinen eigentlichen Sieger, die relative Bedeutungslosigkeit der Flotte für den Kriegsverlauf zeigte sich mit Fortdauer des Krieges immer klarer.

Begeisterung für den Krieg

Weite Teile der Bevölkerung aller europäischen Großmächte ließen sich für den Krieg begeistern. Nicht nur führende Militärs propagierten ihn, sondern sogar die Kirche begrüßte ihn als "Prüfung Gottes". Als der Krieg tatsächlich ausbrach, konnten sich die Heere des Ansturms Freiwilliger kaum erwehren. In Deutschland meldeten sich 1,3 Millionen Männer zu den Waffen, in Frankreich 1,1 Mio., in Österreich-Ungarn 460.000. Es kam zu Massenverbrüderungen mit gemeinsamem Absingen nationaler Lieder. DerTod auf dem Schlachtfeld wurde romantisch verklärt.

In den Köpfen setzten sich Bedrohungsbilder fest: Die Deutschen betrachteten den Krieg als Existenzkampf der Germanen gegen die von den Romanen und Angelsachsen unterstützten Slawen. Engländer und Franzosen sahen die gesamte Zivilisation durch den "Pangermanismus" der barbarischen, eroberungslüsternen Deutschen bedroht, sie kämpften gegen den "preußischen Militarism us".

Ursachen der Kriegsbegeisterung

Es fällt heute, nach der Erfahrung der beiden Weltkriege, schwer, Erklärungen für diese Kriegsbegeisterung zu finden. Neben der nationalistischen Propaganda lassen sich aus den Quellen folgende Motive finden:

Sehnsucht nach Befreiung aus schlimmen Zuständen

Hoffnung auf eine radikale (schnelle und eindeutige) Lösung von Konflikten (z.B. in Richtung einer sozialistischen Gesellschaft oder der Festigung des Obrigkeitsstaates)

Darwinistische Anschauungen: Krieg als Ausleseprozeß, um Tüchtigkeit zu beweisen, Macht zu erlangen

In Deutschland kam noch die besondere Geltung militärischer Ideale hinzu, da ja die nationale Einigung im Krieg gegen Frankreich (1871) erfolgte.

Die Friedensbewegung

Die Gedanken der Friedensbewegung fielen auf wenig fruchtbare Böden, obwohl sie bereits um 1900 international organisiert war. Zwei Österreicher beteiligten sich daran in führender Position und erhielten für ihr Wirken den Nobelpreis:

Berta von Suttner (sie schrieb 1889 den Bestseller "Die Waffen nieder") und Alfred Fried (er gründete 1892 die "Deutsche Friedensgesellschaft", die es auf etwa 10.000 Mitglieder brachte). Diese Friedensbewegung forderte Abrüstung und die Einsetzung von Schiedsgerichten bei internationalen Streitigkeiten. Es kam zwar zu zwei Haager Friedenskonferenzen (1898 und 1907), die aber keine Anderung der aggressiven Politik bewirken konnten.

Erich Maria Remarque schrieb 1928 den Roman "Im Westen nichts Neues", in dem er eigene Erlebnisse als Frontsoldat verarbeitete. Er schildert den Alltag an der Front.

Wir sehen Menschen leben, denen der Schädel fehlt, wir sehen Soldaten laufen, denen beide Füße weggefetzt sind, sie stolpem auf den splittemden Stümpfen bis zum nächsten Loch; ein Gefreiter kriecht zwei Kilometer weit auf den Händen und schleppt die zerschmetterten Knie hinter sich her; ein anderer geht zur Verbandsstelle, und über seine festhaltenden Hände quellen die Därme; wir sehen Leute ohne Mund, ohne Unterkiefer, ohne Gesicht, wir finden jemand, der mit den Zähnen zwei Stunden die Schlagader seines Armes klemmt, um nicht zu verbluten, die Sonne geht auf, die Nacht kommt, die Granaten pfeifen, das Leben ist zu Ende.

Doch das Stückchen zerwühlter Erde, in dem wir liegen, ist gehalten gegen die Übermacht, nur wenige hundert Meter sind preisgegeben worden. Aber auf jeden Meter kommt ein Toter.

Wir werden abgelöst. Die Räder rollen unter uns weg, wir stehen dumpf, und wenn der Ruf "Achtung - Draht" kommt, gehen wir in die Kniebeuge. Es war Sommer, als wir hier vorüberfuhren, die Bäume waren noch grün, jetzt sehen sie schon herbstlich aus, und die Nacht ist grau und feucht. Die Wagen hatten, wir klettern hinunter, ein durcheinandergewürfelter Haufe, ein Rest von vielen Namen. An den Seiten, dunkel, stehen Leute und rufen die Nummern von Regimentern, von Kompagnien aus. Und bei jedem Ruf sondert sich ein Häuftein ab, ein karges, geringes Häutfein schmutziger, fahler Soldaten, ein furchtbar kleines Häutfein und ein furchtbar kleiner Rest.

Die Krise

Es ist kein Zufall, daß der Erste Weltkrieg am Balkan begann, da die politische Lage dort besonders instabil war. Der Grund dafür liegt einerseits im Zerfall des Osmanischen Reiches, andererseits im intensiven Interesse der Großmächte, vor allem Österreich-Ungarns und Rußlands, an diesem Raum.

Als der österreichische Thronfolger Franz Ferdinand Manöver in Sarajewo besuchte, wurden er und seine Frau erschossen. Der Attentäter, Gavrilo Princip, ein bosnischer Emigrant, gehörte der Terrororganisation "Schwarze Hand" an, die von einigen Mitgliedern der russischen und serbischen Regierung gefördert wurde. Sie strebten einen großserbischen Staat an, der auch die Südslawen der österreichisch-ungarischen Monarchie umfassen sollte.

Während Österreich zunächst zögernd reagierte, schlug Deutschland einen aggressiven Kurs ein, getragen vom Gedanken, daß die gegnerischen Mächte bald überlegen wären, ein "Präventivkrieg" daher notwendig sei.  Ein Plan war schon fertig: Der "Schlieffen-Plan" ging von einer furchterregenden Gegnerkoalition von 3 Großmächten aus; das Rezept war, die Gegner durch sofortigen Angriff getrennt zu schlagen; Frankreich sollte durch einen Angriff über Belgien und Nordfrankreich überrascht werden.

So drängte Deutschland Österreich, ein scharfes Ultimatum zu formulieren. Serbien akzeptierte die meisten Punkte, hatte aber Vorbehalte gegen die Forderung, daß in ihrem Land Organe der k.u.k. Regierung bei der Unterdrückung der antiösterreichischen subversiven Bewegung mitwirkten (Art. 6). Daraufhin erklärte Österreich Serbien den Krieg; das setzte die Mechanik der Bündnissysteme in Gang: Kurz hintereinander machten alle europäischen Großmächte mobil.

Die Schuldfrage

Die Frage, wer nun die Hauptschuld am Ausbruch des Weltkriegs trage, ist nach wie vor umstritten. Lange Zeit begnügten sich die meisten Historiker mit der Feststellung, daß die europäischen Mächte in den Krieg "hineingeschlitter" seien, ohne es wirklich gewollt zu haben. Das läßt sich so nicht mehr behaupten, seit der deutsche Historiker Fritz Fischer Anfang der 60er Jahre nachgewiesen hat, daß Deutschland schon vorher ein festes Kriegszielprogramm besessen und der "Kriegsrat" schon 1912 einen Krieg geplant habe. Fischers Thesen verursachten große Aufregung in Deutschland, weil es nun ein militaristisches, kriegslüsternes Image bekam und die These, daß das Dritte Reich nur ein "Fremdkörper" in der Geschichte der deutschen Nation gewesen sei, nicht mehr aufrechterhalten werden konnte. Nun stellten aber andere Historiker fest, daß auch die führenden Politiker der Entente-Staaten an die Unvermeidbarkeit von Kriegen glaubten und Gebietsabtretungen als Folge eines Sieges.für gerecht hielten.

Die Kriegsgegner

Der Kriegsverlauf

Westfront

Im August 1914 greifen die deutschen Armeen Frankreich an, unter Verletzung der belgischen Neutralität; der Angriff kommt an der Marne zum Stillstand. - Es beginnt ein Stellungskrieg. 1915/16 versuchen beide Seiten, durch ungeheuren Materialeinsatz Entscheidungen herbeizuführen - dies scheitert unter großen Opfern.

Frühjahr 1917: Die Materialüberlegenheit der Entente verstärkt sich durch den Kriegseintritt der USA. Diese reagieren damit auf die Erklärung Deutschlands, einen uneingeschränkten U-Boot-Krieg zu führen. Dahinter stand wohl auch die Furcht, das an die Entente verliehene Kapital einzubüßen.

1918: Nach dem Friedensschluß mit Rußland beginnen die Deutschen eine Offensive mit 3,5 Mio. Mann, die aber scheitert. Die Entente-Truppen und die USA durchbrechen die deutsche Front und erzwingen im Herbst ihren Rückzug.

Deutschland wird Republik, Kaiser Wilhiem muß abdanken. Die republikanische Regierung schließt im November einen Waffenstillstand und verhindert damit die Besetzung Deutschlands.

Ostfront

Zunächst gewinnen die russischen Truppen schnell an Boden, die k.u.k. Armee erleidet bei Entlastungsangriffen hohe Verluste und muß das österreichische Galizien räumen. Ein Gegenangriff deutscher und österreichisch-ungarischer Truppen verläuft zunächst erfolgreich, kommt aber im Sommer 1915 zum Stillstand. Auch hier kommt es zu einem erbitterten Stellungskrieg.

Als die Bolschewiki in Rußland nach der Oktoberrevolution an die Macht kommen, beenden sie den Krieg, um den Preis, daß Rußland im Frieden von Brest-Litowsk 1/6 seines Gebietes, 3/4 aller Kohlenbergwerke und der Eisenindustrie sowie 1/3 seiner Textilindustrie verliert.

Südfront

Nach dem Kriegseintritt Italiens entstehen neue Frontlinien. In den Südtiroler Alpen tobt ein Stellungskrieg in Höhen über 3000 m. Der höchste Schützengraben befindet sich auf dem Ortler (3905 m). Im Gletscher der Marmolata entsteht eine ganze Stadt mit labyrinthartigen Gängen, Geschützstellungen und Unterkünften. Natureinwirkungen spielen eine große Rolle - von 1916 bis 1918 zählte man 60.000 Lawinentote! Der Kampf im Hochgebirge bringt eine neue Art der Kriegsführung: Mit Sprengstoff gefüllte Minierstollen lassen ganze Gipfel bersten. Zur Legende wurde der Col di Lama, wo 1916 die Italiener Stollen unter die österreichischen Stellungen gruben und mit 5Tonnen Nitrogelatine in die Luft sprengten - von den 200 Österreichern (sie hatten vergeblich versucht, den Berg aufgeben zu dürfen) überlebte nur einer. Die Österreicher übten Rache am Cimone d'Arsiero, wo auf dieselbe Art 1 100 Italiener starben.

Am Isonzo gelingt den Österreichern erst in der 12. Schlacht der Durchbruch durch die italienischen Linien (Herbst 1917). Sie dringen bis zur Piave vor, über 300 000 Italiener geraten in Kriegsgefangenschaft. Aber auch hier setzen sich gegen Kriegsende die Entente-Truppen durch.

Im Herbst 1918 beginnt sich die Donaumonarchie aufzulösen. Im November 1918 schließt die kaiserliche Regierung einen Waffenstillstand, Kaiser Karl muß abdanken.

Südostfront

Die Mittelmächte erringen zunächst Erfolge (Eroberung Serbiens, Besetzung Rumäniens), schließlich siegen aber im Herbst 1918 die Ententetruppen.

Berühmte Schlachten

Jarosiawice: Die letzte Reiterschlacht der Weltgeschichte (1914)

Ein österr.-ungar Dragonerregiment sollte eine russische Reiterdivision, die wesentlich stärker war, einkreisen. Der Kampf Mann gegen Mann dominierte, wobei die russische Kavallerie zunächst mit ihren eingelegten Lanzen ausritt und erst dann zu den Säbeln und schließlich zur Pistole griff. Die Stabsoffiziere und der Divisionär befanden sich im unmittelbaren Geschehen.

Die dreffach überlegene russische Artillerie entschied schließlich den Kampf.

Verluste:                                Österreicher: 174 Tote, 170 Verwundete, 635 Gefangene;

Russen:                                  24 Tote, 140 Verwundete

Die Schlacht um Verdun (ab Feb. 1916)

Angriff der Deutschen mit 140 000 Soldaten in 20 km Breite. Sie erreichten einen Geländegewinn von 4 km Breite und 1 km Tiefe. Entlastungsangriffe der Briten an der Somme zwingen die Deutschen zum Abbruch des Generalangriffs. Die Schlacht dauerte 10 Monate. Es starben 335 000 Deutsche und 360 000 Franzosen.

Einsatz von Gas

Trotz des Verbots durch die Haager Landkriegsordnung 1899 wurde Gas eingesetzt, es hatte jedoch keine kriegsentscheidende Wirkung, da neue Entwicklungen durch bessere Behandlungsmethoden kompensiert werden konnten. Der erste Großeinsatz von Giftgas erfolgte 1915 bei Ypern: Mit Chlorgaswolken aus 5000 Gasflaschen töteten die Deutschen 5000 Allierte, 10 000 wurden schwer verletzt. Im selben Jahr verwendeten es auch Briten und Franzosen. Später wurden giftigere Gase verwendet, u.a. Senfgas, das Dauererbrechen, Lungentzündung, Abszesse und Blindheit auslöst; insgesamt starben ca. 113 000 durch chemische Kampfstoffe.

1925 wurde mit dem Genfer Abkommen die Anwendung von Chemiewaffen verboten. Trotzdem hörte die Produktion nicht auf. Im Zweiten Weltkrieg wurden sie jedoch gegen äußere Feinde nicht eingesetzt.

Die Schlacht bei Tannenberg (1914)

191 000 Russen standen 153 000 Deutschen gegenübe.r Die Narew-Armee wurde von den Deutschen eingekreist. Es war eine der typischen Vernichtungsschlachten - die Russen verloren 150 000 Mann, die Deutschen hatten 4000 Tote zu beklagen. Damit war Ostpreußen gerettet, was aber den weiteren Kriegsverlauf nur wenig beeinflußte. Oberbefehlshaber war der aus der Pension geholte General Hindenburg, ihm zur Seite stand als Generalstabschef E. Ludendorff. Die Schlacht erhielt eine symbolische Bedeutung als späte Revanche über die Slawen; Hindenburg selbst nannte sie nach dem Ort, wo 1410 das Heer des deutschen Ritterordens von einem polnisch-Iitauischen Aufgebot geschlagen worden war.

Die Schlacht machte Hindenburg so populär, daß ihn die Rechtsparteien 1925 als Kandidaten für die Reichspräsidentenwahlen aufstellten.

Die Schlacht an der Somme

Nach dem Großangriff der Deutschen bei Verdun planten die Alliierten die Somme-Offensive mit 20 französischen und 13 britischen Divisionen (1 Division = ca. 12 000 Mann). Zunächst schufen sie eine neue Infrastruktur hinter der Frontlinie (Straßen, Eisenbahnen, Lazarette , ), legten Schützengräben an und brachten 3 Millionen Artillerie-Munition nach vorne. Nach einer WocheTrommeffeuer auf die deutschen Linien (1,5 Mio. Granaten wurden verschossen) sollten die Divisionen nacheinander auf einer Breite von 1 Meile vorrücken. Dazu mußten sie das ca. 500 m breite "Niemandsland" zwischen den Fronten überqueren - in der Hoffnung, daß die Artillerie bereits die deutschen Stellungen ausgeschaltet hatte. Diese Aufgabe sollte das Sperrfeuer erfüllen, hinter dem die Soldaten vorrückten. Die Zerstörung gelang nur unvollständig, sodaß manchmal mehr als die Häffe der Vorrückenden bei Verlassen der Schützengräben sofort getötet oder verwundet wurden. Insgesamt hatten die Briten Verluste von mehr als 60 000 Mann zu beklagen, von denen 21 000 zumeist in der ersten Stunde des Angriffs und vielleicht sogar in den ersten Minuten starben. Nur wenige Bataillone wurden zurückgehalten, die meisten wurden Welle um Welle zum Angriff geschickt, gleichgültig, was den Soldaten vor ihnen passiert war Die Schlacht dauerte vom 1.Juli bis 18. November 1916. 420 000 englische und 200 000 französische Soldaten wurden getötet oder verwundet. Über die dt. Verluste gibt es keine gesicherten Zahlen.

Helden?

Wißt ihr, was das sind: Kieferbeschädigte? Es sind Menschen, die Gott nach seinem Ebenbilde schuf und die dann der Krieg nach seinem Ebenbild umarbeitete. Hier siehst du die Fratze der Großen Zeit. So sah der Krieg aus: Das Kinn ist weggeschossen und Nase und Oberlippe hängen frei in der Luft. Oder nur ein halbes Kinn fehlt. Und dafür eine Nasenhäffte der Länge nach. Oder quer durch das ganze Gesicht fuhr eine Granate spazieren und ihr Führungsring blieb im Ebenbilde Gottes haften, im Antlitz eines weißen Menschen. Oder irgendeinem fehlt der Mund, die Lippen fehlen, die Lippen, mit denen er küssen, flüstern konnte. Die Lippen. Nur die Lippen


Es ist den "Kriegsbeschädigten" verboten, Photographien ihrer Entstelltheit zu besitzen. Es ist verboten, der Öffentlichkeit Kieferbeschädigungen bzw. deren Gipsabgüsse, die im Lazarett aufbewahrt sind, zu zeigen. Warum? In allen illustrierten Blättern der Welt, in allen Museen, an allen Litfaßsäulen sollten Kieferbeschädigungen zu sehen sein. Und das Kultusministerium sollte für die Dauer eines halben Jahres anordnen, daß in sämtlichen Kinotheatern Deutschlands vor dem Beginn der "Meßterwoche" und am Schluß des siebenundzwanzigsten Teiles der "Vampire" ein Bild gezeigt werde: der Mann ohne Lippern.

(Der Schriftsteller Joseph Roth 1920)

Wilhelm BOGNER

[183] Da fast ständig Häftlinge im Lager durch Angehörige der Politischen Abteilung, insbesondere durch den Angeklagten Boger, festgenommen wurden, reichten die 28 Arrestzellen trotz ihrer engen Belegung häufig nicht zur Unterbringung der Arrestanten aus. Um immer wieder Platz für Neuzugänge zu schaffen, räumte man daher den Bunker von Zeit zu Zeit aus, indem man einen Teil der in den Zellen einsetzenden Häftlinge an der Schwarzen Wand erschoß.[]

"Ich bin der Teifi". [188] Bei den Bunkerentleerungen war Boger einer der eifrigsten SS-Männer. Er haßte die Polen, die das Hauptkontingent der Arrestanten stellten. Mit fanatischem Eifer suchte er im Lager nach geheimen Widerstands- und Untergrundorganisationen der Polen. Hierbei schreckte er vor keinem Mittel zurück. Er verbreitete unter den Häftlingen des Lagers Furcht und Schrecken. Er war deshalb einer der gefürchtetsten SS-Männer. Bei den Häftlingen war er unter dem Namen "Bestie von Auschwitz", "Schwarzer Tod", "Schrecken von Auschwitz", Schreitender Tod", "Teufel von Auschwitz" bekannt Wenn Häftlinge ihn von weitem in das Lager kommen sahen, gingen sie ihm angstvoll aus dem Wege. Boger war stolz auf die genannten Beinamen. Es erfüllte ihn auch mit tiefer Befriedigung, daß er den Häftlingen Furcht und Schrecken einflößte. Gegenüber Häftlingen bekannte er wiederholt voll Stolz: "Ich bin der Teifi". Hatte Boger ihm verdächtig erscheinende Polen erwischt, so nahm er sie fest und lieferte sie in den Arrestbunker ein. Durch sogenannte verschärfte Vernehmungen, bei denen er die Häftlinge bis zur Bewußtlosigkeit schlug oder schlagen ließ, suchte er Geständnisse aus den Verdächtigen zu erpressen. Nicht selten wurden Häftlinge bei diesen Vernehmungen totgeschlagen.

[194) Der Angeklagte Boger führte als Angehöriger der Ermittlungsabteilung der Politischen Abteilung laufend Vernehmungen von Häftlingen durch. Er begann die Vernehmungen in der Regel in seinem Dienstzimmer in Gegenwart einer Protokollführerin. Dabei ging er äußerst brutal, gegen die zu vernehmenden Personen vor. Wenn sie ihm nicht die erwarteten Antworten gaben oder - nach Bogers Meinung - nicht die Wahrheit sagen gab er ihnen Ohrfeigen, schlug sie mit den Fäusten ins Gesicht oder trat sie mit den Stiefeln in den Leib. Häufig stellte er sich auch unmittelbar vor die Häftlinge und durchbohrte sie mit seinen Blicken', um sie einzuschüchtern. Wenn er mit [195] diesen Methoden sein Ziel nicht erreichen konnte, führte er die Häftlinge in die sog. Vernehmungsbaracke, wo eine sog. Sprechmaschine, die in der Lagersprache auch "Boger[-S]chaukel genannt wurde, aufgebaut war. Sie bestand aus zwei aufrecht stehenden Holmen, in die eine Eisenstange quer hineingelegt wurde. Boger ließ die Opfer in die Kniebeuge gehen, zog die Eisenstange durch die Kniekehlen hindurch und fesselte dann die Hände der Opfer daran. Dann befestigte er die Eisenstange in den Holmen, so daß die Opfer mit dem Kopf nach unten und mit dem Gesäß nach oben zu hängen kamen. Hierauf schlug er die Opfer mit einem Ochsenziemer oder einem Stock selbst oder ließ sie durch andere SS-Männer schlagen. Zwischendurch stellte er immer wieder Fragen an die Opfer. Gaben sie keine befriedigenden Antworten, so schlug er sie weiter oder ließ sie weiter schlagen, bis sie blutüberströmt und unter unsäglichen Schmerzen bewußtlos wurden. Die Schläge, die nicht nur auf das Gesäß, sondern auch auf andere Körperteile, insbesondere die Geschlechtsteile, den Rücken und die Nieren, geführt wurden, versetzten die hängenden Opfer in eine schwingende Bewegung, was die Wirkung der Schläge noch erhöhte. Nach dieser Behandlung waren die Opfer oft bis zur Unkenntlichkeit verunstaltet und machten häufig auf die Schreiberinnen der Politischen Abteilung den Eindruck, daß sie fast tot seien und nicht mehr lange leben könnten. Die mißhandelten Opfer wurden dann in den HKB oder den Bunker des Blockes 11 eingeliefert. Meist mußten sie weggetragen werden. Von einer Vielzahl der Opfer gingen nach wenigen Tagen die Todesmeldungen bei den Schreiberinnen der Politischen Abteilung ein.

[230] Die festgestellten Tötungen bei verschärften Vernehmungen durch Boger erfüllen ebenfalls den Tatbestand des Mordes. Sie waren grausam. [] Aus der Art und Weise, wie der Angeklagte Boger die sog. verschärften Vernehmungen durchführte, ergibt sich klar, daß er nur aus einer gefühllosen und unbarmherzigen Gesinnung heraus den Opfern solche Qualen und Leiden zufügen konnte. []

[231] Boger war daher wegen der festgestellten Tötungen bei verschärften Vernehmungen wegen Mordes in mindestens fünf Fällen zu fünfmal lebenslangem Zuchthaus zu verurteilen.

Von der Rampe in die Gaskammer

Ankunft an der Rampe

[95] Die Abwicklung eines für die Vernichtung bestimmten RSHA Transportes war bis ins einzelne organisiert. Bei den verschiedenen Abteilungen des Lagers und beim Wachsturmbann war hierfür ständig ein sog. "Rampendienst" eingeteilt. Die Schutzhaftlagerführung stellte den "Diensthabenden Führer", dessen Aufgabe es war, die Empfangnahme, Einteilung und Vernichtung der in einem Transport angekommenen Menschen zu leiten und zu beaufsichtigen. Vom Wachsturmbann wurde eine bewaffnete Kompanie zum Rampendienst geführt. Sie hatte vor dem Einlaufen des Zuges oder, falls dieser bereits an der Rampe stand, vor dem Aussteigen der in den geschlossenen Wagen wartenden Menschen, in einer gewissen Entfernung von der Rampe um diese einen dichten geschlossenen Ring bewaffneter Wachposten zu bilden, um Fluchtversuche der angekommenen Menschen nach dem Aussteigen zu verhindern und um Unbefugten den Zutritt zur Rampe zu verwehren. Wenn die Postenkette stand. gab der diensthabende SS-Führer das Zeichen zum Öffnen der Waggons. [96] Daraufhin öffneten die eingeteilten Blockführer die Waggons und ließen die eingepferchten Menschen aus den Wagen auf die Rampe aussteigen. Das Gepäck blieb auf Befehl der SS-Männer in den Wagen zurück, Es wurde von einem Häftlingskommando unter Führung eines SS-Unterführers oder SS-Mannes ausgeladen, auf die LKWs gebracht und dann in das Lager "Kanada" gefahren. Das Häftlingskommando holte auch die Leichen der unterwegs verstorbenen Menschen aus den Waggons heraus und trug sie zu anderen LKWs, die sie zu den Krematorien fuhren.

Selektion auf der Rampe

[96] Die ausgestiegenen Menschen mußten auf Befehl des Rapportführers und der Blockführer in Fünferreihen antreten Dabei trennten die SS-Unterführer und SS-Männer Frauen mit Kindern, alte Menschen, Krüppel, Kranke und Kinder unter 16 Jahren als arbeitsunfähig von den anderen und ließen sie gesondert Aufstellung nehmen. Die übrigen Männer und Frauen traten in getrennten Kolonnen in Fünferreihen an. Der Transportführer des Zuges übergab die Transportpapiere mit der Anzahl der deponierten Menschen einem Vertreter der Aufnahmeabteilung der Politischen Abteilung. Dieser ließ die angetretenen Menschen zählen und verglich die festgestellte Anzahl mit der in den Transportpapieren angegebenen Zahl. Hiernach rückten die Männer und Frauen, die nicht von vornherein als arbeitsunfähig ausgesondert worden waren, auf Befehl der SS-Männer vor und defilierten an den an der Spitze der beiden Kolonnen stehenden SS-Arzten und SS-Führern vorbei. Aufgabe der Arzte war es, die Arbeitsfähigen aus den vorbeimarschierenden Menschen auszuwählen. Dies geschah nach oberflächlicher Betrachtung (gelegentlich unter Befragung nach Alter und Beruf) in der Weise, daß der Arzt mit einer kurzen Handbewegung die Menschen entweder nach rechts oder nach links schickte. Die einen, die der Arzt als arbeitsfähig beurteilt hatte, mußten auf der einen Seite - etwas abgesondert von der Masse der übrigen Menschen - Aufstellung nehmen, während die als arbeitsunfähig beurteilten Menschen nach der anderen Seite in der größeren Kolonne weitergingen, die dann schließlich in die Gaskammern geführt wurde. Als arbeitsfähig wurden jeweils zwischen 10 und 15 %, selten mehr, jedoch nicht über 25% des betreffenden Transportes ausgesondert.

Tod in der Gaskammer

[98] Sie wurden dann nackt und ahnungslos in den Vergasungsraum hineingetrieben. Wenn alle im Vergasungsraum waren, wurde dieser von außen verriegelt. Zwei SS-Männer, die dem sog. Vergasungskommando angehörten und im Umgang mit Zyklon B ausgebildet worden waren, schütteten dann Zyklon B durch zwei Öffnungen von oben in den Vergasungsraum hinein. Das Zyklon B befand sich in körnigem Zustand in verschlossenen Blechdosen. Die SS-Männer öffneten die Dosen unter dem Schutz von Gasmasken erst unmittelbar vor dem Einschütten. Sobald die Körner des Zyklon B durch die Öffnungen in den Vergasungsraum hineinrieselten und mit Luft in Berührung kamen, entwickelten sich Blausäuredämpfe, an denen die in der Gaskammer befindlichen Menschen in einigen Minuten, qualvoll erstickten. Dabei spielten sich fürchterliche Szenen ab. Die Menschen, die nun merkten, daß sie eines qualvollen Todes sterben sollten, schrien und tobten und schlugen mit den Fäusten gegen die verschlossenen Türen und gegen die Wände. Da sich das Gas vom Boden des Vergasungsraumes aus nach oben ausbreitete, starben die kleinen und schwächlichen Menschen zuerst. Die anderen stiegen dann in ihrer Todesangst auf die am Boden liegenden Leichen, um noch etwas Luft zu erhalten, bis sie schließlich selbst qualvoll erstickt waren. Um die Todesschreie der im Vergasungsraum befindlichen Menschen zu übertönen, ließ man beim kleinen Krematorium häufig Lastkraftwagenmotoren laufen oder SS-Männer mit Motorrädern um das kleine Krematorium herumfahren. Gleichwohl war das Geschrei meist noch in den [99] benachbarten Gebäuden zu hören.

Auschwitz

1940 errichtete die SS bei Auschwitz (Polen) ein Konzentrationslager. Die ersten Häftlinge waren 30 Berufsverbrecher aus dem KZ Sachsenhausen, die dann als Vorgesetzte der übrigen Häftlinge fungierten. Dieses "Stammlager" bestand aus 28 in mehreren Reihen errichteten Steingebäuden.

Das berüchtigtste war die Nummer 11 ("Bunker"); hier gab es 4 "Stehzellen", deren einzige Öffnung aus einem Loch in Kniehöhe bestand und wo man weder liegen noch sitzen konnte. Häftlinge mußten hier mehrere Nächte hintereinander verbringen; einige ließ man darin auch verhungern. An der Wand zwischen Block 10 und 11 wurden zahlreiche Häftlinge erschossen.

Ab Frühjahr 1941 ließ die IG-Farbenindustrie ein Buna Werk errichten. Die Häftlingsarbeiter wurden in mehreren Außenlagern untergebracht. Im Oktober begann der Bau des Lagers Birkenau, wo bis zu 100.000 Menschen gleichzeitig inhaftiert waren. Die Unterkünfte waren aber wesentlich schlechter: Ein Teil bestand nur aus Holzbaracken nach dem Muster der Wehrmachts- und Pferdestallbaracken, fensterlos, mit Öffnungen nur an den Schmalseiten. Die 1943 errichtete "Rampe", die Aussteigestelle am Ende eines Anschlußgleises vom Bahnhof Auschwitz ins Lager wurde zum Symbol für die Judenvernichtung. Die Juden kamen in Eisenbahnzügen an, auf der Rampe wurden die Arbeitsfähigen ausgesondert (etwa 10-15% und ins Lager aufgenommen, alle anderen in den Gaskammern der Krematorien getötet.

Den als arbeitsunfähig beurteilten Menschen erklärte man, daß sie gebadet würden und dann zu arbeiten hätten. Beim ersten Krematorium mußten sich die Menschen im Vorhof entkleiden. Später wurden die Vergasungen in zwei umgebauten Bauernhäusern durchgeführt. Schilder mit Aufschriften wie 'Baderaum' und 'Desinfektion' sollten den Menschen sanitäre Einrichtungen vorspiegeln. Schließlich baute man vier neue Krematorien, wo sich unterirdisch die Entkleidungs- und Vergasungsräume befanden, die teilweise eine Tarneinrichtung (Attrappen von Brausen) besaßen. Im Erdgeschoß waren Verbrennungsöfen eingebaut, zu denen die Leichen mit einem Aufzug transportiert wurden.

Ein jüdisches Sonderkommando zerrte die Leichen heraus. Diese wurden zunächst in Gruben vergraben, später in langgezogenen Gräben verbrannt, schließlich in den Verbrennungsöfen der 4 großen Krematorien. Häftlinge entfernten ihnen die Goldzähne, den weiblichen Leichen mußten sie die Haare schneiden. Anschließend wurden die Toten in Gruben vergraben.

Protokoll der "Wannseekonferenz" vom 20.1.1942

In einem Erlaß vom 31.7.1941 forderte Göring Heydrich auf, zusätzlich zu den Massenerschießungen und Aussiedlungsmaßnahmen alle Vorbereitungen zu treffen, um eine "Gesamtlösung" der Judenfrage im deutschen Einflußgebiet in Europa zu erreichen. Daraufhin berief Heydrich die Wannseekonferenz ein. Sie schaffte die organisatorische Grundlage für die "Endlösung der Judenfrage".

Anstelle der Auswanderung ist nunmehr als weitere Lösungsmöglichkeit nach entsprechender vorheriger Genehmigung durch den Führer die Evakuierung der Juden nach dem Osten getreten.

Diese Aktionen sind jedoch lediglich als Ausweichmöglichkeiten anzusprechen, doch werden hier bereits jene praktischen Erfahrungen gesammelt, die im Hinblick auf die kommende Endlösung der Judenfrage von wichtiger Bedeutung sind.

Im Zuge dieser Endlösung der europäischen Judenfrage kommen rund 11 Millionen Juden in Betracht, die sich wie folgt auf die einzelnen Länder verteilen: []

Unter entsprechender Leitung sollen im Zuge der Endlösung die Juden in geeigneter Weise im Osten zum Arbeitseinsatz kommen. In großen Arbeitskolonnen, unter Trennung der Geschlechter, werden die arbeitsfähigen Juden straßenbauend in diese Gebiete geführt, wobei zweifellos ein Großteil durch natürliche Verminderung ausfallen wird.

Der anfällig endlich verbleibende Restbestand wird, da es sich bei diesem zweifellos um den widerstandsfähigsten Teil handelt, entsprechend behandelt werden müssen. da dieser, eine natürliche Auslese darstellend bei Freilassung als Keimzelle eines neuen jüdischen Aufbaues anzusprechen isr. (Siehe die Erfahrung der Geschichte.)

Im Zuge der praktischen Durchführung der Endlösung wird Europa vom Westen nach Osten durchgekämmt. Das Reichsgebiet einschließlich Protektorat Böhmen und Mähren wird, allein schon aus Gründen der Wohnungsfrage und sonstigen sozialpolitischen Notwendigkeiten, vorweg genommen werden müssen.

Die evakuierten Juden werden zunächst Zug um Zug in sogenannte Durchgangsghettos verbracht, um von dort aus weiter nach dem Osten transportiert zu werden. Wichtige Voraussetzung, so SS-Obergruppenführer Heydrich weiter aus, für die Durchführung der Evakuierung Oberhaupt ist die genaue Festlegung des in Betracht kommenden Personenkreises.

Im Zuge der Endlösungsvorhaben sollen die Nürnberger Gesetze gewissermaßen die Grundlage bilden, wobei Voraussetzung für die restlose Bereinigung des Problems auch die Lösung der Mischehen- und Mischlingsfragen ist. Chef der Sicherheitspolizei und des SD erörtert im Hinblick auf ein Schreiben des Chefs der Reichskanzlei zunächst theoretisch die nachstehenden Punkte:

1. Behandlung der Mischlinge 1. Grades

Mischlinge 1. Grades sind im Hinblick auf die Endlösung der Judenfrage den Juden gleichgestellt.

Behandlung der Mischlinge 2. Grades

Die Mischlinge 2. Grades werden grundsätzlich den Deutschblütigen zugeschlagen, mit Ausnahme folgender Fälle, in denen die Mischlinge 2. Grades den Juden gleichgestellt werden:

a) Herkunft des Mischlings 2. Grades aus einer Bastardehe (beide Teile Mischlinge).

b) Rassisch besonders ungünstiges Erscheinungsbild des Mischlings 2. Grades, das ihn schon äußerlich zu den Juden rechnet.

c) Besonders schlechte polizeiliche und politische Beurteilung des Mischlings 2. Grades, die erkennen läßt, daß er sich wie ein Jude fühlt und benimmt.

Auch in diesen Fällen sollen aber dann Ausnahmen nicht gemacht werden, wenn der Mischling 2. Grades deutschblütig verheiratet ist.

3. Ehen zwischen Volljuden und Deutschblütigen

4. Ehen zwischen Mischlingen 1. Grades und Deutschblütigen

5. Ehen zwischen Mischlingen 1. Grades und Mischlingen 1. Grades oder Juden

6. Ehen zwischen Mischlingen 1. Grades und Mischlingen 2. Grades

Beide Eheteile werden ohne Rücksicht darauf, ob Kinder vorhanden sind oder nicht. evakuiert bzw. einem Altersghetto überstellt. Da etwaige Kinder rassenmäßig in der Regel einen stärkeren jüdischen Bluteinschlag aufweisen, als die jüdischen Mischlinge 2. Grades. SS-Gruppenführer Hofmann steht auf dem Standpunkt, daß von der Sterilisierung weitgehend Gebrauch gemacht werden muß, zumal der Mischling, vor die Wahl gestellt, ob er evakuiert oder sterilisiert werden soll, sich lieber der Sterilisierung unterziehen wurde.

Der Verzicht auf den Widerstand - eine richtige Entscheidung?

Anläßlich seines Rücktritts erklärte Schuschnigg in einer letzten Radioansprache:

"Der Herr Bundespräsident beauftragt mich, dem österreichischen Volk mitzuteilen, daß wir der Gewalt weichen. So verabschiede ich mich in dieser Stunde von dem österreichischen Volke mit einem deutschen Wort und einem Herzenswunsch: Gott schütze Österreich!"

Gleichzeitig erhielt das österreichische Bundesheer den Befehl, den deutschen Truppen keinen Widerstand zu leisten. Weder Italien noch die Westmächte waren zu einem militärischen eingreifen bereit. Ohne Verbündete glaubte Schuschnigg nicht an einen sinnvollen Widerstand. In seinem Buch "Im Kampf gegen Hitler" Schrieb er:

"Es ist begreiflich, daß nach 1945 über die Frage des unterbliebenen militärischen Widerstandes ein heftiger Meinungsstreit entbrannte. () Das Hauptargument läuft darauf hinaus, daß ein zumindest symbolischer Widerstand am 11. März 1938 Österreich nach der Befreiung 1945 zugute kommen konnte* hundert Gefallene hätten vielleicht Österreich die zehn Jahre Viermächtebesatzung erspart . Der symbolische Widerstand hätte an der Einverleibung Österreichs nichts geändert Die Österreicher hätten im Krieg in der deutschen Armee gedient, und die Behandlung Österreichs unmittelbar nach dem Krieg hätte ebensowenig von dem Willen der Österreicher abgehangen wie etwa jene der Polen."

*) Trotz des polnischen Widerstandes gegen Hitler wurde der Bevölkerung nach dem Krieg ein kommunistisches Regime aufgezwungen.

Der Politikwissenschaftler Norbert Leser vertritt eine gegenteilige Meinung

"Im konkreten Falle wäre es die Aufgabe Schuschniggs gewesen, mit der Verteidigung ernst zu machen, statt sich kampflos zu ergeben. Wohl hätte diese Entscheidung unter Umständen tagelanges Blutvergießen zur Folge gehabt, doch hätte der Aderlaß je schlimmer sein können, als der Beitrag, den österreichische Soldaten im Zweiten Weltkrieg für eine fremde und schlechte Sache leisten mußten? Für letzte Werte muß man ohne Rücksicht auf Erfolg einstehen, man muß die vorübergehende Niederlage hinnehmen, um die Glaubwürdigkeit der eigenen Sache zu retten. Doch es ist gar nicht sicher, ob ein bewaffneter Widerstand bloß den Wert und die Wirkung eines moralischen Protestes gehabt hätte Ein entschlossener Widerstand Österreichs (hätte vielleicht) Hitler vor weiteren Aggressionen zurückschrecken lassen ."

Die Ideologie des Nationalsozialismus

Führerprinzip

Der NS ist eine faschistische Ideologie. Der Faschismus stellt den Gedanken einer Elite eines Führertums in den Mittelpunkt seines Denkens. Diesem Führerprinzip, das sich in allen gesellschaftlichen Bereichen von der Regierung bis zur Organisation der Betriebe findet, entspricht auf der anderen Seite der Gefolgschaft. Der Wille des Führers ist Gesetz, an dem es nichts zu rütteln gibt. Die Untergebenen müssen die Befehle der Führer ausführen.

Verschiedenwertige Rassen und territoriale Expansion

Für den NS ist die "Rasse" das entscheidende Element allen Lebens. Sie sei eine blutmäßige Substanz, die Menschen und Völker nicht nur körperlich bestimme, sondern auch in ihren geistigen und seelischen Bereichen grundlegend voneinander scheide, und zwar in minder- und höherwertige! Der NS unterscheidet "kulturtragende" Rassen, die zum Herrschen bestimmt sind ("Herrenrassen") und "kulturzerstörende" (Sklavenrassen), deren Angehörige nur zur Knechtschaft tauglich und daher minderwertig seien. Als "Herrenrassen" gilt die "arische", innerhalb der den "Germanen" (der "nordischen" Rasse) und besonders den Deutschen eine führende Rolle zukomme. Sklavenrassen seien Neger, Zigeuner, Slawen, Indianer, besonders aber Juden - gleichs die "Gegenrasse", die die arische zersetzen wolle. Die Juden seien der Inbegriff alles Bösen und Dunklen, sie seien "Schmarotzer" und "Parasiten" und müßten daher ausgerottet werden.

Von dieser Rassenlehre leitet sich eine neue Außenpolitik ab: Die biologische Zukunft des deutschen Volkes könne nur gesichert werden durch Inbesitznahme neuen Bodens. Da dies nicht ohne Verdrängung der ansässigen Bevölkerung möglich ist, können außenpolitische Ziele nur durch Krieg verwirklicht werden. Hitler sieht den zu erobernden Lebensraum besonders im Osten Europas.

Der Kriegsvorbereitung entsprechend, wurde als männliches Ideal die Fähigkeit zum körperlichen Kampf, zur Bewältigung physischen Schmerzes angesehen, während die Frau hauptsächlich als Instrument der Rassenzucht betrachtet wurde (Forderung nach "hochwertigem" Kinderreichtum). Ehrenkarten für kinderreiche Mütter, Mutterverdienstkreuze und die Einführung des Muttertages legen davon Zeugnis ab.

Dieser Rassegedanke führte auch zu den Zuchtanstalten des Vereins Lebensborn, in denen besonders ausgewählte 'nordische' Frauen von SS-Männern zum Zweck der Erzeugung hochwertigen Nachwuchses befruchtet wurden. Andrerseits führte er zur Durchführung der Euthanasie, der Vernichtung kranker, "lebensunwerter" Menschen.

Goebbels: Michael. Ein deutsches Schicksal in Tagebuchblättern (1934).

Die Frau hat die Aufgabe, schön zu sein und Kinder zur Welt zu bringen. Das ist gar nicht so roh, wie sich das anhört. Die Vogelfrau putzt sich für ihren Mann und brütet für ihn die Eier aus. Dafür sorgt der Mann für die Nahrung. Sonst steht er auf der Wacht und wehrt den Feind ab.

(Die Wirklichkeit sah anders aus: 1939 arbeiteten 36,1% der Frauen in der Produktion, mehr als je zuvor. Sie mußten mit der Doppelbelastung von Familie und Beruf fertig werden)

Nationalismus und "Volksgemeinschaft"

Die Grundlage der Identifikation bildet im NS die Zugehörigkeit zum dt. Volk, wobei darunter alle Leute mit dt. Muttersprache verstanden werden. Nation wird dabei gleichsam als lebendiger Organismus verstanden, der z.B. durch die "Schmach von Versailles" (Friedensverträge) verletzt worden sei. Während zwischen den einzelnen Nationen die Gegensätze stark betont werden, versucht man die Gegensätze innerhalb einer Nation, vor allem die sozialen Gegensätze, zu verniedlichen. Nach Beendigung der "nationalsozialistischen Revolution" erklärten die dt. Faschisten daß nun alle gesellschaftlichen Klassen aufgehoben seien. Jeder Deutsche sollte "für den anderen da sein", was aber da facto für die Lohnabhängigen mehr galt als für die Unternehmer.

Um die Arbeiter für sich zu gewinnen, knüpfte die NSDAP an die Forderung an, die Macht des privaten Kapitals einzuschränken und zu beseitigen, gleichzeitig mußte sie aber vor dem Groß- und Kleinbürgertum die "Heiligkeit" des Kapitals behaupten, um auch sie zu gewinnen. Das gelang teilweise, indem sie zwischen dem "schaffenden" (arischen) und dem "raffenden" (jüdischen) Kapital unterschied. Nur letzteres sei an der Wirtschaftsmisere und Ausbeutung schuld.

Mit demselben Trick wandte sich die NSDAP gegen die Arbeiterbewegung: Das internationale Judentum in Gestalt des Marxismus habe die Arbeiter für seine Zwecke mißbraucht, deshalb müsse die NSDAP den "Deutschen Sozialismus" schaffen. Für die scheinbare Befriedigung der Arbeiterinteressen wurden aber nicht nur Schlagworts der Arbeiterbewegung benutzt, sondern auch ihre Organisationsformen und ihre Symbolik (große Festaufzüge, Massensport).

Rede Hitlers zum 1.Mai 1933 (erstmals Staatsfeiertag in Dt.)

Deutsches Volk! Du bist stark, wenn du eins wirst, du bist gewaltig, wenn du den Geist deines Klassenkampfes und deiner Zwietracht aus dem Herzen reißt, du kannst hinter deine Arbeit eine unerhörte Kraft stellen, wenn du die Arbeit verbindest mit dem Gefühl deines gesamten Volkstums.

Propaganda

Der Faschismus bekennt sich voll zur Manipulation der Massen. Er will sie unter großem Propagandaaufwand, mit allen Mitteln, gewinnen. Das ist nötig, um sie zu überzeugen, daß autoritäre Herrschaftsstrukturen und blinder Gehorsam sinnvoll seien, sie also zu veranlassen, gegen ihre eigenen Interessen zu handeln. Um die Massen zu gewinnen, ist es weiters nötig, möglichst allen Menschen möglichst viel zu versprechen. Dadurch ergeben sich natürlich große Widersprüche in den Aussagen; damit sie nicht aufgedeckt werden, sollen die Leute fast ausschließlich über ihr Gefühl angesprochen werden.

Hitler hatte die Gabe, die geheimsten Sehnsüchte und Wünsche der Massen aufzuspüren und so fast eine religiöse Erwartung, blinde Glaubseligkeit ihm gegenüber zu erwecken. Der "Führermythos" war hiebei ebenso wichtig wie die Vermittlung einer Geborgenheit in der Volksgemeinschaft, die Aufwertung des Ego (ich gehöre zur Herrenrasse!) und die Konstruktion eines "Sündenbocks", auf den man alle Fehler und Unzulänglichkeiten abschieben konnte, auf den man vor allem seine Aggressionen abladen konnte.

Hitler: Mein Kampf

Die Aufnahmefähigkeit der großen Masse ist nur sehr beschränkt, das Verständnis klein, dafür jedoch die Vergeßlichkeit groß. Aus diesen Tatsachen heraus hat sich jede wirkungsvolle Propaganda auf nur sehr wenige Punkte zu beschränken und die schlagwortartig so lange zu verwerten, bis auch bestimmt der letzte unter einem solchen Worte sich das Gewollte vorzustellen vermag.

Schulungsbrief der NSDAP für die SS

Wir glauben auf dieser Erde allein an Adolf Hitler. Wir glauben, daß der Nationalsozialismus der allein seligmachende Glaube für unser Volk ist. Wir glauben, daß es einen Herrgott im Himmel gibt, der uns geschaffen hat, der uns lenkt und der uns sichtbarlich segnet. Und wir glauben, daß dieser Herrgott uns Adolf Hitler gesandt hat, damit Deutschland für alle Ewigkeit ein Fundament werde.

Der Zweite Weltkrieg

Der Weg zum Zweiten Weltkrieg

Die Bestimmungen des Versailler Vertrages von 1919 wurden von vielen Deutschen als Schmach aufgefaßt: Der dt. Militarismus sollte auf Dauer geschwächt werden. Die Millionenarmee mußte auf 100.000 Mann reduziert werden, moderne Waffen wie Panzer und Flugzeuge waren verboten. So richtete sich das ganze Bestreben der Wehrmacht darauf, diese Bestimmungen zu umgehen. Eine Fülle theoretischer Studien über wirkungsvolle Kriegsführung wurden angefertigt, man knüpfte Kontakte zum Ausland, um neue Waffen zu erproben (z.B. zur SU), bis schließlich 1933, die Aufrüstung offen betrieben wurde. Der zweite dt. Vierjahresplan 1936 war bereits auf die Vorbereitung eines Krieges abgestimmt.

1936 marschierte Dt. ins Rheinland (entmilitarisierte Zone!) ein, 1938 in Österreich. Im Oktober 1938 besetzten dt. Truppen nach Verhandlungen mit Frankreich und GB ("Münchner Abkommen") das Sudetenland. Im März 1939 rücken sie in die Tschechoslowakei ein, Böhmen und Mähren wurden "Reichsprotektorat".

Jetzt gaben Frankreich und England eine Garantieerklärung für Polen ab - bis dahin hatten sie eine Politik der "Beschwichtigung" (Appeasement) gegenüber dem dritten Reich betrieben.

Gleichzeitig versuchte sich Deutschland durch Bündnisse abzusichern bzw. über seine wahren Vorhaben andere Länder zu täuschen: 1934 Nichtangriffspakt mit Polen, 1935 Flottenabkommen mit England, 1936 Antikominternpakt mit Japan (Beitritt Italiens 1937, Spaniens 1939), 1939 Hitler-Stalin-Pakt).

Die Blitzkriege

Da die Vorräte für die wichtigsten Rohstoffe höchstens für eine Jahresproduktion reichten, versuchte die dt. Armee, durch zeitlich aufeinanderfolgende, jeweils alle Kräfte zusammenfassenden Schläge gegen möglichst isolierte Gegner seine dann überlegenden Kräfte zum Einsatz zu bringen. Dazu wurden eigene Panzereinheiten aufgestellt.

Polenfeldzug

(September 1939) In 18 Tagen wird die polnische Armee geschlagen und das ganze Land besetzt.

Nordwegenfeldzug

(April bis Juni 1940) Um Deutschlands Nordflanke und Erzzufuhr aus Schweden zu sichern, besetzt Dt. Dänemark und Norwegen.

Westfeldzug

(Mai bis Juni 1940) Unter Verletzung der Neutralität Belgiens und der Niederlande greift Hitler Frankreich an, zwingt die Armeen dieser Länder zur Kapitulation und schließt Waffenstillstand. Das englische Expeditionskorps wird bei Dünkirchen eingeschlossen und kann sich unter Zurücklassung aller Waffen über den Armelkanal retten.

Charles de Gaulle organisiert von England aus eine französische Armee unter der Maxime: "Frankreich hat eine Schlacht verloren. Aber Frankreich hat keineswegs den Krieg verloren".

Balkanfeldzug

(April bis Mai 1941) Deutsche Truppen besetzen in 11 Tagen Jugoslawien und in 15 Tagen Griechenland. Kreta wird unter Einsatz von Fallschirmjägern genommen. Der Balkanfeldzug verzögert den für Anfang Mai geplanten Krieg gegen Rußland.

Rußlandfeldzug

(22. Juni 1941 bis 31. Jänner 1943) Deutsche, italienische, ungarische und finnische Truppen dringen in breiter Front (3 Heeresgruppen) auf sowjetisches Gebiet vor. In zahlreichen Kesselschlachten wird die Rote Armee auf die Linie Leningrad-Moskau-Krim zurückgedrängt. Gegenangriffe im kalten Winter 1941/42 bringen ihr Wieder einigen Geländegewinn. Im Frühjahr 1942 tritt die dt. Wehrmacht und ihre Verbündeten neuerlich zum Angriff an und stoßen bis nach Stalingrad und bis an die Hänge des Kaukasus vor (Ziel Ölfelder).

In Stalingrad wurden die dt. Truppen unter General-FM. Paulus von der ruß. Armee eingeschlossen; Hitler verbietet Ausbruch, Sowjets fordern Übergabe der Stadt, Dt. lehnen ab, müssen dann aber kapitulieren.

Verluste der dt. Armee:

Durch Kampfhandlungen: über 65 000

Gefangenschaft: 201 000

Darunter früh schon den Verwundungen und dem Fleckentyphus erlegen: 101 000

Gefangene 1943: 96 000

Heimgekehrt: 6 000

Nordafrika

In Nordafrika führt das dt. Afrikakorps 1941/42 einen erfolgreichen Blitzkrieg bis weit nach Agypten hinein (El Amein).

Pazifik

Im Pazifik gewinnen die Japaner in einem "Blitzkrieg" die Herrschaft über den östlichen Pazifik und einen Großteil seiner Inselwelt.

Invasionen und Gegenangriffe der Alliierten bis zum Zusammenbruch Deutschlands

Eroberung Italiens

Nach der Eroberung von Tunis landen westalliierte Truppen in Sizilien im Juli 1941 und in Unteritalien im September 1943. Die Deutschen besetzen das restliche Italien (zw. Rom und Neapel) und entwaffnen die italienische Armee. 1943/44 Stellungskrieg und Schlachten von Cassino und Nettuno. Im Mai 1944 fällt Rom. im Winter 1944/45 Stellungskrieg in den Apenninen südlich Bologna. Die dt. Italienarmee kann bis Kriegsende Poebene und Alpengebiet behaupten.

Mussolini wird im Juli 1943 verhaftet. befreit und errichtet die Norditalienische Republik; im April 1945 wird er erschossen.

Invasion im Westen - Eroberung Frankreichs und Belgiens

Am 6. Juni 1944 beginnen die Landungen der Alliierten an den Küsten der Normandie (General Eisenhower). Juli/August wird Frankreich in einem "Blitzkrieg" erobert. Nach dem Scheitern der dt. Ardennenoffensive im Dezember 1944 (mit neuen Waffen: V1 - V2, Düsenflugzeuge) treten die Westalliierten im Februar 1945 zum Gegenangriff auf das Reichsgebiet an. Am 25. April stoßen Amerikaner bei Torgau an der Elbe auf Sowjets.

Niederlage und Zusammenbruch der deutschen Ostfront

Nach einem russischen Großangriff im August 1943 wird das dt. Ostheer auf die Westukraine zurückgedrängt. Im Sommer 1944 bricht die dt. "Heeresgruppe Mitte" in Rußland zusammen und im Winter 1944 wird bereits in Polen, in den Karpaten, in Schlesien und Ostpreußen gekämpft. Am 2. Mai 1945 ist der letzte Widerstand in Berlin gebrochen.

Die Kapitulation Japans

Die Amerikaner arbeiten sich unter dem Oberbefehl General. MacArthurs von Inselgruppe zu Inselgruppe immer näher an Japan heran, die Entscheidung bringt der Abwurf von Atombomben auf Hiroshima (6.8.1945) und Nagasaki (9.9.1945).

Die Toten des Krieges

Gesamtverlust 50- 52 Millionen, davon die Hälfte Zivilbevölkerung. Verteilt auf Länder (Gesamtverluste/Ziviltote, in Millionen): UdSSR: 20.5/7.0. Deutschland: 7.5/4.0. Polen: 4.3/4.2. Jugoslawien: 1.7/1.4. Japan: 1.8/0.2. Osterreich 0.34/0.1. USA 0.26/-.

Der Anschluß Österreichs

Die Situation Österreichs vor dem Anschluß

Starke innenpolitische Gegensätze (Ständestaat - Sozialdemokratie ausgeschaltet)

Schlechte Wirtschaftslage: Österreich war das einzige europäische Land mit einem geringeren BNP als 1913, hohe Arbeitslosigkeit. Seit 1937 leichte Belebung der Wirtschaft, was aber die Bevölkerung noch kaum merkte.

Außenpolitische Isolation: Die Ständestaat-Regierung versuchte eng mit den ebenfalls autoritär regierten Staaten Italien und Ungarn zusammenzuarbeiten ("Römische Protokolle" 1934; Aufmarsch Italiens an der Grenze beim Putschversuch der NSDAP). 1935/36 kam es aber zu einer Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Italien ("Achse Berlin-Rom"). Andere Länder (bes. England) waren am Schicksal Österreichs nicht bes. interessiert und betrachteten z.T. die Anschlußfrage als "rein deutsche Angelegenheit".

Die Chronologie der Ereignisse

Bereits 1933 versuchte Hitler Österreich entscheidend wirtschaftlich zu schwächen, indem er die "1000-Mark-Sperre" einführte: Geldstrafe von 1000 M. für jeden Deutschen, der in Österreich Urlaub machen wollte.

Im Juliabkommen 1936 anerkannte Hitler die volle Souveränität Österreichs, als Gegenleistung wurde der Großteil der inhaftierten Nationalsozialisten amnestiert und ein Nationalsozialist zum Minister ernannt.

Der Versuch Schuschniggs, die Arbeiter zu einem Bündnis mit dem Ständestaat zu bewegen, scheiterte, da die Regierung nicht gewillt war, die Forderung der Arbeiter nach den alten Freiheiten (u.a. freie Gewerkschaften!) zu erfüllen.

Hitler drohte immer massiver mit einem Einmarsch. Bei einer Unterredung mit Schuschnigg in Berchtesgaden im Feb. 1938 zwang er ihn, Seyß-Inquart als Innenminister in die Regierung aufzunehmen.

Schuschnigg sah nur noch einen Ausweg: Am 9.3. kündigte er für 13.3. eine Volksabstimmung über die Unabhängigkeit Österreichs an. Die Linksopposition gab eine Wahlempfehlung für Schuschnigg ab.

Das veranlaßte Hitler, den Rücktritt Schuschniggs zu erzwingen. Nach längerem Zögern ernannte Bundespräsident Miklas daraufhin Seyß-Inquart zum neuen Bundeskanzler, dem nun ein "Hilferuf" um deutsche Truppen diktiert wurde. Einen Einsatz des Bundesheers lehnte Schuschnigg ab.

Der Einmarsch

Unter dem Decknamen "Unternehmen Otto" rückten deutsche Truppen (105.000 Mann, 16.000 Polizeikräfte) am 12. März in Österreich ein, ohne Widerstand vorzufinden. Durch die schlechte Vorbereitung gab es allerdings viele Pannen, da die Wehrmacht sich noch nicht zum Angriff in der Lage sah (Folge: Hitler übernahm selbst die Führung der Wehrmacht und machte Göring zum ranghöchsten Militär): Die Panzerverbände operierten ohne genaue Karte und ohne Treibstoff-Nachschub; durch die neue Fußbekleidung gab es viele Marschkranke; auf den Einfallstraßen kam es zu vielen Staus.

So hätte das österr. Bundesheer, das durchaus einsatzbereit war, sicherlich einige Tage Widerstand leisten können.

Die unmittelbaren Folgen des Anschlusses

Mit dem "Anschlußgesetz" vom 13.März wurde der Name Österreich ausgelöscht und die nunmehrige "Ostmark" in sieben Reichsgaue geteilt mit einem Reichsstatthalter an der Spitze. Einen Tag später verkündete Hitler bei einer Großkundgebung am Wiener Heidenplatz den "Eintritt meiner Heimat in das Großdeutsche Reich".

Schon in den ersten Wochen wurden über 70.000 Österreicher von der Gestapo verhaftet, die Rohstoffe ausgebeutet, die Rüstungsindustrie ausgebaut, der beträchtliche österr. Gold- und Devisenschatz (Gesamtwert: ca. 2,7 Mrd. S) für die weitere Aufrüstung verwendet. Das Dt. Reich hatte bis zu diesem Zeitpunkt nur l% Goldreserven bezogen auf den Banknotenumlauf. Die wirtschaftliche Ausbeutung Österreichs war ein wesentlicher Grund für den Anschluß gewesen.

Am 10. April wurde bei einer Volksabstimmung (offene Abgabe der Stimmzettel) der "Anschluß" von 99,7 % der Bevölkerung begrüßt.

Die österreichischen Bischöfe hatten zuvor eine Wahlempfehlung für Hitler abgegeben, die von der NS-Propaganda stark verwertet wurde. Die damit verbundenen Hoffnungen der Kirche auf Wahrung ihrer Freiheiten und besonders ihres Einflusses auf die Jugenderziehung wurden aber nicht erfüllt.

Der erste Weltkrieg

Geschichte des Antisemitismus

Aus einer Rede des christlichsozialen Abgeordneten L. Kunschak 1920 im Parlament:

Die Studentenkrawalle sind nur der akute Ausdruck der schweren Erkrankung, in welcher sich unsere öffentliche Ordnung und unser öffentliches Leben überhaupt befinden. Sie sind zu vergleichen mit den Wirkungen, die sich ergeben, wenn eine Eiterbeule zum Aufbrechen kommt. und diese Eiterbeule am Körper unseres Volkslebens wie unseres Staatslebens besteht in der Tatsache, daß seit dem Kriegsbeginn bis zum heutigen Tage noch immer von den Flüchtlingen der damaligen Zeit sich eine bestimmte Sorte - es sind das die Ostjuden - in Wien aufhält und anscheinend durch nichts aus Wien hinauszubringen ist (So ist es!) Es ist sehr bezeichnend, daß die Flüchtlinge anderer Nationen von selbst das Bedürfnis gehabt haben, in dem Augenblick, wo sich ihnen ein, wenn auch noch so schmaler Weg zurück in ihre Heimat geboten hat, diesen Weg zu betreten [..] Nur die Ostjuden, die nicht nur allein, sondern mit ihrer ganzen Nation gemeinsam haben das Gefühl vollständigen Mangels an Heimatliebe. weil sie keinen Heimatbegriff kennen, sind hier geblieben. Die Heimat des Juden ist der Boden, wo sein Hafer wächst, und nur so lange. als Hafer eingebracht werden kann; in dem Augenblick, wo es Hafer nicht mehr gibt, verliert sie jeden Wert und jede Bedeutung. (Zustimmung),[] Solange es noch einen grünen Flecken gibt, sind sie nicht fortzubringen. Der Heuschreck läßt das Land, das er überfallen hat, nicht eher los, als bis er es kahl gefressen hat.

Das sieht unser Volk- das empfindet unser Volk. Solange die Juden Anspruch darauf hatten. von uns Gastrecht zu verlangen. weil sie vertriebene. landflüchtige Leute waren, so lange haben die arischen Völker und hat das arische Wien über dieses Gastrecht hinaus vergessen auf die Gefahren und Beschwernisse. die die Anwesenheit der Ostjuden für ihr eigenes Leben bedeutet. Es bestehen jetzt alle Gründe zu verlangen. daß die Ostjuden endlich einmal entfernt werden (Sehr richtig!).

Und was gibt es nun für Mittel. um dagegen einzuschreiten? Das Staatsamt des Inneren soll die Ostjuden. die freiwillig nicht gehen wollen ausweisen. Nun weist das Staatsamt des Inneren darauf hin, daß es ja von seiner Seite geschieht, daß aber so unendlich große Schwierigkeiten zu bewältigen sind. Sie liegen in unserem Verhältnis gegenüber Polen, mit dem wir doch in ein halbwegs freundschaftliches Verhältnis gelangen wollen. und die Polen haben keine Sehnsucht, ihre Landsleute wieder zurückzubekommen. (Heiterkeit) []

Nehmen wir an, daß diese Schwierigkeiten wirklich bestehen, dann gibt es noch ein anderes Mittel. das auch schon erprobt worden ist []. Die alte Monarchie hat für Flüchtlinge zweierlei Methoden gehabt: Die eine Methode bestand in der Errichtung von Konzentrationslagern die zweite Methode in der Zuweisung und in der Zubilligung voller Bewegungsfreiheit an bestimmten Orten. Die erstere Methode wurde gegen alle arischen Flüchtlinge der alten Monarchie angewendet. Wo immer Flüchtlinge arischer Abkunft hingekommen sind ob sie nun Bauern oder Arbeiter oder Bürger waren. man hat sie unbarmherzig in die Konzentrationslager gesteckt und hat sie dort wie eine Herde Vieh behandelt, gewartet und gefüttert. [] Wir könnten die Juden, vor die Wahl stellen, entweder freiwillig auszuwandern oder aber in die Konzentrationslager gesteckt zu werden dagegen ist gar nichts einzuwenden, von keinem Gesichtspunkt aus, und wir fordern daher, daß, wenn die Juden, soweit sie nicht ausgewiesen werden können und soweit sie nicht freiwillig gehen, unverzüglich in solchen Konzentrationslagern interniert werden sollen.

Weite Verbreitung des Antisemitismus in der Ersten Republik

Die Beispiele sollen deutlich machen, daß der Antisemitismus in der 1. Republik weit verbreitet war. Politisch spielte er seit dem Ende des 19. Jahrhunderts eine große Rolle, vor allem in der Christlichsozialen Partei unter Karl Lueger. Er benutzte vorhandene Vorurteile zur Gewinnung vieler Wähler, indem er den wirtschaftlichen Angsten mittelständischer und kleinbürgerlicher Schichten das Feindbild des "kapitalistischen Juden" präsentierte. Der Antisemitismus ging dann auch auf Organisationen wie Turn- oder Bergsteigervereine über die mit sog. "Arierparagraphen" Juden die Mitgliedschaft verwehrten. Auch die Kirche bekämpfte das Judentum; sie führte dafür religiöse, wirtschaftliche und moralische Argumente ins Treffen. Bei manchen Politikern und Priestern verschwammen die Grenzen zum "rassischen Antisemitismus" (siehe später), wie ihn vor allem deutschnationale Kreise vertraten, ausgehend von radikalen Studenten in den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts.

Vorwürfe gegen die Juden

Man warf den Juden vor, sie wären Parasiten, die das Heimatland ausbeuten, verantwortlich für Kapitalismus und Kommunismus, arbeitsscheu, lasterhaft, unstet, betrügerisch und Devisenschmuggler, strebten nach Weltherrschaft, würden auf Kosten anderer im Luxus leben und über die Presse die Volksmeinung manipulieren.

Warum waren so viele Juden im Handel und in freien Berufen tätig?

Die Statistik scheint manchen Vorwürfen gegen "die" Juden rechtzugeben: Warum waren sie in manchen Berufszweigen wie überproportional vertreten, warum gab es so wenig Bauern und Handwerker unter ihnen?

Semitische Nomadenstämme, die sich im zweiten Jahrtausend v.Chr. in Palästina angesiedelt hatten, betrieben schon früh Handel und ließen sich dadurch in fremden Städten nieder. Die "Diaspora" (Zerstreuung in alle Welt) erfolgte aber erst durch ihre Vertreibung aus Palästina - die Römer zerstörten Jerusalem 135 n.Chr. und verboten den Bewohnern, in ihr Land zurückzukehren.

So waren die Juden im Frühmittelalter praktisch die einzigen Fernhändler; damit verband sich das Zinsgeschäft, das die Christen zunächst nicht ausüben durften. Die Juden wurden dadurch leicht zu "Wucherern" abgestempelt, zumal es ihnen verboten war, ein Handwerk zu lernen oder Grund zu erwerben. Als Schutzherren der Juden präsentierten sich oft die Herrscher, die auf die internationalen Verbindungen der Juden, ihr Geld und ihre Kenntnisse als Geldfachleute angewiesen waren. Im Zeitalter des Absolutismus gelangten manche als "Hoffaktoren" an den Fürstenhöfen Mitteleuropas zu großem Reichtum. Später entstand aus der Rolle der Juden als Geldgeber das Feindbild des "ausbeutenden Kapitalisten".

Als der Liberalismus an die Macht kam, fielen die meisten Beschränkungen für Juden weg (1867), und sie wurden bald sehr bedeutend in den aufblühenden Zweigen von Wirtschaft und Kultur, denn ihre bisherige Außenseiterstellung gereichte ihnen nun zum Vorteil. Sie waren ja bereits Jahrhunderte an eine städtische Kultur und Geldwirtschaft gewöhnt. Auch ihre religiöse Praxis wirkte sich wohl positiv aus, weil sie immer schon eine hohe Schriftkultur und damit eine schulische Ausbildung der Jugend erforderte. So konnten die Juden seit ihrer Gleichstellung ihr bislang oft ungenütztes intellektuelles Potential neben dem Handel (oft als Angestellte) nun auch in den "freien Berufen" (Rechtsanwalt, Mediziner, Journalist ) verwerten, während ihnen im Staatsdienst nur wenig Möglichkeiten offenstanden. Die bürgerlich-liberale Wiener Kultur der Jahrhundertwende und der Ersten Republik ist ganz wesentlich von Juden mitgeprägt: Von Dichtern wie Arthur Schnitzler, Stefan Zweig, Karl Kraus, Peter Altenberg, Joseph Roth und Hermann Broch, von Musikern wie Gustav Mahler und Arnold Schönberg, von Wissenschaftlern wie Sigmund Freud, Alfred Adler und Hans Kelsen. Wohl mehr als die Hälfte aller Journalisten waren Juden.

Warum wurden gerade Juden immer wieder Opfer von Verfolgungen?

Das Judentum war im Mittelalter die einzige fremde Religion, die von den christlichen Ländern geduldet wurde. Als Urbild des anderen, des Fremden, spielten sie die Rolle von Sündenböcken in Krisenzeiten (In Deutschland zum Beispiel wurden zur Zeit der Pest 1348/49 350 jüdische Gemeinden vernichtet, nachdem man sie der Brunnenvergiftung beschuldigt hatte). Antisemitismus kann hier einfach nur die Funktion haben, Sinnlosem einen Sinn zu geben. In Wien mußten sie 1421 für die Niederlage der Habsburger gegen die böhmischen Hussiten büßen: In Erdberg verbrannte man 200 Juden und konfiszierte das Vermögen der Wiener jüdischen Gemeinde. So verbanden sich mit derartigen Pogromen fast immer wirtschaftliche Vorteile, und sei es nur die Möglichkeit, seine Schulden loszuwerden.

Die Rechtfertigung für Übergriffe lieferten zumeist theologische Argumente-. Die Juden wären Christusmörder und würden den Tod Jesu wiederholen, indem sie Christenknaben um die Passahzeit umbrächten oder geweihte Hostien zerstückeln bzw. durchbohren. Zahlreiche Seligsprechungen (von der offiziellen Kirche allerdings nicht anerkannt bzw. rückgängig gemacht) sollten die Erinnerung daran wachhalten. Bekanntestes Beispiel in Österreich ist der "Anderl von Rinn".

Er fiel nach einer Legende aus dem 17. Jhdt. als Dreijähriger einem Ritualmord zum Opfer. Die Kirche in Rinn (bei Hall in Tirol), wo das angebliche Opfer beigesetzt wurde, entwickelte sich zu einem beliebten Wallfahrtsziel. Bischof Stecher verbot 1985 den Anderlkult und ließ die Gebeine vom Hochaltar entfernen. 1989 mußte das Deckenfresko der Kirche, das den "Mord" darstellte, übermalt werden, jede öffentliche Verehrung wurde untersagt. Dennoch feiern heute noch einige hundert Anhänger Messen für "ihren" Anderl.

Warum paßten sich die Juden nicht der Mehrheitsbevölkerung an?

Bis ins 19. Jahrhundert bildeten die Juden im Großteil Europas kleine, abgeschlossene Bevölkerungsgruppen. Sie mußten seit dem 13. Jahrhundert spezielle Kennzeichen tragen; weit verbreitet war der spitze "Judenhut" und der an der Brust befestigte gelbe "Judenfleck". Die Behörden wiesen ihnen abgeschlossenen Ghettos zu- in Wien bis 1421 einen Teil des 1. Bezirks (Wipplingerstraße), ab 1625 die Leopoldstadt.

Mit der Aufhebung der Wohn- und Ansiedlungsbeschränkungen für Juden 1848 wanderten viele aus Böhmen, Mähren, Galizien und Ungarn nach Wien. Während 1848 nicht mehr als 4000 Juden hier ansässig waren, zählte man 1869 bereits 40.000 und 1890 100.000. Die eingewanderten Juden waren im allgemeinen bestrebt, sich die deutsch-österreichische Kultur anzueignen. In den Gymnasien erhielten ihre Kinder dieselbe humanistische Ausbildung wie die Kinder der alteingesessenen Österreicher. In manchen Fällen führte dies zu einer Aufgabe der jüdischen Religion, vor allem, um in der gehobenen Bürokratie, in Armee oder Diplomatie Karriere zu machen, meistens aber zu einer österreichisch-jüdischen Identität. Eine zweite Welle von Einwanderern kam auf der Suche nach Arbeitsmöglichkeiten um die Jahrhundertwende aus Galizien nach Wien. Diese "Ostjuden" waren oft sehr arm, weniger an das Stadtleben gewöhnt und viel orthodoxer in ihren Anschauungen. Mit ihrer traditionellen Kleidung (Kaftan, Ohrlocke, Bart) und ihrer jiddischen Sprache galten sie den Antisemiten als "Beweis" für mangelnde Anpassungsfähigkeit. Allerdings bemühten sich die alteingesessenen Wiener Juden sofort und auch erfolgreich um eine Akkulturation der Neuankömmlinge.

Der Erste Weltkrieg brachte eine weitere Flüchtlingswelle aus dem Osten (ca. 125.000, wovon etwa 35.000 blieben). 1923 waren fast 11% aller Wiener Juden.

Zunehmender Antisemitismus machte es den Wiener Juden schwer, sich ganz ihrer Heimat zugehörig zu fühlen. So griff nach 1900 vor allem unter Jugendlichen die Idee, sich der ständigen Diskriminierung zu entziehen und im Land Israel einen eigenen jüdischen Staat zu gründen ("Zionismus"); eine andere Gruppe forderte die Anerkennung einer jüdischen Nation innerhalb eines national-föderalistischen Österreich.

Die Judenverfolgung im Dritten Reich

Voraussetzung für den Holocaust ist die Rassenideologie, wie sie im 19. Jahrhundert entstand. Während man im Mittelalter noch durch Zwangspredigten Juden zu bekehren versuchte, meinten die Rassisten, daß die "Rasse" die Eigenart eines Menschen vollständig festlege. Die "Sozialdarwinisten" (Darwin: Lehre von der natürlichen Auslese und Verbesserung der Arten) erklärten das Ausleseprinzip als entscheidend für die menschliche Entwicklung und sahen bestimmte Rassen als höherwertig gegenüber anderen an. Die Juden wurden als "Schädlinge" bezeichnet, die man "ausmerzen" müsse, als "Parasiten" und "Schmarotzer", als "Krebsgeschwür der Gesellschaft" und "Bazillus". Man stellte ihnen die rassische Überlegenheit des "Ariers" gegenüber; dieser Begriff stammt eigentlich aus der Sprachwissenschaft und bezeichnet die Verwandtschaft gewisser Sprachen untereinander - die Rassisten glaubten daraus aus eine indogermanische Urbevölkerung Europas schließen zu können.

Der Deutschnationale Georg Ritter von Schönerer (1842-1921) rückte als einer der ersten österreichischen Politiker den Rassenantisemitismus ins Zentrum seiner Politik. Er fand zwar in der Bevölkerung damit wenig Anklang, legte aber den Grundstein für spätere, erfolgreichere Versuche, Juden zu Menschen zweiter Klasse zu machen.

Rechtliche, wirtschaftliche und soziale Diskriminierung

Auf "wilde" Aktionen nach der Machtübernahme Hitlers folgte noch 1933 ein "Boykott-Tag", der sich gegen jüdische Geschäftsinhaber und freiberuflich Tätige richtete.

Die "Nürnberger Gesetze" 1935 schufen die Grundlage für die späteren ca. 2000 Maßnahmen gegen Juden - dazu zählten jeder, der von mindestens drei jüdischen Großeltern abstammte, unabhängig davon, welcher Religion er angehörte. Mit dem "Reichsbürgergesetz" verloren sie die bürgerliche Gleichberechtigung, das "Gesetz zum Schutz des deutschen Volkes und der deutschen Ehre" verbot "rassische Mischehen" und den "außerehelichen Verkehr zwischen Juden und Staatsangehörigen deutschen und artverwandten Blutes."

Es kam zu Berufsverboten für jüdische Beamte, Arzte, Rechtsanwälte, zum Ausschluß aus Schulen und Universitäten. Mittels zahlreicher Gesetze wurden Juden sozial diskriminiert, z.B. durch Beschränkung des Aufenthalts in Parkanlagen, Verbot der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel; die Anderung der Familien- und Vornamen, die Eintragung eines "J" in Reisepässen, die befohlene Anheftung eines Judensterns (1941) bereiteten die "Endlösung" organisatorisch vor

Noch 1938 wurden die meisten Maßnahmen der Deutschen auch in Österreich umgesetzt. Schon bald nach dem Anschluß verkündete Hermann Göring, in vier Jahren müsse Wien "judenrein" sein. Es begannen - oft unorganisiert - Aktionen gegen jüdische Mitbürger (siehe den Bericht des englischen Diplomaten Gedye).

Parallel dazu kam es zur Ausschaltung der Juden aus dem Wirtschaftsleben: 1938 mußten Vermögen über 5000 RM angemeldet werden, das betraf in Österreich über ein Viertel der Juden. Man zwang sie dann, ihre eigenen Betriebe zu verkaufen, wenn diese nicht liquidiert oder enteignet wurden. Solche "Arisierungen" gingen folgendermaßen vor sich: Der "Ariseur" kaufte um den Ertragswert ein Geschäft, der Jude bekam dafür einen geringen "Sachwert" (der im wesentlichen dem Reich verfiel). Die Differenz kassierte der Staat. In Wien ging die Beraubung von Juden gründlicher und schneller als in anderen Städten des Deutschen Reiches vor sich. Im Mai 1939 waren in Berlin noch über 30% der Juden erwerbstätig, in Wien nur mehr 6%.

Das Attentat eines Juden auf einen deutschen Gesandtschaftsrat in Paris bot Anlaß zu organisierten Pogromen im ganzen Deutschen Reich (November 1938 - "Reichskristallnacht"). Die Bilanz in Wien: 27 Tote, 88 Schwerverletzte.

Viele Juden reagierten auf die Verschärfung der Lage vor allem ab 1939 mit einer Auswanderung (sie mußten 25% ihres Vermögens als "Reichsfluchtsteuer" zurücklassen), viele scheiterten aber an mangelnder Hilfsbereitschaft der Aufnahmeländer, Vermögensbeschlagnahmungen oder der Unmöglichkeit des Devisentransfers. Fast die Hälfte der halben Million Juden emigrierte oder floh, darunter mehr als 85.000 Österreicher. 102.000 gelangten in die USA, 63.000 nach Argentinien, 52.000 nach Großbritannien, 33.000 nach Palästina.

1941 änderte sich die Zielsetzung der Maßnahmen: Die Entfernung der Juden aus dem Deutschen Reich stieß mit Fortdauer des Krieges auf zunehmende Schwierigkeiten; viele Einwanderungsländer fielen weg, immer mehr Juden kamen in den deutschen Einflußbereich. "Territoriale Lösungen", zum Beispiel Evakuierung nach Madagaskar oder Sibirien, erwiesen sich als undurchführbar. Eine Zwischenlösung war die Ghettoisierung: Ab dem Herbst 1939 fanden Massendeportationen vor allem in polnische Ghettos statt. Für die österreichischen Juden über 65 Jahren war Theresienstadt vorgesehen.

Noch 1941 begann die "Endlösung der Judenfrage". In der Forschung ist umstritten, ob die physische Vernichtung schon früh geplant wurde oder sich aus Einzelaktionen entwickelte, die zur mangelnden Deportationsmöglichkeit "einen Ausweg" bieten sollten. Ab nun durften Juden nicht mehr emigrieren. In stationären Gaskammern wurden sie mit Gas getötet, aufbauend auf den Erfahrungen, die man bei der Euthanasie-Aktion "T4" gemacht hatte. Zu diesem Zweck wurden in Polen eigene Vernichtungslager gebaut: Chelmno, Beizec, Sobibor, Treblinka, Auschwitz. Teilweise wurde Zyklon B eingesetzt, das zuvor zur Ungeziefervertilgung in den KZ verwendet worden war.

Auf der "Wannsee-Konferenz" im Jänner 1942 wurden die schon stattfindenden Tötungsmaßnahmen koordiniert. In Wien führte die "Zentralstelle für jüdische Auswanderung" (Leiter Adolf Eichmann) die Deportationen durch.

In Polen und Rußland wurden Juden oft gleich an Ort und Stelle erschossen. Nach dem Einmarsch deutscher Truppen in die Sowjetunion im Juni 1941 übernahmen "Einsatzgruppen" diese Aufgabe, spezielle mobile Mordkommandos der SS, die hinter der Front agierten. Ortsansässige Antisemiten halfen ihnen, auch die kleinste jüdische Gemeinde aufzuspüren und mittels Massenexekutionen zu vernichten.

Der Holocaust kostete 5,3 bis 6 Mio. jüdischen Menschen das Leben, davon 65.000 Österreichern - die letzten neun wurden am Tag, bevor die Rote Armee Wien besetzte, von einem SS-Kommando erschossen.

Ungefähr 1,8 Millionen europäischer Juden überlebten die Herrschaft des Nationalsozialismus, darunter 300.000, die bei Kriegsende aus den KZ befreit wurden.

Massenerschießungen in Rußland

In einer Fallstudie über das Hamburger Reserve-Polizeibataillon 101 schreibt der amerikanische Holocaust-Forscher C.R. Browning, wie aus ganz normalen deutschen Männern Massenmörder wurden. Mit "Befreiungsaktionen" im besetzten Polen beauftragt, erschossen sie vom Juli 1942 bis November 1943 mehr als 38.000 Juden und verluden 45.000 weitere Juden, die in das Vernichtungslager Treblinka deportiert wurden.

Die Täter

Fast 500 Männer mit einem Durchschnittsalter von 39 Jahren. Die Führer waren Berufspolizisten, die anderen landeten hier, weil sie aus Altersgründen nicht zur Wehrmacht eingezogen worden waren; sie arbeiteten im Zivilberuf als Lkw-Fahrer, Hafenarbeiter, Kran- und Baggerführer, Kellner Ungefähr ein Viertel gehörte der NSDAP an.

Die Verweigerer

Leute, von denen bekannt war, daß sie bei Erschießungen nicht mitmachen wollten, wurden im allgemeinen nicht dazu herangezogen. In Jozefow nahm ein knappes Dutzend das Angebot Kommandeur Trapps an, vom Auftrag zurückzugehen. Sie hatten KEINE schwerwiegenden Folgen zu befürchten. 10 bis 20% baten nach kurzer Zeit um Ablöse.

Die Strafen

Kommandeur Wilhelm Trapp 1948 hingerichtet (wegen Erschießung von 87 Polen im Zuge einer Vergeltungsaktion), 3 erhielten mehrjährige Gefängnisstrafen, der Rest blieb straffrei.



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