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Referat Nationalstaat und Weltgesellschaft (1850-1914)

geschichte referate

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Nationalstaat und Weltgesellschaft (1850-1914)

Die Wiener Ordnung, die auf der Solidarität und den gemeinsamen Interessend er

fünf europäischen Großmächte beruhte, zerbröckelte in den 1850er Jahren

allmählich. Immer häufiger verfolgten die Staaten nur noch die eigene

Machtpolitik und gingen dazu wechselnde Bündnisse ein. Fortan bestimmten nicht

mehr revolutionäre Entwicklungen von unten, sondern kriegerische Durchsetzungen

von oben die Bildung von Nationalstaaten.

1. Beginn der 'Ara Bismarck'

In Deutschland hatte nach dem Scheitern der bürgerlichen Revolution von 1848

Ernüchterung eingesetzt. Statt der hehren Ideale von 1789 oder 1813 wurde

'Realpolitik' das Schlagwort der neuen Ara und Otto von Bismarck (1815-1898) ihr

erfolgreichster Interpret. Sein Politikverständniss charakterisierte eine

programmatische Rede als preußischer Ministerpräsident 1862: 'Nicht durch Reden

und Majoritätsbeschlüsse werden die großen Fragen der Zeit entschieden, sondern

durch Eisen und Blut.'

Von Demokratie und Parlament hatte Bismrack keine hohe Meinung und ließ

dies in seinem Regierungsstil auch deutlich erkennen. Als er sein Amt antrat,

befand sich die preußische Regierung in einer Krise, die König Wilhelm I.

(1797-1788) bereits an den Rand der Abdankung gebracht hatte. Im Zusammenhang mit

einer Heeresreform verweigerte das Parlament der Regierung die Zustimmung zum

Staatshaushalt. Bismarck löste das Problem auf seine Weise: Er regierte in den

folgenden 4 Jahren ohne Parlament.

Der Erfolg seines verfassungswidrigen Vorgehens aber brachte schließlich selbst

seine schärfsten Kritiker zum Schweigen oder nötigte ihnen gar Bewunderung ab. In

seinen Zielen unbeirrbar, war er in der Wahl seiner Mittel nicht eben zimperlich.

Oberster Zweck seiner Politik war die Machterweiterung Preußens und die

Machtstabilisierung des Monarchen. Denn Bismarck war ein preußischer, kein

deutscher Patriot. Dennoch gelang es ihm, die nationale Einheit herzustellen. In

ihrer Begeisterung übersahen manche Liberale, wie sehr die Freiheit dabei auf der

Strecke blieb.

2. Die deutsche Revolution von oben

Auslöser waren Erbstreitigkeiten zwischen dem Deutschen Bund und Dänemark um die

Herzogtümer Schleswig und Holstein. Österreich und Preußen erklärten deswegen

Dänemark im Januar 1864 den Krieg. Nach dem raschen Sieg über die dänischen

Truppen bewegte Bismarck die österreichische Regierung zu einer gemeinsamen

Verwaltung der beiden Herzogtümer, obwohl man in Wien mit Besitzungen soweit im

Norden kaum etwas anzufangen wußte.

Preußen hingegen hatte ein sehr großes Interesse daran, sich die beiden Gebiete

einzuverleiben und damit sein Territorium bis zur Nord- und Ostsee auszudehnen.

Durch sein diplomatisches Geschick gelang es Bismarck, eine Intervention der

europäischen Großmächte zu vermeiden. England hatte sich ohnehin für eine

Nichteinmischung in kontinentale Angelegenheiten entschieden. Unter einem Vorwand

maschierten preußische Truppen schließlich am 9. Juni 1866 in das österreichisch

verwaltete Holstein ein. Es ging in dem Konflikt nur vordergründig um die

Elbherzogtümer. Der Streit war vielmehr ein Symptom für die alte Rivalität

zwischen Preußen und Österreich. Seit der Gegenrevolution 1848/50 hatte

Österreich seine Vormacht im Deutschen Bund ständig ausbauen können.

Wirtschaftlich und gesellschaftlich waren die beiden Länder seit dem Wiener

Kongreß immer weiter auseinandergedriftet. Während das Kaiserreich weiterhin

agrarisch orientiert blieb, entwickelte sich Preußen zunehmend zur

Industriemacht.

Trotzdem war der Krieg zwischen Österreich und Preußen keineswegs unvermeidbar.

Und Bismarck hatte sich auch stets die andere Option des Ausgleichs durch

Verhandlungen offengehalten. Denn das Kräfteverhältnis war nicht günstig für sein

Land. Doch dank der Strategie des Generalstabschefs Moltke, aber auch dank der

guten Ausbildung und Ausrüstung der preußischen Truppen sowie der schnellen

Mobilisierung mit der Eisenbahn fiel schon am 3. Juli 1866 in der Schlacht von

Königgrätz die Entscheidung. Die österreichische Regierung gab sich geschlagen.

Um die Interventionsmöglichkeiten der europäischen Mächte zu begrenzen, drängte

Bismarck auf einen raschen Friedensschluß. Österreich verlor nur eine Provinz

(Venetien), aber im Frieden von Prag am 23. August stimmte es der Auflösung des

Deutschen Bundes und der Neuordnung Deutschlands ohne eigene Beteiligung zu,

ebenso der Annexion von Schleswig und Holstein sowie der ehemaligen Verbündeten

Österreichs (Hannover, Hessen, Nassau und Frankfurt). Das bedeutete einen

außerordentlichen Machtzuwachs und eine deutliche Westverschiebung Preußens. Noch

im Jahr 1866 wurde der Norddeutsche Bund gebildet, in dem die Vormachtstellung

Preußens unumstritten war. Sein Bundeskanzler hieß Otto von Bismarck.

Zwar stand für ihn durchaus nicht von vornherein fest, daß der neue Bund nur ein

Provisorium im Übergang zur deutschen Einheit sein würde. Dennoch arbeitete er

auch auf diese Entwicklung hin. Für den Kriegsfall schloß er geheime Bündnisse

mit den süddeutschen Staaten und festigte die wirtschaftliche Einheit durch die

Erneuerung des Zollvereins 1867. Deutschland wuchs immer mehr zusammen -

Österreich stand außen vor. Es war nach der Niederlage mit einer dringendes

Neuordnung des Staatswesens beschäftigt. Ergebnis war die Konstruktion einer

'Donaumonarchie' Österreich-Ungarn, die den Vielvölkerstaat noch einmal

zusammenkitten sollte.

3. Bismarcks Bündnissystem und die europäische Sicherheitspolitik

Der Sieg der deutschen Truppen über Dänemark, Österreich und Frankreich sowie die

Gründung des Deutschen Reiches hatten das europäische Mächtegleichgewicht

durcheinander gebracht. Mißtrauisch blickten die anderen Großmächte auf den neuen

Staat und sein strakes militärisches Potential. Bismarck beeilte sich ihre

Bedenken zu zerstreuen. Das Reich sei satuiert, d.h. zufriedengestellt, und

strebe keine weitere territoriale Vergrößerung an.

In der Außenpolitik entwickelte er ein hochkompliziertes Bündnissystem, das außer

ihm - und nach ihm - niemand zu handhaben wußte. Es eignete sich zudem nur dazu,

einen Krieg hinauszuzögern, eine langfristig angelegte Sicherheitspolitik auf der

Basis eines stabilen Interessenausgleichs war es nicht. Das lag auch an der

veränderten Situation in Europa. Oberstes Ziel der Großmächte war nicht mehr der

europäische Friede, sondern die eigenen Machterweiterung. Dabei dachten sie nicht

mehr nur in europäischen Kategorien, es ging vielmehr um die Aufteilung der Weilt

in Einflußsphären.

England konzentrierte sich in den 1870er Jahren auf den Ausbau seines Empire und

war an der Erhaltung des Status quo auf dem Kontinent interessiert. Die russische

Regierung sah in Großbritannien das größte Hindernis bei der Ausdehnung im Orient

und in Asien, während sie auf dem Balkan mit österreichischen Intgeressen

zusammenstieß. Frankreich hatte nach der Niederlage von 1871 das vordringliche

Anliegen, den territorialen Verlust rückgängig zu machen und Vergeltung zu üben.

Vor dem langsam auseinander brechenden Osmanischen Reich ging die Gefahr aus, daß

es die Begehrlichkeiten der europäischen Großmächte zu weiteren Expansionen wie

auch die Nationalgefühle der auf dem Balkan und im Vorderen Orient lebenden

Völker wecken würde. Die Schwäche des sogenannten 'kranken Mann am Bosporus' war

äußerst friedensbedrohend.

Für die deutsche Diplomatie ging es in erster Linie darum, ein Bündnis des

französischen Nachbarn mit Rußland - und damit einen Zweifrontenkrieg - zu

verhindern, aber auch eine englisch-französiche Annäherung zu vermeiden. Mit dem

Drei-Kaiser-Abkommen von 1873 zwischen dem Zaren und den Kaisern von Deutschland

und Österreich versuchte Bismarck, die Gefahr eines russisch-französischen

Bündnisses abzuwenden. Doch diese Konstellation wurde bereits wenige Jahre später

äußerst fraglich. Nachdem Bismarck den Konflikt zwischen den beiden Ostmächten

auf einem Kongreß 1878 als 'ehrlicher Makler' ohne eigene Interessen geschlichtet

hatte, wurde er für die notwendigen Kompromisse und damit verbundenen

Enttäuschungen verantwortlich gemacht. Insbesondere Rußland hatte sich mehr

deutsche Unterstüzung für seine Balkanpläne erhofft und fand die deutsch Position

höchst undankbar nach allem, was das Zarenreich während der Reichsgründungsphase

für Deutschland geleistet hatte.

Um den verstimmten Zaren nicht den Franzosen in die Arme zu treiben, ging

Bismarck daran, die eigene Position zu stärken und damit für eine Allianz

attraktiv zu machen. Ergebnis war der Zweibund zwischen Deutschland und

Österreich-Ungarn von 1879. Tatsächlich bewog dieses Defensivbündnis die

russische Politik zu einer Wiederannäherung an das Deutsche Reich. Im

Drei-Kaiser-Bündnis von 1881 wurde zwischen den drei Ostmächten ein

Neutralitätsabkommen geschlossen, das 1884 noch einmal verlängert wurde. Obwohl

darin die jeweiligen Interessensphären auf dem Balkan abgesteckt wurden, blieb

Osteuropa ein Pulverfaß, das jederzeit explodieren konnte. Seit 1882 gab es

außerdem den Dreibund zwischen Deutschland, Österreich und Italien, ein äußerst

vage formuliertes Abkommen, auf das im Kriegsfall wenig Verlaß sein würde.

Zur Absicherung gegen aggressive Tendenzen der französischen Politik schloß

Bismarck mit dem Zarenreich 1887 ein geheimes Bündnis. Dieser

'Rückversicherungsvertrag' enthielt ein 'ganz geheimes' Zusatzprotokoll, in dem

Deutschland den Russen Unterstützung bei ihren Ambitionen in Bulgarien und am

Schwarzen Meer zusagte - eine heikle Zusicherung, die wahrhaftig besser geheim

blieb, denn sie widersprach anderen internationalen Verträgen und stellte einen

Affront gegen die englische und österreichische Politik dar. Der Bündnisfall

durfte nicht eintreten, denn dabei würde das Doppelspiel ans Licht kommen. Um die

Zusagen des Rückversicherungsvertrages nicht einhalten zu müssen, vermittelte

Bismarck deswegen ein Abkommen zwischen England, Österreich-Ungarn und Italien

(Dreibund), in dem diese Mächte den gegenwärtigen Zustand auf dem Balkan

garantieren. Angesichtes dieser Übermacht mußte Rußland seine Absichten in

Bulgarien zähneknirschend aufgeben.

Zwar konnte auf diese komplizierte Weise eine Eskalation der Krise und eine

französisch-russische Allianz noch einmal verhindert werden, doch allmählich

begannen sich die raffiniert geknüpften Bündnisfäden zu einem engen Netz zu

verheddern, in dem das Reich immer weniger Handelsspielraum besaß und das Europa

zusehends in zwei große Lager spaltete. Bei der gleichzeitig einsetzenden

Aufrüstung und dem wachsenden Einfluß des Militärs auf politische Entscheidungen

nimmt es im Rückblick kaum Wunder, daß die Krisen irgendwann aus dem Ruder liefen

und der Großkrieg nicht mehr verhindert werden konnte. Immerhin konnte Bismarck

diesen Moment deutlich hinauszögern. Seine Nachfolger hatten andere Prioritäten.

4. Bismarcks Sturz und das persönliche Regiment Wilhelms II.

So umsichtig Bismarck die Interessen des Reiches außenpolitisch zu vertreten

wußte, so wenig erfolgreich war seine Innenpolitik, in der er einen harten

Konfrontationskurs pflegte. Offensichtlich überblickte  der preußische Junker

nicht, in welchem Ausmaß die Industrialisierung die deutsche Gesellschaft bereits

verändert und zu einem modernen Staat umgeformt hatte. Sowohl 'Kulturkampf' als

auch 'Sozialistengesetze' erwiesen sich als Fehlschläge. Mit seiner Haltung

verhinderte der Reichskanzler vor allem, daß die Arbeiterschaft in das Deutsche

Reich integriert wurde. Auch seine fortschrittliche Sozialgestzgebung konnte

daran nichts ändern.

1888 starb im Alter von 91 Jahren Kaiser Wilhelm I., der seinem Kanzler stets

frei Hand gelassen hatte. Die Regierung seines Sohnes, des schwer krebskranken

Friedrich III., dauerte nur drei Monate. Als Wilhelm II. (1859-1941) noch im

selben Jahr den Thron bestieg, begann eine neue Ara. Denn obwohl der junge Kaiser

den alten Bismarck bewunderte, wollte er doch aus dessen Schatten treten und

selbständig Politik betreiben. Durch ein sozialpolitiosches Reformprogramm

beabsichtigte er, die Arbeiterschaft der SPD zu entfremden und für die Monarchie

zu gewinnen. Aber die kaiserlichen Versöhnungsversuche hatten nicht den

gewünschten Effekt. Die Arbeiter entzogen ihrer Partei keineswegs die

Unterstüzung. Enttäuscht wandte sich Wilhelm II. wieder von den Arbeitern ab. Das

böse Wort von den 'vaterlosen Gesellen' offenbarte seine wahre Haltung zu ihnen.

Die größeren Differenzen Wilhelms II. mit seinem Reichskanzler entzündeten sich

an außenpolitischen Fragen, was im März 1890 schließlich zum Rücktritt Bismarcks

führte. Der Kaiser lehnte die Verlängerung des Rückversicherungsvertrages mit

Rußland ab, weil er den Sinn der komplizierten Bündniskonstruktion nicht

durchschaute. Wie sein scheidender Kanzler vorhergesehen hatte, war die Folge

eine französisch-russische Militärkonvention (1892). Von nun an hatte das Reich

mit einem Zweifrontenkrieg zu rechnen.

'Der Lotse geht von Bord', so nannte es eine englische Karikatur, als Bismarck

nach insgesamt 28 Jahren aus der Regierung Preußen-Deutschlands schied. Der 'neue

Kurs' des Kaisers war gekennzeichnet von häufig wechselnden Kanzlern und

spontanen, unüberlegten Entscheidungen. Wilhelm II. holte nicht Rat bei

erfahrenen Experten, sondern steuerte in einer wachsenden Überschätzung der

eigenen Kraft das Reich hin zur Weltmachtgeltung - und Weltkrieg.



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