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Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1. Biologie
1.1. Was ist Gentechnik?
- Grundvorraussetzung der Gentechnik: "Universalität des
genetischen Codes"
- Eukaryonten/Prokaryonten
- gentechnische Arbeit
Sequenzierung
Gentechnische Projekte in der Humangenetik:
1.3.1. Manipulation menschlicher Gene
1.3.2. Genetische Diagnostik
1.3.3. Klonen menschlicher Gene
1.3.4. Somatische Gentherapie beim Menschen
2. Gemeinschaftskunde
Was bedeutet Gentechnik für die Gesellschaft? Welche Gefahren birgt sie, welchen Nutzen und was bedeutet dies für den Einzelnen?
- Vorteile/Gefahren der Gentechnik
2.1. Der soziale (gemeinschaftliche) Aspekt
2.1.1. Familienplanung
2.1.2. Gesundheitspolitik
2.2. Gentechnologie für industrielle Zielstellungen
2.3. Medizin
2.3.1. Genetische Identifizierung einzelner Personen
2.4. Landwirtschaft und Ernährung
2.5. "Genetisierung der Gesellschaft"
3. Philosophie
Was ist Leben?
3.1. Eugenische Anwendungen (+Platon)
3.2. Anthropologie und Gentechnologie
3.3. Tugendbegriff (Nietzsche)
3.4. Unüberschaubarkeit und Unumkehrbarkeit menschlicher Handlungsfolgen (Jonas)
3.5. Gentechnik und Verantwortung (Veratwortungsethik)
Fazit
GENTECHNIK
Einleitung
Im Jahr 1997 wurde ein Schaf geboren, dass als Dolly Berühmtheit erlangte. Dolly erfüllte die Menschen mit Faszination und Schrecken: Es war erstes sichtbares Ergebnis des Erwachsenen-Klonens, bei dem die Erbmasse einer einzelnen Eizelle eines erwachsenen Tieres neues Leben enstehen lässt.
Man fragte sich: Wo wird uns die neue Technik hinführen? Denn wenn sich ein hoch entwickeltes Säugetier wie das Schaf klonen ließ, stand auch dem Klonen von Menschen nichts mehr im Wege.
Mit einer beliebigen Körperzelle war der Mensch in der Lage, genaue genetische Kopien seiner Selbst zu produzieren.
Die Technik eröffnet auch eine Reihe weit reichender, medizinischer Perspektiven. Klonen verspricht billigere Medizin und effektivere Behandlungen. Und man hofft, mit der Technik auch das Problem der Organbeschaffung für Transplantationen lösen zu können.
Mit völlig neuartigen Methoden, die fundamentale Veränderungen hervorufen, ist der Mensch in der Lage, die Gene und damit die Evolution auf eine Art und Weise zu manipulieren, die noch wie Zukunftsmusik in unseren Ohren klingt.
Mit der Gentechnik verbinden sich große Hoffnungen im Bereich der Medizin, Pharmazie und Landwirtschaft. Mittlerweile ist sie zudem ein bedeutender Wirtschaftsfaktor geworden. In der Forschung sind viele neue Arbeitsplätze entstanden und werden vorraussichtlich auch noch entstehen. Jedoch hängt sowohl der wissenschaftliche wie auch der wirtschaftliche Fortschritt vom gesellschaftlichen 'Klima' ab. Hier spielen viele Faktoren eine Rolle: Gesetzgebung, Forschungsförderung und nicht zuletzt die Akzeptanz der neuen Biotechnologie in der Öffentlichkeit. Inzwischen bewerten 80 Prozent der Deutschen die Anwendung der Gentechnik in Medizin und Pharmazie als positiv. Neue Diagnosemöglichkeiten und Therapiekonzepte sollen helfen, viele bislang nur schlecht oder gar nicht behandelbare Krankheiten zu bekämpfen. Dem steht eine immer noch breite Ablehnung gentechnischer Methoden in der Landwirtschaft und Lebensmittelherstellung gegenüber. Gegner befürchten eine nicht mehr korrigierbare Störung des ökologischen Gleichgewichts durch die Freisetzung von gentechnisch veränderten Organismen. Befürworter der neuen Techniken sehen darin allerdings die einzige Chance, die Welternährungsituation in den Griff zu kriegen. Das Thema der Gentechnik ist zu umfangreich um pauschal behaupten zu können, sie sei gut oder schlecht. Vielmehr gilt es die Chancen und Risiken der genetischen Modifizierung von lebenden Organismen in einer breiten gesellschaftlichen Diskussion abzuwägen. Eine der wichtigsten Voraussetzungen dafür ist die Aufklärung über laufende Projekte und gegenwärtige Ziele der industrielellen Forschung und Entwicklung. So ist auch eine individuelle Meinungsbildung des Einzelnen möglich.
1. Biologie
1.1. Was ist Gentechnik?
Für die körperlichen Funktionen aller Lebewesen, vom Bakterium bis hin zum Menschen, sind vielseitige Moleküle verantwortlich, die Proteine. Ein Protein besteht aus einer Kette von Aminosäuren. Es gibt 21 verschiedene Aminosäuren. Die Bauanleitung für eine solche Kette von Aminosäuren befindet sich auf der DNA, und zwar in einer linearen Abfolge von 'Wörtern', den Codons, die jeweils eine Aminosäure bezeichnen. Jedes Wort besteht aus drei Buchstaben. Die Sprache, in der diese Bauanleitung festgehalten ist, nennt man den genetischen Code. Dieser Code ist bei allen Lebewesen identisch, das heißt, Hefezellen können die Baupläne eines Menschen ebenso lesen wie ihre eigenen. Diese Übereinstimmung ("Universalität des genetischen Codes") bildet die Grundvoraussetzung der Gentechnik, bei der DNA von einem Organismus auf einen anderen übertragen wird. Die kleinste Einheit, in der Lebensvorgänge organisiert werden, ist bei allen Lebewesen die Zelle. Trotzdem gibt es einen grundlegenden Unterschied: Die Zellen mancher Lebewesen verfügen über einen Zellkern (Eukaryonten), die anderen hingegen nicht (Prokaryonten). Zu den Prokaryonten zählen Bakterien und verschiedene Algenarten. Bei ihnen befindet sich die DNA im Cytoplasma. Die Eukaryonten - das sind alle anderen Lebewesen, von der Hefe bis zum Menschen, ebenso wie alle Pflanzen - besitzen einen Zellkern, in dem die DNA von einer doppelten Membran umschlossen ist. Bei Eukaryonten findet die Transkription im Zellkern statt. Um die Information weiterzugeben, muss die mRNA den Kern verlassen. Vorher kann sie jedoch noch auf vielfältige Art verändert werden: Modifikationen am Vorder- und Hinterende der mRNA regulieren z. B. ihre spätere Lebensdauer. Introns, so nennt man Sequenzen innerhalb des Gens, die keine Information tragen, werden herausgeschnitten. Diese Prozesse, die zur Regulation der Genaktivität beitragen, fallen bei den Prokaryonten weg. Hier beginnt nach der Transkription die Translation. Bei Eukaryonten findet dieser zweite Schritt erst dann statt, wenn die mRNA den Zellkern verlassen hat und sich im Cytoplasma befindet.
Die gentechnische Arbeit besteht aus dem Zerschneiden und Wiederverbinden von DNA im Reagenzglas und der anschließenden Übertragung der so veränderten DNA in Zellen, die diese vermehren können. Erst die Entdeckung von Restriktionsenzymen und Ligasen Anfang der siebiger Jahre ermöglichte das gentechnische Arbeiten. Die Restriktionsenzyme sind das grundlegende Handwerkszeug eines neuen Berufzweiges, des Gentechnologen, geworden. Ihre Funktion in der Natur besteht darin, ein Bakterium vor der Infektion durch ein Bakterienvirus, einen Phagen, zu schützen, indem sie die eindringende DNA des Phagen zerschneiden. Diese enzymatischen DNA-Scheren suchen auf der DNA nach bestimmten Sequenzmotiven, eine Abfolge von vier bis acht Buchstaben. Finden sie dieses Sequenzmotiv, so durchtrennen sie beide Stränge der DNA an einer genau definierten Stelle. Der Schnitt durch beide DNA-Stränge kann dabei glatt oder um einige Buchstaben versetzt erfolgen. Im letzteren Fall entstehen kurze, überhängende Einzelstränge, die als klebrige Enden bezeichnet werden. Im Bakterium wird diese zerschnittene DNA schnell abgebaut. Im Reagenzglas können sich diese klebrigen Enden aus je vier ungepaarten Basen allerdings erneut zusammenfinden, indem sich wieder Basenpaarungen bilden. Eine solche Verbindung ist jedoch relativ instabil, da sie nur auf der Ausbildung von Wasserstoffbrücken beruht. Erst durch das Enzym Ligase wird das Zucker-Phosphorsäure-Rückgrad der beiden aneinander angelagerten DNA-Enden verknüpft und die Verbindung dauerhaft. Schneidet man nun DNA unterschiedlicher Herkunft mit dem gleichen Restriktionsenzym, so entstehen kompatible DNA-Enden. Der Phagen hat eine DNA-Sequenz transportiert und somit die Funktion eines Vektors übernommen.
Die Wissenschaft kennt mittlerweile hunderte von verschiedenen Restriktionsenzymen, von denen jedes die DNA auf eine etwas andere Art und Weise spaltet. Der dabei entstehende Genabschnitt kann analysiert werden. Der Stoff, aus dem das Leben ist, wurde somit sichtbar und formbar gemacht.
Vergleicht man die Wirkungen der einzelnen Restriktionsenzyme, wobei jedes auf verschiedene Nukleodtidsequenzen beschränkt ist, so kann man große DNA-Stücke in mehrere kleinere Bruchstücke unterteilen. Die Untersuchung dieser Untereinheiten hat dazu geführt, dass die Wissenschaftler viele neue Erkenntnisse über die Bauweise und Steuerung der Gene gewonnen haben.
Proteste in der Öffentlichkeit sorgten dafür, dass Experimente mit menschlicher DNS oder mit DNS aus Bakterien, die im Menschen leben, bisher unterblieben. Auf anderen Forschungsgebieten, insbesondere bei der genetischen Beratung, wurden Erbforscher mittlerweile wesentlich mehr akzepiert.
1.2. Sequenzierung
Die Gesamtheit aller DNA eines Organismus wird als sein Genom bezeichnet. Bisher wurden die Genome von sechs Prokaryonten vollständig durchsequenziert, d.h., man kennt die Abfolge aller Buchstaben auf ihrer DNA. Die Sequenzierung von relativ kleinen Bakteriengenomen kann mit einer einfacheren Methode durchgeführt werden als die der großen Eukaryontengenome. Diese müssen vor der eigentlichen Sequenzierung in kleinere Teile zerlegt werden. Dazu kloniert man große Stücke mit Hilfe künstlicher Chromosomen.
1.3. Gentechnische Projekte in der Humangenetik
Im Mittelpunkt der Sequenzierprojekte steht natürlich das menschliche Genom. Bisher haben erst einige wenige Forschungsgruppen mit der systematischen Sequenzierung der menschlichen Chromosomen begonnen. Man geht davon aus, dass bis zum Jahr 2005 das komplette menschliche Genom bekannt sein wird. Es macht allerdings gerade bei dem Genom des Menschen Probleme, in den langen Reihen von Buchstaben überhaupt die Gene zu entdecken, die ja nur einen kleinen Teil der gesamten DNA ausmachen.
1.3.1. Die Manipulation menschlicher Gene
Der Einsatz von DNA-Rekombinationstechniken im Labor zur Erzeugung brauchbarer Substanzen ist mittlerweile täglich geübte Praxis. Eingriffe in die Genstrukturen lebender Menschen sind naturgemäß von ethischen Problemen begleitet.
Schon bald könnte es möglich sein, durch manipulierte Gene bestimmte Enzymmangel- und Krebskrankheiten zu behandeln. Ethisch fragwürdig ist in diesem Zusammenhang die Aussicht, durch Eingriffe in die Genstrukturen der befruchteten Keimzelle nicht nur Genschäden zu beseitigen, sondern den Menschen quasi "verbessern" zu wollen.
1.3.2. Genetische Diagnostik
Diese Möglichkeit ergibt sich aus den Methoden der künstlichen Befruchtung, die entwickelt worden waren, um kinderlosen Ehepaaren den Wunsch nach eigenem Nachwuchs erfüllen zu können. Der Begriff "Retortenbaby" war geboren. Ist eine Frau aufgrund blockierter Eileiter unfruchtbar, so kann die Verschmelzung von Samenzellen und Ei außerhalb des Mutterleibes vollzogen werden. Einer der dabei entstehenden Embryonen wird dann in die Gebärmutter eingepflanzt.
Mit der Genomanalyse verbinden sich hohe Erwartungen. Die Erkenntnisse, die im Laufe der nächsten 20 Jahre zu erwarten sind, werden zu enormen Strukturveränderungen in der modernen Medizin führen. Vor allem die künftigen Diagnoseverfahren werden zunehmend von einer Analyse der Gene mit molekularbiologischen Methoden ausgehen. Heute sind bereits einige hundert erbliche Faktoren bekannt, die entweder direkt eine Krankheit auslösen können, oder einen möglichen Risikofaktor darstellen. Das Besondere an der genetischen Diagnostik ist die Möglichkeit der Prognose von in Zukunft auftretenden Krankheiten. Diese Vorhersage kann Voraussetzung für erfolgversprechende therapeutische Maßnahmen oder vorbeugende Lebensführung sein, andererseits kann aber auch das Wissen um eine möglicherweise bevorstehende unheilbare Krankheit eine schwere psychische Belastung für das ganze Leben bedeuten.
1.3.3. Klonen menschlicher Gene
Auch wenn wenige Forscher an das Klonen von Menschen glauben, hat das Klonen eine andere Seite: die Herstellung von Gewebe und Organen für Transplantationen. Geklonte Zellen können dazu verwendet werden, um Organe maßzuschneidern und damit altes oder geschädigtes Gewebe zu ersetzen. An mehreren Orten auf der Welt sind Forscher auf der Suche nach brauchbaren Methoden. Eine Technik, bei der man embryonale Stammzellen einsetzt, scheint zur Zeit am viel versprechendsten. Die Stammzellen, die man lange gesucht hat, wurden 1999 zum ersten Mal von den amerikanischen Forschern James A. Thomson und John Gearhart isoliert.
Die beiden entwickelten parallel unterschiedliche Methoden, um Stammzellen zu erhalten. Sie fanden heraus, wie sie außerhalb des Körpers gezüchtet werden können. Stammzellen sind unsterblich und altern nicht - im Gegensatz zu normalen Körperzellen, die nach einer bestimmten Zahl von Teilungen sterben. Stammzellen sind also eine sich selbst erneuernde biologische Ressource, die eine unbegrenzte Züchtung ermöglicht.
Der Amerikaner Thomson gewann seine Stammzellen aus Blastozysten - Embryonen im frühen Stadium, bevor sie sich in der Gebärmutter festsetzen. In den Blastozysten gibt es eine innere Zellmasse mit 15-20 Stammzellen, die nur kurze Zeit existieren, bevor sie anfangen, sich zu einem Individuum zu entwickeln. Gearhart dagegen nutzte abgetriebene Embryonen, die eine kleine Anzahl von Stammzellen an der Stelle enthalten, wo sich später die Geschlechtszellen des Embryos entwickeln.
Je nachdem welche Signale embryonale Stammzellen in Form von bestimmten Wachstumssignalen erhalten, können sie sich zu jeder Art von Zelltypen entwickeln. Das heißt, dass Wissenschaftler sobald sie entsprechende Signale kennen, Stammzellen genau in eine gewünschte Richtung steuern können. So hofft man neue Zellen mit einer bestimmten Identität in Massenproduktion herstellen zu können. In der Praxis würde diese Produktion bedeuten, dass man die Stammzellen einer genau berechneten Mischung aus spezialisierten Wachstumsproteinen aussetzt. Man rechnet damit, auf diese Weise Vorstadien von Herz- und Nervenzellen herstellen zu können. Sie sollen ins Herz und ins Nervensystem gespritzt werden, wo dann der letzte Teil ihrer Entwicklung zu reifem Gewebe von körpereigenen Signalen des Patienten gesteuert wird.
Gezüchtete Nervenzellen könnte man verwenden, um Hirngewebe zu ersetzen, das durch Krankheit unwiderruflich verloren ginge. Gezüchtete Herzzellen sollen ein geschädigtes Herz reparieren, indem sie die Funktion abgestorbener Vorgängerzellen übernehmen. Für andere Organe oder anderes Gewebe gilt das gleiche.
Beim Klonen gilt es das größte Transplantationsproblem zu vermeiden - die Abstoßung von fremden Gewebe. Heute ist man abhängig von einem Spender mit einem passenden Gewebetyp und muss den Patienten lebenslang mit Medikamenten behandeln, die die natürliche Reaktion des Immunsystems unterdrücken. Klont man eigene Zellen eines Patienten, kann man Stammzellen von einem Embryo mit genau gleichem Gewebetyp entnehmen. Das führt jedoch zu großen ethischen Fragen, weil man einen lebensfähigen menschlichen Embryo hervorbringt, der dann bewusst getötet wird.
Selbst wenn die Visionen wahr werden, ist es noch ein langer Weg und es ist noch eine Reihe technischer Probleme zu lösen. Die Experten wissen zu wenig darüber, wie man die Entwicklung und Spezialisierung unreifer Zellen steuern und kontollieren kann.
2. Gemeinschaftskunde
3. Philosophie
3.1. Eugenische Anwendungen
Durch die Gentechnologie rücken heutzutage eugenische Anwendungen ('Verbesserungen' der Erbanlagen) in die Nähe des technisch Machbaren. Schon Platon hatte eine genaue Vorstellung des idealen Menschen. Er meinte damals, dass die besonders Tapferen und Tüchtigen unter den Menschen sich auch besonders stark vermehren sollten: 'Den besten unter den jungen Männern in Krieg und Frieden ist neben Ehrengaben und anderen Preisen auch reichlicher Gelegenheit zum Verkehr mit Frauen zu geben, damit diese unter solchem Vorwand möglichst viele Kinder zeugen.' Platon wäre wahrscheinlich froh gewesen, wenn schon damals der
(Geschlechts-)Verkehr mit Frauen gar nicht notwendig gewesen wäre, sondern lediglich eine Samenspende des Mannes. Eine künstliche Befruchtung garantiert allerdings auch heute keine Ideal-Menschen. Eine staatliche Lenkung der Fortpflanzung soll die 'Qualität' der Nachkommen sichern, unter Einschluss der Tötung minderwertiger, missgebildeter Kinder. Vergleichbar zur Tierzucht sollen auch bei Menschen 'die besten Männer mit den besten Frauen möglichst oft zusammenkommen, umgekehrt die schwächsten am wenigsten oft; die Kinder der einen muss man aufziehen, die anderen nicht, wenn die Herde möglichst auf der Höhe bleiben soll' [Platon, Der Staat 460b, 459d-e].
3.2. Anthropologie und Gentechnologie
Die Anthropologie versucht, das Wesen des Menschen zu erfassen. Für die ihr eigene grundsätzliche Annhame einer nahezu unbegrenzten Veränderbarkeit des Menschen kann sich die Anthropologie immer auf die Ethnologie und vergleichende Kulturwissenschaft stützen, vielleicht eines Tages auch auf die Gentechnologie.Gegenüber der Feststellung von Veränderbarkeit und fast grenzenloser Formbarkeit gilt das Interesse auch den Grenzen: Was ist also so eigentümlich menschlich, dass es als die Eigenart des Menschen bewahrt werden muss? Die Antwort aus Sicht der Anthropologie ist gegenüber religiösen oder philosophischen Ansätzen ernüchternd: so gut wie nichts! Diese Antwort ist folgendermaßen zu verstehen: Die Ausprägungen menschlicher Lebensart sind so vielfältig, dass jeder Versuch, den Menschen auf ein bestimmtes Merkmal oder gar mehrere festzulegen, jederzeit durch die Beobachtung der Realität widerlegt werden kann.
3.3. Tugendbegriff
Seit der Antike wird die Menschheit von verhängnisvollen eugenischen (Eugenik = Lehre von der Erbgesundheit) Gedanken begleitet. Sie kehrten oft wieder: z.B. in der Willens- und Machtphilosophie Friedrich Nietzsches (1844-1900), der die Tugenden der Christlichen Überlieferung ablehnte. Er proklamierte einen neuen 'starken' und 'aristokratischen' Tugendbegriff. Er schreibt folgendes: 'Der Kranke ist ein Parasit der Gesellschaft. In einem gewissen Zustande ist es unanständig, noch länger zu leben. Das Fortvegetieren in feiger Abhängigkeit von Arzten sollte bei der Gesellschaft eine tiefe Verachtung nach sich ziehn. Die Arzte wiederum hätten die Vermittler dieser Verachtung zu sein - nicht Rezepte, sondern jeden Tag eine neue Dosis Ekel vor ihren Patienten'. Der Tugendbegriff ist also anfällig für ideologische Verformungen. Es sind inhaltliche moralische Überlegungen notwenig, um die Frage zu klären: Welche Tugenden sollen als sittlich 'gut' angesehen werden? Die sittliche Grundeinstellung und das Verhalten des einzelnen Menschen strahlen auf sein soziales Umfeld und auf die Gesellschaft insgesamt aus. Diese Einsicht verdient heute, in der Konsum- und Überflussgesellschaft, besondere Bedeutung. Sollten 'alte', jedoch vergessene sinnvolle Tugenden der Menschen heute nicht neu entdeckt und wiedergewonnen werden? Eine veränderte Lebenseinstellung und ein verändertes Verhalten der Menschen scheint notwendig, um sich in der heutigen Zeit noch zubehaupten. Der Technikphilosoph Hans Jonas (1903-1993) beschäftigte sich mit dem Thema: 'Auf der Schwelle der Zukunft: Werte von gestern und Werte für morgen'. Jonas weist auf die beschränkten Ressourcen der Natur hin; er beklagt die großen ökologischen Folgelasten des konsumorientierten Lebensstils in der Gegenwart. Vor diesem Hintergrund schlägt er vor, die alte Tugend der 'Frugalität' (frugal = einfach, mäßig, bescheiden) und 'Askese' (Enthaltung, Selbstüberwindung) wiederzuentdecken. Der alte Wert- und Tugendbegriff des 'Maßes' ist Jonas zufolge heute sogar in einem ganz neuen, erweiterten Sinn zu verstehen. Jonas wendet diesen Begriff nämlich auf die Hochtechnologie, besonders die Gentechnik, an. Er meint: Aufgrund möglicher negativer Folgen heutiger Hochtechnologien ist eine neu verstandene Askese geboten. Diese soll für die Nutzung heutiger Technik, aber auch schon für das Wissenkönnen um bestimmte Techniken (genetische Manipulation u.s.w.) gelten. Es wird also die Tugend einer 'technologischen Enthaltsamkeit' vorgeschlagen. Die alte, früher religiös begründete Tugend der Askese hat damit einen ganz neuen, hochaktuellen Sinn erhalten.
3.4. Handlungsfolgen
Die heutige Ethik ist in hohem Maß durch die Fortentwicklung in der Hochtechnologie (also der Kerntechnik, der Gentechnologie, der Informationtechnologie usw.) herausgefordert. Handlungsfolgen sowie (unerwünschte) Nebenfolgen sind oft gar nicht mehr überschaubar, prognostizierbar und kalkulierbar. Es zeigt sich eine Grenze der Reichweite möglicher menschlicher Folgenverantwortung. Negative Folgen des Handelns sind im Zeitalter der Hochtechnologie unter Umständen nicht mehr rückholbar und nicht korrigierbar. Zu der Unüberschaubarkeit der Handlungsfolgen kommt also die Unumkehrbarkeit hinzu. Dieser Sachverhalt lässt sich z.B. an der Problematik der Freisetzung genetisch manipulierter Organismen in die Umwelt verdeutlichen. Jonas belegt die Unüberschaubarkeit sowie Unumkehrbarkeit der Folgen menschlichen Handelns am Beispiel von gentechnischen Eingriffen in den Menschen selbst: 'Fehlschläge mechanischer Konstruktion schrotten wir. Sollen wir dasselbe mit den Fehlschlägen biologischer Rekonstruktion tun? Unser ganzes Verhälntnis zu menschlichem Unglück und den davon Geschlagenen würde sich im antihumanen Sinn verändern.'
'Mechanische Kunstfehler sind reversibel (umkehrbar; wieder 'gutmachbar'). Biogenetische Kunstfehler sind irreversibel.'
Schluss
Die menschliche Macht über die Erscheinungsformen des Lebens hat eine völlig neue Qualität angenommen. Der wissenschaftliche Fortschritt und die sich daraus ergebenden technischen Anwendungen werfen viele politische, soziale und kulturelle Fragen auf. Die Entscheidungen über die Anwendung neuer Erkenntnisse müssen diese berücksichtigen und dürfen sich nicht nur am technisch Machbaren orientieren.
Als Aldous Huxley in seinem Zukunftsroman "Schöne neue Welt" eine Welt beschrieb, in der alle Kinder mit vorherbestimmten Intelligenzquotienten zwischen Alpha plus und Epsilon minus gezüchtet werden, so dass sie die für sie bestimmten gesellschaftlichen Funktionen wahrnehmen können, hatte er die Grenze des für ihn Vorstellbaren erreicht.
Doch knapp 50 Jahre später hat der menschliche Erfindungsgeist die Grenzen der Phantasie fast gesprengt. Vieles ist machbar geworden; es liegt in unseren Händen, durch Genmanipulation in die innersten Prozesse des Lebens einzugreifen. Aus diesen neuen Fähigkeiten erwächst uns eine große Chance, aber eine noch größere Verantwortung für die Zukunft.
Anmerkungen
Bogen -
Jonas S.14
Textor -
Zitierte Werke
Bogen, Hans Joachim. Knaurs Buch der Biotechnik-Gezähmt f.d.Zukunft. Droemer Knaur: München, 1976.
Epping, Bernhard. Naschen vom Baum der Erkenntnis. bild der wissenschaft April 1999. 1999. S. S. 58 - 60.
Freye, H.-A.. Humangenetik.
Gustav Fischer Verlag:
Hagemann, Rudolf:Allgemeine
Genetik: mit 71 Tabellen. Unter Mitarb. von Thomas
Börner und Frank Siegemund.- 4., neubearb. Aufl
Heidelberg ;
Jonas, Hans. Technik, Ethik und Biogenetische Kunst. Hg. R. Flöhl. Campus: München, 1985.
Meurers, Joseph. Metaphysik und
Naturwissenschaft. Wissenschaftliche Buchgesellschaft
Nietzsche, Friedrich. Werke, Bd. III. Hg. Karl Schlechta. Ullstein: München, 1982.
Nietzsche, Friedrich. Werke, Bd. II. Hg. Karl Schlechta. Ullstein: München, 1982.
Textor, A.M.. Auf deutsch - Das Fremdwörterlexikon. Rowohlt: Reinbek, 1969.
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