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Grenzen der Künstlichen Intelligenz
Wenn über die Grenzen der KI gesprochen wird, wird meist versucht, das eigene Paradigma mit allen Mitteln zu verteidigen und neue Betrachtungsweisen in das eigene Denksystem zu integrieren. AHRWEILER bezeichnet solch eine Abwehrstrategie als Synkretismus (Integration in das eigene Paradigma) hierdurch ist es möglich jede Kritik zu neutralisieren. (vgl. Ahrweiler, 1995: S.18)
Mit dem Herausstellen des Synkretismus soll analysiert werden, welche Grenzen sich die KI-Forschung wirklich steckt oder ob es sogar zur Eigenschaft der KI-Forschung gehört, ohne Grenzen auszukommen. Hierbei sollen Grenzen immer verstanden werden als unabhängig vom Entwicklungstand nie zu erreichende Ziele.
Die Annahmen, die benannt werden, gehen auf DREYFUS und DREYFUS zurück, die mit Hilfe der direkten Anlehnung an menschliche Eigenschaften des Denkens und Handelns, die Grenzenlosigkeit der KI kritisch beleuchten wollen. In diesem Zusammenhang kommt vor allem dem oben benannten Synkretismus eine besondere Bedeutung zu, da es in der Natur dieser Annahmen liegt, menschliches Verhalten auf maschinelle Prozesse zu übertragen und integrieren zu wollen.
WAHLSTER gesteht ein, dass es "Aspekte menschlichen Verhaltens gibt, die man gar nicht mit Informationsverarbeitung erklären kann." (Ahrweiler 1995: S.16) Er sagt weiter, "wenn es um Anwendungen geht, bin ich immer dafür, dass man soweit möglich ganzheitlich evaluiert und biologische Aspekte, die mit der Informationsverarbeitung gar nichts zu tun haben, mitberücksichtigt. Aber unsere These, unser Forschungsparadigma, ist nun einmal, dass wir alles auf Informationsverarbeitung beziehen. " (Ahrweiler 1995: S.16) Auch an dieser Stelle wird das Wesen des Synkretismus deutlich. Es ist unerheblich aus welchem Gebiet die erforschten Annahmen stammten, sie werden immer in das eigene Paradigma eingepasst.
Die biologische Annahme
"Das menschliche Gehirn funktioniert physiologisch wie Computerhardware." (Daniel/Striebel 1993: S.23) DREYFUS ergänzt, dass "das Gehirn Informationen in einzelnen Abschnitten verarbeitet, und zwar mit Hilfe eines biologischen Aquivalents von Ein-Aus-Schaltern."(Dreyfus 1985: S. 105/106)
DREYFUS beschreibt zwei Erkenntnisse, die diese Annahme verneinen:
Nach vielen neurophysiologischen Forschungsergebnissen stellt man sich das Gehirn als einen elektronischen Rechner vor. So stoßen die Neuronen im Gehirn einen elektrischen Stromstoß an benachbarte Neuronen aus, ähnlich einem Computer, der über einen elektrischen Impuls Informationen zusammenfügt. Bei einer genaueren Untersuchung der Tätigkeit eines digitalen Computers stellt man jedoch fest, dass es das Merkmal der Digitalität ist, dass Informationen in deskriptiver Sprache als Symbol dargestellt werden. Dieser Verarbeitungsmechanismus entspricht nicht dem des Gehirns. Das Gehirn bearbeitet Informationen analog. Das heißt physikalische Variablen wie zum Beispiel die Geschwindigkeit oder die Intensität entsprechen der eigentlichen Information. Eine Informationseinheit wird im Gehirn also nicht durch ein Symbol abgebildet, sondern die Art und Weise der Übertragung entspricht dem Symbol. Das jedoch widerspricht der Informationsverarbeitung eines Digitalcomputers, so dass DREYFUS mit der Frage endet, ob Computer überhaupt die geeigneten Maschinen sind, um die Tätigkeit des Gehirns zu simulieren.
ROSENBILTH beschreibt einen zweiten Argumentationsstrang gegen die biologische Annahme. Hierbei wird der Schwerpunkt nicht auf die Art der Informationsverarbeitung gelegt, sondern auf die Wechselwirkung der einzelnen Neuronen untereinander. Im Gehirn werden einzelne elektrische Stöße immer auch an benachbarte Neuronen weitergegeben. Ein Neuron steht also nicht isoliert im Raum, sondern interagiert immer mit vielen anderen Neuronen. Die Maschine bleibt jedoch nicht-interaktiv organisiert.
Die erkenntnistheoretische Annahme
"Menschliches Denken lässt sich formal beschreiben und ist mit den klassischen naturwissenschaftlichen Methoden zugänglich." (Daniel/Striebel 1993: S.23)
Diese erkenntnistheoretische Annahme lässt sich in zwei Behauptungen segmentieren.
"Jedes nicht willkürliche Verhalten ist formalisierbar." (Dreyfus 1985: S.138)
"Mit einem Formalismus kann das entsprechende Verhalten reproduziert werden." (Dreyfus 1985: S.138)
Das menschliches Denken sich formal beschreiben lässt, dem stimmen auch DERYFUS und DREYFUS im ersten Kapitel ihres Buches zu. "Vom Neuling zum Experten" (vgl. Dreyfus/Dreyfus, 1988: S. 37 - 80) nennen sie einen Aufsatz, der sich mit der Formalisierung menschlicher Lern- und damit auch Denkprozesse beschäftigt. Sie haben für den Erwerb einer neuen Fähigkeit fünf Stufen angenommen. Diese sind das Ergebnis einer Studie über den Fertigkeiten-Erwerb bei Flugzeugpiloten, bei Schachspielern, Autofahrern und Erwachsenen, die eine zweite Fremdsprache lernen.
1. Stufe: Neuling
Die ontologische Annahme
Die aus KI-Sicht gemachte ontologische Annahme lässt sich in drei Aussagen zusammenfassen:
Die Welt besteht "aus objektiven, von Menschen und untereinander unabhängigen Fakten." (Daniel/Striebel 1993: S.23)
Die Welt lässt sich in isolierbare, kontextunabhängige, kleine Elemente, zerlegen. (vgl. Daniel/Striebel 1993: S.24)
Alle Elemente jedoch sind wiederum logisch voneinander abhängig. (vgl. Dreyfus 1985: S.106)
Der Ansatz der Gegenargumentation ist aus der Linguistik abgeleitet. CHOMSKY und andere Vertreter der Transformationsgrammatik haben "von menschlicher Sprachverwendung abstrahiert und so die menschliche Fähigkeit formalisieren können, grammatisch korrekte Sätze zu erkennen und inkorrekte zurückzuweisen." (Dreyfus 1985: S.145/146) Es bleibt also die Frage, ob der Computer in der Lage ist, das formalisierte Verhalten anschließend zu reproduzieren. Hierbei müsste es der KI-Forschung gelingen, nicht nur die Sprachkompetenz, sondern auch die Sprachverwendung zu formalisieren. In diesem Punkt jedoch scheitert wiederum die Verwirklichung regelgeleiteter Systeme, denn ein Programm wird nie den Sinn einer Aussage "in einen Kontext menschlichen Lebens" (Dreyfus 1985: S.147) einordnen können. Aber in vielen Fällen macht erst der jeweilige Kontext eine Aussage verständlich. "Für eine vollständige Theorie der praktischen Fähigkeiten von Sprechern braucht man nicht nur grammatische und semantische Regeln, sondern darüber hinaus Regeln, die es einer Person oder einer Maschine ermöglichen würden, den Kontext zu erkennen, in dem die Regeln angewendet werden müssen." (Dreyfus 1985: S.151) Es müssten also Regeln für die Regeln entwickelt werden, um einen Kontext als eine Ausnahme von der Regel zu beschreiben. In diesem Moment befindet sich das Programm in einem unendlichen Regress. "Da wir [Menschen] in der Lage sind, von unserer Sprache Gebrauch zu machen, kann dieser Regress für Menschen kein Problem sein. Wenn künstliche Intelligenz möglich sein soll, darf dies auch für Maschinen kein Problem sein." (Dreyfus 1985: S.151) Das sich hier an die Formalisierbarkeit von menschlichem Verhalten anschließende Problem wird von DREYFUS und DREYFUS auch das "Relevanzproblem" (Dreyfus/Dreyfus, 1988: S.114) genannt. So ist es möglich jede in sich abgeschlossene Situation zu formalisieren. Versuche, diese vielen abgeschlossenen Situationen zu einem Gesamtverhalten zusammenzuschließen, gelangen jedoch nie. Hierzu schreibt MINSKY, dass "die in Semantic Information of Processing beschriebenen Programme am Besten arbeiten werden, wenn man ihnen die exakt notwendigen Fakten eingibt", aber "sie werden unerbittlich stecken bleiben, wenn die Informationsdateien wachsen." (Minsky, 1968: S.18) Er schreibt weiter: "Jedes Programm arbeitet nur in seinem begrenzten Spezialgebiet und es gab keine Möglichkeit, zwei verschiedene Problem-Löser miteinander zu verbinden." (Minsky, 1968: S.13) Der Computer scheint mit wachsender Komplexität der Situation nicht mehr unterscheiden zu können, welche Regeln in einem bestimmten Zusammenhang von Bedeutung sind und welche nicht. Für einen Digitalcomputer ohne eine Beziehung zu der erlebten Welt sind die aus einem "Kontext herausgelösten Tatsachen eine sperrige Masse neutraler Daten." (Dreyfus 1985: S.234) So ist dem ontologischen Argument nur solange zuzustimmen, wie die programmierte Situation klar definiert ist. Es ist jedoch im Moment nicht vorstellbar, dass eine komplexe Situationen so formalisiert werden kann, dass die Maschine zwischen relevanten und irrelevanten Regeln unterscheiden kann. Grundsätzlich bleibt die Frage, ob Menschen in der Lage sind auch komplexe Situationen so zu beschreiben, dass sie komplett in Regeln gefasst werden können. "Allein aber die Anzahl amtierender Juristen zeigt uns, dass es unmöglich ist, Ambiguitäten, Ermessens- und Urteilsspielräume auszuräumen, indem man die Gesetzbücher so komplettiert, dass sie alle möglichen Situationen beschreiben und vorwegnehmen." (Dreyfus/Dreyfus, 1988: S.114)
Zusammenfassende Übersicht über die Grenzen der KI
Annahmen der KI |
Aussagen der KI-Forschung über menschliche Kognitionsvorgänge |
Widerlegung/Zustimmung nach DREYFUS und DREYFUS zur Übertragung auf die Fähigkeiten eines Computers |
Biologische Annahme |
"Das menschliche Gehirn funktioniert physiologisch wie Computerhardware." (Daniel/Striebel 1993: S.23) |
Kein Vergleich möglich, da das Gehirn Symbole physikalisch verarbeitet (Intensität/ Geschwindigkeit), während der Computer Symbole als solche verarbeitet. |
Erkenntnistheoretische Annahme |
"Menschliches Denken lässt sich formal beschreiben und ist mit den klassischen naturwissenschaftlichen Methoden zugänglich." (Daniel/Striebel 1993: S.23) | |
"Jedes nicht willkürliche Verhalten ist formalisierbar." (Dreyfus 1985: S.138) |
Wenn mit "nicht willkürlich" einer strikten Regel folgend gemeint ist, ist auch dieser Aussage zuzustimmen. |
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"Mit einem Formalismus kann das entsprechende Verhalten reproduziert werden." (Dreyfus 1985: S.138) |
Auch für den Computer lassen sich kontextfreie Regeln formulieren, wobei es schon immer eine der Stärken des Computers war, Abläufe reproduzieren zu können. |
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Ontologische Annahme |
Die Welt besteht "aus objektiven, von Menschen und untereinander unabhängigen Fakten." (Daniel/Striebel 1993: S.23) |
Eine Aussage muss jedoch immer unter Berücksichtigung des gesamten Kontextes gesehen werden und genau da scheitern die Maschinen. Sie können vielleicht einzelne Informationen verstehen, jedoch nicht den Zusammenhang herstellen. |
Die Welt lässt sich in isolierbare, kontextunabhängige, kleine Elemente, zerlegen. (vgl. Daniel/Striebel 1993: S.24) |
Der Aussage ist zuzustimmen, es ist jedoch nach DREYFUS und DREYFUS nie gelungen, diese Informationen zu einem sinnvollen Ganzen zu verknüpfen. |
Anhand dieser abschließenden Übersicht ist zu erkennen, dass es nur wenige Grenzen gibt, die die KI zu überwinden hat. Vielfach sind diese Grenzen dabei nur dem technologischen Unvermögen zuzuschreiben. Es wird also weiterhin die Frage offen bleiben, ob es möglich ist, selbstreferentielle Systeme zu erschaffen. Hinzu kommt, dass der Ansatz der symbolischen KI, wie schon oben erwähnt, die ersten Versuche in der KI-Forschung repräsentiert. Es bleibt also abzuwarten, ob neuere Entwicklungen die von DREYFUS und DREYFUS beschriebenen Grenzen überwinden können. Dabei könnten die im Folgenden beschriebenen Expertensysteme einen Anfang einleiten.
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